„Das bringt Viele zum Ausflippen“

Wer über den Campus läuft, bekommt schnell mit, dass sich unter den Austauschstudenten in Freiburg viele Amerikaner aus den USA befinden. Aber wie gefällt es ihnen bei uns eigentlich? Was passt ihnen gar nicht? uniCross hat bei Nick, Julie und Molly nachgefragt.

Nick, Julie und Molly, ihr habt ein bis zwei Semester in Freiburg studiert. Welche Unterschiede zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Uni-System sind euch aufgefallen?

Julie: Für mich war es neu, eine Uni-Veranstaltung nur einmal in der Woche zu haben. Zuhause habe ich die meisten Veranstaltungen dreimal die Woche und sie dauern dafür nur jeweils 50 Minuten. Das ist etwas anderes als die zwei Stunden, die ich hier immer habe.

Ich finde das 50-Minuten-System besser, da ich mich über diesen Zeitraum besser konzentrieren kann. Außerdem läuft das Lernen dann beständiger, als wenn man nur einmal in der Woche zwei Stunden hat und dann ein paar Stunden für die nächste Sitzung lernt.

Molly: Bei mir ist das auch so. In den USA kann man zwar auch mal Veranstaltungen wählen, die nur einmal in der Woche sind und dafür dann 3 Stunden lang gehen. Aber die wählt man eigentlich nur, wenn man freitags keine Uni haben möchte. Und wenn man dienstags und donnerstags Uni hat, dann dauern die Veranstaltungen eher eineinhalb Stunden, so dass man die Veranstaltung dann drei Stunden die Woche hat.

Julie: Bei uns in den USA gibt es nämlich meistens Veranstaltungen, die jeden Montag, Mittwoch und Freitag stattfinden und welche, die man immer dienstags und donnerstags hat.

Ich habe außerdem das Gefühl, dass die Benotung hier völlig anders läuft. In den USA habe ich das ganze Semester hindurch Prüfungen. Deswegen finde ich es sehr komisch, dass für mich jetzt nur Referate und Hausarbeiten in meine Note fließen werden, wenn ich es ansonsten gewohnt bin, zwei, drei Klausuren während des Semesters zu schreiben und dann am Ende noch eine. Das könnte allerdings auch an meinem Fach liegen.

Nick: In den USA ist das normal. Man hat in der Regel mehrere Klausuren in einem Fach und manchmal auch noch Hausaufgaben dazu, also konstantere Arbeit zu leisten. In Deutschland dagegen hast du vielleicht ein Referat und dann noch eine Klausur. Und manchmal zählt das Referat gar nicht, habe ich gemerkt. Das finde ich komisch.

Deswegen kommt alles vor allem auf eine Leistung an: auf eine Hausarbeit oder eine Klausur. Ich denke, das bringt viele amerikanische Studenten zum Ausflippen, sie sind das nicht gewohnt.

Julie: Ja, das setzt einen schon unter viel Druck. Wenn man in den USA mal einen schlechten Tag hat bei einer Klausur, dann weißt du, dass du noch zwei weitere zu schreiben hast, mit denen du deine Note wieder zurechtbiegen kannst.

Nick, Julie und Molly im MensaGarten.

Welche Unterschiede fallen euch denn noch auf?

Julie: In den USA hat so ziemlich jede Uni hat ein Maskottchen und verschiedene Sportmannschaften. Und viele Studenten wohnen in ihrem ersten Jahr in Wohnheimen, die auf dem Campus sind. Viele sind auch stolz auf ihre Uni, wie das zum Beispiel bei uns in Minnesota ganz stark ist. Wir haben mehrere Kleiderläden auf dem Unigelände, in denen es Kleidung mit Minnesota-Motiven gibt.

Das kann aber auch daran liegen, dass ich an einer der wirklich großen Unis in den USA bin, bei denen so etwas eher vorkommen mag als an kleineren. Die Läden nehmen bei uns die Hälfte der Student Union ein

Was ist denn eine Student Union*?

Julie: So etwas gibt es in Deutschland nicht. Die Student Union ist ein Ort, an dem die Studenten einfach herumhängen können oder auch mal ein Nickerchen machen können. Es ist wunderbar.

Molly: Also unsere Student Union zum Beispiel ist mitten auf dem Campus. Das ist ein sechsstöckiges Gebäude, in das die Studenten zwischen ihren Veranstaltungen hingehen. Im zweiten Untergeschoss ist ein Pub, im Untergeschoss eine Spielhalle und eine Pizzeria und ein Geschäft, im Erdgeschoss gibt es dann den „Studentenladen“ mit all den Sachen für Studenten wie Shirts, Jacken, Kaffeetassen, Stiften und allem rund um die Uni.

