Liest du noch, oder liebst du schon

BibFlirt.de – ein Internet-Portal will dem Zufall eine zweite Chance geben. Studierende können nach Leuten suchen, denen sie in Bibliothek, der Bahn oder der Uni begegnet sind – und die sie wiederfinden möchten.

 

Wer hier nur lernt, macht was falsch. Hier? Das ist ein Tisch in der Unibibliothek. Wer? Studierende, die sich eigentlich auf ihre Bücher konzentrieren sollten. Allerdings ist der Anblick schräg gegenüber manchmal doch um einiges anregender als Luhmanns Systemtheorie. Nicht nur optisch, sondern auch intellektuell.

Es stellt sich die Frage: Was nun? Das hübsche Mädchen mit der riesigen schwarzen Brille ansprechen? Den coolen Typen mit den braunen Wuschel-Haaren nach der Handy-Nummer fragen? Scheinbar studiert er Politik. Trägt Jeans und ein bedrucktes T-Shirt. Jetzt schaut er herüber – schnell wieder das Buch vor das Gesicht halten und sich nichts anmerken lassen.

Alternative für Schüchterne

Den Mut, die Initiative zu ergreifen und denjenigen sofort anzusprechen, finden Wenige. Die Angst, einen Korb zu bekommen oder verhöhnt zu werden, ist zu groß. Wen der Anblick der oder des Unbekannten dennoch nicht loslässt hat seit Januar 2013 eine anonyme Alternative. Die Plattform „BibFlirt.de“ bietet die Möglichkeit, kostenlos eine Suchanzeige aufzugeben, die auf der Seite veröffentlicht wird. Dabei sind der Poesie keine Grenzen gesetzt:

Sie: Süßer PH-Student im höheren Semester, gerade in der Cafeteria der UB […]in adidas-Jogginghose gesichtet. Dein badischer Slang und dein süßes Lachen sind so sexy. Deine Zähne sind weißer als die Sonne hell ist. Auch wenn du nicht der Größte in Zentimetern bist, bist du groß in meinen Gedanken. Ich hab dich schon so oft gesehen, wann siehst du endlich mich?

Es geht auch kürzer:

Er: An die blonde kurzhaarige Psychologiestudentin, die direkt hinter mir sitzt: Wolln wa n Kaffee trinken gehen? ;)“

Gesichtet – Gesucht – Gefunden?

„Ich habe aus Spaß mal gemeinsam mit einer Freundin Blödsinn hingeschickt, sowas wie ‚Hallo schöne Frau! Ich hab dich noch nie gesehen, aber melde dich doch mal bei mir‘“, sagt Anton, der in Freiburg Soziologie studiert und das Portal getestet hat.

„Erst kam die Nachricht von der Seite, dass der Eintrag noch geprüft werden muss und ich dachte, naja, kommt eh nicht durch. Einen Tag später war der Eintrag online. Zwei Tage später hatte ich tatsächlich eine Antwort.“

Die Reichweite der Gesuche erhöht sich durch die Möglichkeit, sie auf Facebook zu verlinken. Die Einträge werden dafür mit lokalen „Spotted“-Seiten verbunden. „Spotted“ steht für „entdeckt“ und funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Wer im Universitätsalltag auf etwas Interessantes stößt, postet eine Nachricht  mit Datum, Ort und Beschreibung an die Pinnwand der Seite. Die jeweiligen Gründungsteams pflegen die Portale. BibFlirt.de beispielsweise wird von sechs Heidelberger Studierenden betrieben.

Flirten 2.0 – Ein bekanntes Format nur digital

Was ist der Unterschied zu herkömmlichen Partnerbörsen? Auf BibFlirt.de werden keine Profile analysiert oder optimale Erfolgschancen vermittelt. Die Plattform funktioniert als digitale Pinnwand, das direkte Kennenlernen verläuft schließlich analog. Die betreffende Person zu finden, bleibt eine Sache des Zufalls. Die Gesuchten müssen die Anzeige lesen und beantworten, der Trend lebt und stirbt mit der Bekanntheit bei den Studierenden.

Die Wurzeln der Spotted-Bewegung liegen in Schottland. Mit dem Namen „Spotted: Glasgow Uni Library“ ging am 10.12.2012 die erste Spotted-Facebookseite online. Über 7.000 Nutzern gefällt die Seite, auf der die eingestellten Gesuche direkt kommentiert werden können.

Niemand dabei? Spotten geht immer!

Wem die Sprüche auf „BibFlirt.de“ und „Spotted“ zu kitschig sind kann sich der Gegen-Kampagne anschließen: „Verspotted: Uni Bonn“ gefällt inzwischen mehr als 1.800 Nutzern. Verspottet werden kann hier alles und jeder, gemeinsam und anonym. Die Kommilitoninnen und Kommilitonen, die Professorinnen und Professoren, die Verwaltung oder die Systemtheorie von Niklas Luhmann. Ohne Rücksicht auf Katagelophobie. Was das ist? Ließe sich ja in der Unibibliothek nachschlagen…

Mehr Info

Web: www.bibflirt.de

Freiburg: www.bibflirt.de/Freiburg

Veröffentlicht am 22. Mai 2013

Empfohlene Artikel