Schublade auf und rein mit dir

Schublade auf und rein mit dir

Vorurteile an Universitäten kommen häufiger vor, als man denkt. Täglich werden Lernende und Lehrende in Schubladen gesteckt. Und manchmal werden hierbei Grenzen überschritten. Ab wann wird ein Vorurteil verletzend oder gar diskriminierend?

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Stereotype und Vorurteile sind Phänomene, die auch an Universitäten vorkommen. Wer kennt diese Stereotype nicht: Der Nerd  mit Hornbrille, Karohemd und Laptop unter dem Arm oder der  gestriegelte Jurist mit Segelschuhen und Designerschal?

Aber was ist, wenn es um Vorurteile gegen eine verschleierte Mitstudentin, gegen Kleinwüchsige oder den schwarzen Studenten geht? Was denken wir, wenn wir ihnen begegnen? Und begegnen wir ihnen, ohne zu werten?

Vorurteile und Stereotype strukturieren eine komplexe Welt

Aus psychologischer Perspektive besitzen  Vorurteile eine affektive, eine kognitive und eine verhaltensbezogene Komponente. Diese bedingen sich zwar gegenseitig, unterscheiden sich aber von Fall zu Fall in ihrer Intensität.

Kognitive Stereotypisierungen beschreiben den Inhalt eines Vorurteils, beispielsweise dass Nerds Hornbrillen tragen. Die affektive Komponente, das Vorurteil, beschreibt dagegen unsere emotionale Reaktion. Dies hat einen großen Einfluss auf das Weltbild und die Interaktion mit anderen Menschen. Verhaltensbezogene Prozesse basieren auf Erfahrungen, die mit anderen gesammelt werden oder kulturell erlernt wurden.

Henrik Singmann, Diplompsychologe an der Uni Freiburg, beschreibt Stereotypisierung und Diskriminierung als unterschiedliche Ausdrucksarten von Vorurteilen. Im Allgemeinen gehe es darum die Welt zu strukturieren.

„Unterscheidungen wie die Trennung von Männern und Frauen oder Einheimischen und Ausländern sind wichtig, damit wir uns in eine Gruppe einordnen und ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln können“, sagt Singmann. Dies führe allerdings zwangsläufig zu einer Abgrenzung, welche, je nach Situation und Grad, im Extremfall auch Gefahren mit sich bringe.

„Kameltreiber“ an der Uni – wenn Urteile diskriminieren

Es ist ein schmaler Grat zwischen lustiger, vergleichsweise harmloser Stereotypisierung eines Studenten aufgrund seiner Fächerzugehörigkeit und unpassender, geschmackloser Diskriminierung. Am Beispiel des persischen Studenten Reza* ging die Vorurteilsbildung des Professors an einer deutschen Hochschule offenbar zu weit. Während einer Vorlesung wurde Reza eine Verständnisfrage zum Inhalt der Sitzung vom Sitznachbarn gestellt.

Reza beantwortete die Frage kollegial, jedoch zum Unmut des Professors, der Reza mit der  Begründung, dass Kameltreiber nicht in seinen Hörsaal gehörten, des Kurses verwies. „Ich konnte es im ersten Moment gar nicht fassen wie mir geschah. Ich habe einen deutschen Pass und studiere ganz normal Medizin, was soll das? Ich bin doch kein Kameltreiber“, sagt Reza.

Auch in Freiburg kommen Vorurteile und Diskriminierungen vor. Dunja*, Studentin der  Philosophischen Fakultät, trägt aus religiösen Gründen ein Kopftuch. „Ich habe das Gefühl viele sehen nur mein Kopftuch und gar nicht mich“, sagt Dunja.

Malik*, Lehramtsstudent an der Freiburger Uni, hat ebenfalls Erfahrungen mit Vorurteilen gemacht. Der Student mit kongolesischen Wurzeln, wurde schon öfter am Bahnhof auf dem Weg zur Uni von der Polizei angehalten, befragt und durchsucht. Sein deutscher Mitstudent Andi* wird dabei nicht beachtet. „Wenn wir unterwegs sind, wird Malik ständig angehalten und befragt. Ich denke, das hängt mit seiner Hautfarbe zusammen“, kritisiert Andi*.

Eine psychologische Studie der University of North Carolina hat  gezeigt, dass schwarze Männer im Durchschnitt eher mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden, als weiße. In einem Reaktionstest mit unterschiedlichen Bildern von Pistolen und Gegenständen wurden bei der Frage der Zuordnung die Pistolen signifikant häufiger den schwarzen Menschen zugeordnet. Solche Erkenntnisse machen deutlich, wie gefährlich Vorurteile werden können.

Uni Freiburg unterstützt Betroffene

Wer andere abwertet, wolle sich innerhalb seiner Gruppe aufwerten. Allerdings seien Vorurteile nicht in Stein gemeißelt: „Wir alle haben zwar Schubladen in den Köpfen, aber auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion“, sagt Singmann. Menschen seien in der Lage, negative Vorurteile durch Kontakt mit Fremdgruppen abzubauen. „Ein Vorurteil sagt mehr über denjenigen aus, der dieses Urteil trifft, als über denjenigen, an den dieses Urteil gerichtet ist“, sagt Singmann.

Diejenigen jedoch, über die geurteilt wird, fühlen sich oft allein gelassen. Die  vorhandene Unterstützung von Freunden reicht nicht immer aus.

An der Uni Freiburg finden Betroffene beispielsweise Unterstützung  bei den Beauftragten für Gleichstellung.

Info

Anlaufstellen für Betroffene an der Universität Freiburg:
www.personalentwicklung.uni-freiburg.de/service/ansprechpartner

Zur Studie der University of North Carolina

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Hinweis: * Die Namen der Betroffenen wurden geändert.

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Gemeinschaftsproduktion von Antonia Bahria, Alex Koneczny und Zoe Roth im Seminar Journalismus crossmedial für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung: Silvia Cavallucci, Manuel Devant, Horst Hildbrand.

Veröffentlicht am 2. April 2013

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