“Hart aber fair” im Rektorat

“Hart aber fair” im Rektorat

Wohin entwickelt sich die Uni? Wird sie demokratischer? Wirtschaftlicher? Und wie steht es um die Studierendenbeteiligung heute? Der Rektor der Uni Freiburg, Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Jochen Schiewer, und u-asta Mitglied Lennart Lein haben sich mit uniCross zum Gespräch getroffen und über den Unirat und demokratische Strukturen an der Uni Freiburg diskutiert.

Seit Anfang der 1990er Jahre sollen sich Hochschulen zunehmend an der freien Wirtschaft orientieren. 2005 wurde im Landeshochschulgesetz (LHG) die Einführung des Hochschulrats als eine Art „Aufsichtsrat“ festgehalten. Der Hochschulrat wird an der Uni Freiburg ‚Unirat‘ genannt und besteht aus sechs externen Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie fünf internen Mitgliedern, darunter ein Studierender.

Die grün-rote Landesregierung hat angekündigt das aktuelle Landeshochschulgesetz zu ändern und will demokratische Strukturen an den Hochschulen stärken. So wird auch 2013 die Verfasste Studierendenschaft (VS) eingeführt. Die Studierendenvertretung setzt sich schon länger für ein „demokratischeres Hochschulwesen“ ein, weg von der „unternehmerischen Hochschule“.

uniCross-Mitarbeiter Ole Seutter und Martin Peters haben sich mit dem Rektor, Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Jochen Schiewer, und dem u-asta Mitglied Lennart Lein im Rektorat zur Diskussion getroffen.

Wie in der politischen Talkrunde „Hart aber fair“ haben Ole und Martin die beiden zu ihren Positionen zum Unirat und den politischen Leitbildern ‚Unternehmerische Hochschule versus Demokratische Hochschule‘ befragt.

Herr Professor Schiewer, wozu braucht die Uni Freiburg einen Hochschulrat?

Rektor Schiewer: Bei dieser Frage müssen wir zwischen der Außen- und Innenwahrnehmung der Universität unterscheiden, also zwischen dem Bild, welches die Politik vorgibt, und dem Selbstbild der Universität. Aus meiner Sicht ist der Hochschulrat keineswegs vergleichbar mit dem Aufsichtsrat eines Unternehmens. Darum nennen wir dieses Gremium hier in Freiburg, anders als es vom Landeshochschulgesetz vorgesehen ist, Universitätsrat.

Vor der Einführung des Unirats wurden Regelungen an der Universität, wie der Erlass von Satzungen oder die Einführung von Studiengängen, vom Ministerium kontrolliert. Dies machen wir nun unabhängig.

Die Aufsichtspflicht, die der Universitätsrat wahrnimmt, ermöglicht uns eine viel größere Autonomie, weil weitreichende Kompetenzen zur Beaufsichtigung der Hochschulen an ein Gremium übergegangen sind, welches Teil der Hochschule ist und sich mit dieser auch identifizieren kann. Damit werden die Handlungsspielräume, die wichtig sind für die Gestaltung und Entwicklung unserer Universität, erweitert und verbessert.

Ole Seutter in der Gesprächsrunde mit Rektor Schiewer …

Wie sehen Sie den Unirat, Herr Lein?

Lennart Lein: Herr Schiewer hat natürlich Recht damit, dass mit der Schaffung des Unirats Kompetenzen verschoben worden sind vom Ministerium hin zur Universität. Die entscheidende Frage ist aber wohin zur Universität. Momentan ist es so, dass sehr viele Kompetenzen im Hochschulrat gebündelt sind.

Da im Unirat mehrheitlich externe Mitglieder sitzen, die wiederum mehrheitlich aus der freien Wirtschaft kommen, bedeutet dies, dass nicht die demokratisch legitimierten Gremien entscheiden können, sondern Externe über die Struktur- und Entwicklungsplanung, den Haushaltsplan und auch die Wahl des Rektors bestimmen.

Rektor Schiewer: Alles was dem Unirat zur Abstimmung vorgelegt wird, ist in den Gremien der Universität zuvor diskutiert und abgestimmt worden. Der Unirat ist kein Gremium, das über die Köpfe der anderen Gremien hinweg entscheidet. Der Unirat berät und bestätigt Entscheidungen, die in anderen Gremien getroffen worden sind.

Lennart Lein: Die Praxis ist vom Gesetz nicht zu trennen: Im Zweifel hat der Unirat ‚die Hosen an’. Der Senat kann bei den sehr wichtigen Struktur- und Entwicklungsplänen nur eine Stellungnahme abgeben.

… und u-asta-Mitglied Lennart Lein (links) sowie Martin Peters.

Herr Lein, Sie teilen die Meinung der Studierendenvertretung, die den Unirat in der jetzigen Form abschaffen möchte. Wie würden Sie sich ein alternatives Modell vorstellen?

