Zum zweiten Mal Erstsemester….

Zum zweiten Mal Erstsemester….

Viele Studierende entscheiden sich dafür, ein oder zwei Semester ihres Studiums im Ausland zu absolvieren. Dabei ist die Hoffnung groß viel Neues zu erleben. Obwohl  man auf dieselben Hürden stößt wie am Anfang des Studiums in Deutschland, kann genau das zu einer bereichernden Erfahrung werden. Sylvia Schneider berichtet aus Paris.

An das Gefühl, wie man zum ersten Mal auf dem viel zu großen Campus vor seiner viel zu großen Uni stand, wie man in den unendlichen Fluren nach den nicht vorhandenen Wegweisern spähte und wie man zwischen den unzähligen Fahrrädern sein eigenes suchte, wird sich jeder Studierende noch genau erinnern.

Dass sich dieses Szenario wiederholen könnte, damit rechnet man als Erstsemester nicht. Und richtig: Spätestens im zweiten Semester kennt man jede Abkürzung, hat das Raumsystem durchschaut und besitzt seinen eigenen Fahrradstellplatz. Das Mysterium Universität verliert seine Undurchdringlichkeit.

Als Gewohnheitstier wiederholt der Mensch einmal gelernte und erfolgreich zum Ziel führende Abläufe gerne. Er wendet sie selbst auf ähnliche, aber neue Situationen an, da sie Erfolg versprechen.

In der Hoffnung, dass sich universitäre Systeme gleichen, versuchen viele Studierende – so auch ich in Paris – ihre Kenntnisse bei Beginn ihres Auslandsstudiums auf die neue Uni zu übertragen. Nur leider funktioniert das manchmal so gar nicht.

Bereits bei der Kurswahl scheiterte ich an den einfachsten Dingen. An der Université Paris Sorbonne musste ich mich für jedes Fach einzeln in eine lange Schlange vor dem jeweiligen Sekretariat einreihen, um meine Kurswahl für das gesamte Jahr anzugeben.

Die wirkliche Schwierigkeit dabei: Die ersten vier Semester, die letzten zwei und der Masterstudiengang besitzen jeweils ihr eigens Sekretariat, dass sich schon mal am anderen Ende von Paris befinden kann.

Also stieß ich schon bei der Raumsuche auf dem neuen Terrain auf den ersten Widerstand des fremden Systems, als mir bewusst wurde, dass ich im falschen Gebäude suchte. Doch nicht nur Hilfslosigkeit stieg auf, sondern auch das Gefühl das Ganze schon mal erlebt zu haben.

Beim Studieren setzte irgendwann das Gefühl ein, ein Erstsemester zu sein: Als einzige kannte ich meine Mitstudierenden nicht.  Als Neue eine Frage stellen? Wahrscheinlich verstehe ich die Problematik nicht ! Wie auch? Ist ja alles auf Französisch!

Ich kannte noch nicht einmal meinen künftigen Stammbäcker, um mir ein Pausenbrot zu holen. Da es anderen ausländischen Studierenden ebenso erging, entstand schnell ein erster Freundeskreis.

Anfangs war ich froh auf Gleichgesinnte zu treffen, doch merkte ich wenig später, dass das eigentlich nicht Ziel meines Auslandsaufenthalts war. Ich empfand es als anstrengend immer wieder über dieselben Themen zu sprechen und dieselben Fragen zu beantworten.

Das war im Endeffekt der selbe Smalltalk den man als Erstsemester führt, um neue Leute kennenzulernen. Und dabei schlitterte ich an einem wichtigen Ziel vorbei: Ich würde so niemals Franzosen kennenlernen und mit ihrer Mentalität und ihrer Kultur in Kontakt treten.

Das Kunstgeschichte-Institut, der Université Paris IV, Sorbonne.

Um mich nicht mehr als die Neue zu fühlen, wählte ich einen ungewohnten, aber wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, effektiven Weg. Wann genau fühlt man sich nicht als einziger unwissend? Genau, in einem Kurs aus dem ersten Semester, in dem alle anderen auch neu sind! So schrieb ich mich ganz bewusst in einen solchen ein.

Denn die Erstsemester schreiben nicht nur die einfacheren Prüfungen, sondern erhalten ausführliche Erklärungen und Hinweise für ihr Studium. Diese Informationen sind für mich als Austauschstudentin sehr nützlich. Und es fiel mir leichter Kontakt zu Franzosen zu knüpfen, die selbst noch in keinem festen Freundeskreis waren.

Und warum sollte ich nicht von meiner bereits erworbenen Kenntnis profitieren, dass man sich nur in den richtigen Kurs einschreiben muss, um einen bestimmten Sachverhalt erklärt zu bekommen?

Infos

Zu den Partnerunis in Frankreich gibt es beim International Office:
www.io.uni-freiburg.de/partnerschaften

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Fotos: Sylvia Schneider
Veröffentlicht am 11. Januar 2012

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