Dann gibt es noch einen riesigen Laden, in dem man die ganzen Bücher für die Uni kauft. Darüber sind dann Besprechungszimmer und weitere Räume, in denen sich die Hochschulgruppen treffen.

Kapuzenpulli Minnesota.

Wenn man bestimmte amerikanische Filme sieht und mit Studierenden spricht, die ein oder mehrere Semester in den USA verbracht haben, hat man immer das Gefühl, dass sich US-amerikanische Studierende ihrer Uni viel verbundener fühlen als das etwa in Deutschland der Fall ist. Wie seht ihr das?

Nick: Ich denke, in Deutschland gibt es dieses Gemeinschaftsgefühl so nicht, da das Unileben hier vor allem intellektuellen beziehungsweise akademischen Beschäftigungen vorbehalten ist. Das finde ich richtig und darum sollte es an einer Uni auch gehen. Unis in den USA sind aber einfach eine vollkommen von der Stadt getrennte Einheit.

Natürlich hauchen sie der Stadt viel Leben ein. Aber hier in Freiburg zum Beispiel ist die Uni ja schon ein Teil der Stadt, beides geht ineinander über.

Auf dem Campus in Madison dagegen ist das Unigelände klar umrissen und der Rest der Stadt ist dann schon noch einmal etwas anderes. Ein Ort, an den man erst einmal hinkommen muss. Es gibt einen zentralen Bereich, in dem sich immer die meisten Studenten aufhalten, was meiner Meinung nach zu diesem Gemeinschaftsgefühl und dem Sportsgeist beiträgt. Alles, was man tut, spielt sich um dieses Zentrum herum ab.

Oft hört man auch, dass an den Unis in den USA viel mehr Druck auf die Studierenden herrsche. Könnt ihr das bestätigen?

Julie: Ja, in Freiburg besuche ich zum ersten Mal eine Veranstaltung, die alle potenziell bestehen können. In meinen Ingenieurkursen in Minnesota gibt es immer eine bestimmte Anzahl von Leuten, die durchfallen müssen.

Die Uni legt das im Voraus fest: Die besten 30 Prozent bekommen eine 1, die schlechtesten 15 Prozent fallen so oder so durch. Das liegt vermutlich daran, dass mein Studiengang sehr konkurrenzbetont ist.

Infos

Nick, hat Französisch und Deutsch (Doppelhauptfach) an der University of Wisconsin in Madison studiert und soeben sein Studium beendet. In Freiburg war er mit AYF (Academic Year in Freiburg), einem ganzjährigen Programm, das von Anfang September bis Anfang August ging. Nächstes Jahr zieht er nach Taiwan, um seine Chinesisch-Kenntnisse zu vertiefen. Dafür bekommt er ein Stipendium vom taiwanesischen Bildungsministerium.

Julie, studiert Verfahrenstechnik an der University of Minnesota in Minneapolis. Sie war mit dem Programm „International Education Services“ (IES) für ein Semester in Freiburg. In den USA wird sie jetzt im fünften Bachelor-Semester weiterstudieren.

Molly, studiert Internationale Beziehungen an der San Francisco State University. Nach Freiburg kam sie mit dem International Program der California State University. Sie war seit August 2011 in Deutschland, hat das letzte Semester aber in Tübingen verbracht. Zurück in den USA hat sie noch vier Semester bis zu ihrem Bachelor.

*Eine Student Union, auch Student Activity Center genannt, ist ein Gebäude, das sich häufig auf dem Campus von US-Universitäten finden lässt. Es dient den Studierenden unter anderem als Ort der Erholung und für gesellschaftliche Aktivitäten wie dem Treffen von Hochschulgruppen.

Wo kann ich amerikanische Studierende treffen?

Wer selbst einmal mit Leuten aus den USA ins Gespräch kommen möchte, der hat dafür verschiedene Möglichkeiten. Zum einen gibt es die Freiburg-Madison-Gesellschaft, die Menschen aus den Partnerstädten Freiburg und Madison zusammenbringt und von Zeit zu Zeit Stammtische und Ähnliches veranstaltet.

Eine weitere Anlaufstelle ist das Carl-Schurz-Haus, das Deutsch-Amerikanische Institut in Freiburg, in der Eisenbahnstraße. Hier gibt es jeden Monat eine Vielzahl von Veranstaltungen, die man besuchen kann und immer wieder die Open-Dialog-Stammtische, in denen Amerikaner und Deutsche über allerlei Themen diskutieren können.

www.freiburg-madison.de

www.carl-schurz-haus.de

Mehr zum Thema

uniCross-Beitrag: Goodbye Harvard

Fotos: Minnesota-Pulli / Gruppe : Okan Bellikli
Autoren:
Veröffentlicht am 11. September 2012

Empfohlene Artikel