Lennart Lein: Der Unirat kann seinen Aufgaben gar nicht gerecht werden, weil die Kapazitäten, die Zeit und Energie, nicht vorhanden sind, die ein solches Aufsichtsgremium bräuchte. Ganz abgesehen davon, dass die Ziele, die mit der Schaffung eines Aufsichtsrates verbunden sind, nämlich die Verquickung von Wirtschaft und ökonomisierter Bildung, sowieso abzulehnen sind.

Was ich mir vorstellen könnte, ist die Schaffung eines Legislativrates, wie etwa ein überarbeiteter Senat, der sich dann mit den Aufgaben des derzeitigen Unirats befasst oder auch die Schaffung eines Exekutivausschusses. Der Senat würde einen Ausschuss wählen, in dem alle Statusgruppen vertreten sind.

Herr Professor Schiewer, wie stehen Sie zu diesen Ideen?

Rektor Schiewer: Der Senat ist ein Gremium, das operativ für die Universität tätig ist. Er trifft Entscheidungen hinsichtlich Lehre, Forschung, Weiterbildung und der Verfasstheit der Universität und erlässt Satzungen. Der Senat ist ein Organ, das sich nicht selbst kontrollieren kann. Es muss daher ein weiteres Organ geben, welches diese Aufsicht führt. Und das ist in der jetzigen Struktur laut Universitätsgesetz des Landes Baden-Württemberg der Universitätsrat.

Wir schaffen mit dem Universitätsrat keinerlei Ökonomisierung der Bildung. Wir wollen Studierende zum selbstständigen und wissenschaftlichen Arbeiten befähigen. Das ist die Aufgabe einer Universität, ergänzt um die dazu notwendige Karriereberatung, die vermittelt, was man mit diesen erworbenen Fähigkeiten erreichen kann.

Lennart Lein: Staatliche Ausfinanzierung der Universität ist ein Mythos.

Lennart Lein: Seit Jahrzehnten gibt es in der Politik Entwicklungen, die ganz klar an einer ökonomischen Ausrichtung orientiert sind und die auch Einfluss auf die Universität Freiburg haben. Im LHG wird das Rektorat ‘Vorstand’ genannt. 40 Prozent der Mittel, die die Universität bekommt, sind Drittmittel.

Die staatliche Ausfinanzierung der Universität ist ein Mythos. Es sind Wissenschaftsverbände und Stiftungen und auch Wirtschaftsunternehmen beteiligt, die eigene Interessen in Bezug auf die Universität verfolgen.

Rektor Schiewer: Was von außen vorgegeben wird, ist die eine Sache. Das andere ist die Organisationsform, die sich die Institution Universität selbst gibt. Darum bleiben wir eben auch bei den Begriffen ‘Rektorat’ und ‘Universitätsrat’. Das ist, denke ich, auch das gute Recht einer 555 Jahre alten Universität.

Wir müssen unterscheiden zwischen Ökonomisierung und struktureller Unterfinanzierung. Wir sind eine staatlich finanzierte Einrichtung und auch die Drittmittel, die wir bekommen, sind zu weit über 80 Prozent öffentliche Mittel. Wir erhalten keine Mittel, die in großem Umfang privatwirtschaftlich finanziert sind. Es sind im Wesentlichen öffentliche Mittel. Dass wir um sie konkurrieren müssen, das ist richtig.

Diskutieren …

Die aktuelle Landesregierung hat die Verfasste Studierendenschaft wiedereingeführt. Im Frühjahr stimmen die Studierenden der Uni Freiburg bereits über eine neue “Hochschul-Verfassung” ab. Wie bewerten Sie die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft, kurz VS?

Lennart Lein: Auch wenn diese Entscheidung ein paar Jahrzehnte zu spät kommt, begrüße ich das natürlich außerordentlich.

Rektor Schiewer: Ich habe seit meinem Amtsantritt immer die Position vertreten, dass es sinnvoll ist die Verfasste Studierendenschaft wiedereinzuführen. Ich habe mich dafür sowohl in der Landesrektorenkonferenz als auch beim Ministerium persönlich eingesetzt. Ich halte es für wichtig, dass wir eine starke und demokratisch legitimierte Studierendenvertretung haben.

Als eine starke demokratische Legitimierung würde ich eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent der Studierenden bezeichnen. Die Etablierung der Verfassten Studierendenschaft unterstützen wir in jeder Hinsicht. So schaffen wir beispielsweise mit einer dreitägigen Abstimmung und der Möglichkeit zur Briefwahl die Voraussetzungen für eine hohe Beteiligung an der Urabstimmung über die Satzung.

… über Mitbestimmung an der Uni.

Die grün-rote Landesregierung hat sich die “Stärkung demokratischer Strukturen” an den Hochschulen zum Ziel gesetzt. Die Studierenden haben in den hochschulpolitischen Gremien aber nur einen Stimmenanteil von etwa 10 Prozent. Reicht das aus?

