Über die Hürden beim Freundschaft schließen in Paris

Über die Hürden beim Freundschaft schließen in Paris

„Bisous rechts, Bisous links“ versus „Guten Freunden gibt man ein Küsschen“. Wer denkt, dass zwischen diesen Gesten kein signifikanter Unterschied besteht, der irrt! Freundschaften in der Stadt der Liebe zu schließen, verlangt  Ausdauer und Fingerspitzengefühl.

„Falls es noch freie Tische im Seminar-Raum gibt, setze dich niemals an einen, der bereits von jemandem besetzt wird“. Das war der erste Rat, den ich von einer französischen Freundin vor meinem Auslandsaufenthalt in Paris bekam. Was ich damit anfangen sollte, wusste ich nicht so recht. Wie sollte ich denn sonst Kontakt zu meinen Mitstudierenden aufbauen können?

Anfangs versuchte ich durch kleine Konversationen vor und nach den Vorlesungen, Bekanntschaften zu knüpfen. Das Interesse meines Gegenübers hielt sich jedoch stets in Grenzen. Als es dann doch einmal zu einem längeren Gespräch kam, stellte ich die eigentlich simpelste aller Fragen: „Lust auf einen Kaffee?“. Leider folgte darauf ein genuscheltes „Nein“. Ich spürte, dass etwas nicht den gängigen Umgangsformen entsprach, nur wusste ich nicht was.

Voller Aufregung kam mir eines Tages meine Zimmernachbarin, ebenfalls Deutsche, entgegengestürmt: „Ich habe Bisous bekommen, ich habe Bisous bekommen“. Vielleicht waren also die Bisous, die Küsse auf die Wangen, das entscheidende Zeichen der Freundschaft?

Aber da Bisous das Äquivalent zu unserem Händeschütteln sind, stellen auch sie keine Form der freundschaftlichen Annäherung dar, sondern sind Teil der Begrüßung.

Erstmal die Handynummer

Auf meine Nachfragen, drückte ein Kommilitone das Freundschaft-Schließen so aus: „Hier gibt es keine Mauer, die es zu überwinden gibt, sondern viele kleine Hürden, die man der Reihe nach überspringen muss“.

Theoretisch war mir das klar, praktisch eher nicht. Klar definiert sind nämlich diese Hürden nicht, sie bestehen vielmehr aus einem langsamen, aber stetigen Kennenlernen. Auf eine sehr lange Annäherungsphase, folgt erstmal der Austausch von Handynummern und nicht gleich die erste Verabredung für den Kinobesuch.

Ein anderer Franzose erklärte mir: „Erstens sind Pariser stolz, so stolz, dass Fremde eben gar keine Interesse wecken und zweitens bleiben Pariser in Paris“. Das bedeutet, dass die große Mehrheit der Studierenden in Paris bereits ihren Freundeskreis aus der Schule besitzen.

Vermutlich ist das auch der Grund für das mangelnde Interesse am Banknachbarn. Zwar standen mir meine Mitstudierenden bei Fragen immer hilfsbereit zur Seite, jedoch bleibt in der Universität das Thema Studieren vorrangig.

Dazu kommt, dass französische Studierende vergleichsweise im Durchschnitt um zwei Jahre jünger sind, als Deutsche im selben Semester. Da auch das französische System verschulter ist und mehr Zeit in Anspruch nimmt, schränkt das viele Studenten in ihrer Freizeit ein.

Un café, ça te dit?

Schließlich fand ich sie aber doch, meine Freunde: Über meinen Tandem-Partner, der selbst nicht mehr studiert und liebend gerne ausgeht. Wir gingen zusammen auf Privatpartys, wo ich in der lockeren Atmosphäre leichter Kontakte knüpfen konnte.

Meine Freunde sind alle von zuhause ausgezogen und studieren nicht mehr. Aber genau das verbindet uns: Wir sind fast im selben Alter und haben ähnliche Erfahrungen. Und darauf kommt es an.

Manchmal ist die Universität gar nicht das bindende Glied. Freundschaft schließt man eben nicht auf dem einfachsten und schnellsten Weg. Und als ich neulich zusammen mit zwei Franzosen mein Institut verließ, stellten sie mir doch die ach so simple Frage: „Un café, ça te dit?“.

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Foto: Sylvia Schneider
Veröffentlicht am 16. Mai 2012

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