Rektor Schiewer: Man muss dabei bedenken, wie die Verantwortlichkeiten und Aufgaben in den Gremien verteilt sind. Insofern finde ich die Relationen vernünftig und richtig. Wichtig ist aber, dass man Entscheidungen in einem partizipativen und offenen Prozess trifft.

Lennart Lein: Ich sehe das anders. Ich halte den Anteil der Studierenden in diesen Gremien nicht für ausreichend. Ich fände es richtig, wenn alle vier Statusgruppen, also Professorinnen und Professoren, Studierende, Wissenschaftlicher Dienst, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Administration und Technik, mit gleichem Stimmrecht vertreten wären.

Bisher sind die Professoren deutlich stärker vertreten als die anderen Statusgruppen. Das basiert auf dem Gedanken, dass die Professoren von den Entscheidungen der Gremien stärker betroffen sind als beispielsweise die Studierenden und das halte ich für falsch. Eine Prüfungsordnung beispielsweise betrifft die Studierenden und den wissenschaftlichen Dienst genauso wie die Professoren.

Rektor Schiewer: Wünscht sich eine Wahlbeteiligung von 50 Prozent.

Was würde dagegen sprechen, dass alle Statusgruppen den gleichen Stimmenanteil hätten?

Rektor Schiewer: Wir müssen bedenken, dass die Professorinnen und Professoren gerade in Lehre und Forschung eine andere Verantwortung tragen als die anderen Statusgruppen. Auf der anderen Seite sind die Studierenden natürlich ein besonders wichtiger Teil der Universität. Aber die Studierenden sind an der Uni immer nur für einen begrenzten Zeitraum und werden auch nur für eine begrenzte Zeit in die Gremien gewählt. Und natürlich sind sie an allen Entscheidungsprozessen beteiligt. Ich erlebe die Studierendenvertreter dabei stets als hervorragend vorbereitet und sehr ambitioniert.

Bei einer Abstimmung ist allerdings der Stimmenanteil entscheidend. So wäre es doch denkbar, dass die Studierenden konsequent überstimmt werden.

Rektor Schiewer: Da muss ich sagen, dass die Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Die grundsätzliche Verantwortung für die zentralen Bereiche der Uni – Lehre und Forschung – liegt nun mal bei den Professorinnen und Professoren. Und das muss sich auch in den Gremien wiederspiegeln. Insofern halte ich die Stimmenanteile in den Gremien auch für richtig.

Vertreten unterschiedliche Positionen: Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer und u-asta-Mitglied Lennart Lein.

Im Koalitionsvertrag wird von der Stärkung demokratischer Strukturen gesprochen. Was wünschen Sie sich diesbezüglich für die Uni Freiburg?

Lennart Lein: Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung sich an den Koalitionsvertrag hält. Das wird wahrscheinlich nicht passieren, denn der Hochschulrat wird voraussichtlich nicht abgeschafft, so wie dies angekündigt war. Ich bin für externe Beratung, denke jedoch, dass eine beratende Funktion vollkommen ausreichend wäre.

Ansonsten brauchen wir mehr und frühere studentische Mitbestimmung. Entscheidungen sind zurzeit oftmals bereits soweit vorbereitet, dass die Studierenden nur noch über einen geringen Änderungsspielraum verfügen.

Rektor Schiewer: Ich wünsche mir natürlich eine weitere Stärkung der Autonomie der Universität. Dazu brauchen wir die Hochschulräte auch weiterhin.
Bei Parteien, Wissenschaftsorganisationen und Gewerkschaften gibt es einen breiten Konsens, dass die Hochschulräte die Autonomie der Hochschulen erheblich gestärkt haben.

Das Modell muss dennoch weiterentwickelt werden. Die Hochschulräte abzuschaffen, wäre falsch. Ich wünsche mir aber für die Zukunft, dass die demokratische Legitimierung der Studierendenvertreter besser wird und über 50 Prozent der Studierenden an den Wahlen teilnehmen. Ich glaube, dass dafür die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft ein erheblicher Impuls sein kann.

Halten Sie eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent für realistisch, Herr Lein?

Lennart Lein: Nein. Je weniger ein Gremium zu entscheiden hat, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Wenn man das beachtet, ist die Wahlbeteiligung an der Uni nicht so schlecht. Daher fordere ich mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung der Studierenden.

Herr Schiewer, Herr Lein, wir danken Ihnen beiden für das Gespräch.

Infos zum Thema

Die Mitglieder des Universitätsrates

Die Organisation der Hochschulpolitischen Gremien

Hochschulräte FAQ (herausgegeben vom u-asta)

Wegweiser zu allen Hochschulpolitischen Gremien (herausgegeben vom u-asta)

Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung, betreffend das LHG s. Seite 12

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uniCross-Beitrag zum Thema VS: Ich schreib‘ uns gerade eine Verfassung …

Fotos: SC
Veröffentlicht am 6. März 2013

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