Deutsch als Zweitsprache

Slavistik oder Romanistik studieren?  Als „international student“ ins Ausland? Zentral dabei ist das Sprachenlernen. Freiburger Slavisten haben nun eine Studie vorgelegt, wie russische Muttersprachler in Südbaden Deutsch und Alemannisch lernen. Das liefert neue Erkenntnisse, die sprachinteressierte Studierende freuen wird.

Italienisch, Russisch, Türkisch oder Arabisch: An der Uni Freiburg kann man die unterschiedlichsten Sprachen studieren. Entschließt man sich dazu, heißt es für viele Studierende mit 20 Jahren oft sogar bei „Null“ anzufangen. Und wer sich schon einmal an eine fremde Sprache herangewagt hat, der weiß, dass das Erlernen nicht immer einfach ist. Besonders das Erreichen des Muttersprachniveaus scheint schier unmöglich. Nun liefert die Forschung Freiburger Slavisten neue Erkenntnisse zum Thema Spracherwerb.

Deutsch ist keine leichte Sprache. Für Menschen die nach Deutschland kommen, um hier zu leben, ist das Lernen der deutschen Sprache jedoch wichtig, wenn sie gut zurechtkommen wollen. Im Rahmen der Forschung rund um die Slavistik-Professorin Juliane Besters-Dilger, haben Linguistinnen und Linguisten nun die erste Studie vorgelegt, wie russischsprachige Migranten in Freiburg sowie den Regionen Breisgau und Ortenau Standarddeutsch oder den Dialekt erlernen.

40 Probanden wurden befragt

„Wir wollten wissen, welche sprachlichen Schwierigkeiten und Probleme Menschen mit russischer Muttersprache nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch aufweisen“, sagt Prof. Besters-Dilger. Die Doktoranden Tatiana Perevozchikova und Alexander Prediger befragten deshalb 40 Probandinnen und Probanden. Das Hauptinteresse galt dabei dem Einreisealter der Probanden, das zwischen 5 und 50 Jahren lag. Die Forscher wollten dadurch herausfinden, wie entscheidend das Alter beim Erwerbsbeginn ist.

„Für uns war es auch wichtig, dass die Probanden, die zehn Jahre oder länger in Deutschland sind, davor keinerlei Kontakt zur deutschen Sprache hatten“, sagt Tatiana Perevozchikova. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass das Einreisedatum mit dem Beginn des Spracherwerbs zusammenfiel.

Ablauf der Slavistik-Studie

Um zu untersuchen, welche Sprachprobleme hinsichtlich der Grammatik – der Morphologie und der Syntax – bestehen bleiben, wurden Interviews geführt, bei denen die Probanden möglichst viel erzählen sollten. Auch mittels Dialektübersetzungen, Lückentests oder durch das Nacherzählen eines Stummfilms wurden die Probanden zu ihren Fertigkeiten im Hören, Lesen und Schreiben getestet. „Dieser Ablauf war sehr zeitintensiv, unsere Probanden haben jedoch meist auch aus eigenem Interesse bei der Studie mitgemacht und hatten besonders bei der Dialektübersetzung Spaß“, sagt Alexander Prediger.

Erkenntnisse stellen „kritische Periode“ auf den Prüfstand

Da die Studie noch bis 2014 läuft, gibt es noch keine definitiven Ergebnisse. Dennoch zeichnet sich ab, dass es einige sprachliche Phänomene gibt, die auch noch bei einer späten Migration erworben werden können.

Eine interessante Erkenntnis – stellt sie doch die Hypothese der „kritischen Periode“ auf den Prüfstand: Bisher nahmen Linguisten an, dass der Erwerb einer zweiten Sprache auf Muttersprachniveau ab einer gewissen Altersgrenze – die laut einer Studie hinsichtlich Morphosyntax, also der Formen- und Satzlehre, bei etwa zwölf Jahren liegt – nicht mehr möglich sei. Doch die Freiburger Studie zeigt: Auch Menschen die mit 30 oder 40 Jahren nach Deutschland eingereist sind und die Sprache erlernt haben, nähern sich in gewissen Bereichen dem Muttersprachniveau an.

Eine große Rolle spielen dabei soziolinguistische Faktoren wie die Motivation, die Dauer des Aufenthalts oder auch das soziale Umfeld. Besonders der Dialektgebrauch wird nach den vorläufigen Ergebnissen weniger vom Einreisealter, sondern eher vom Kontakt mit dem Dialekt durch Beruf oder Partnerwahl geprägt.

Fremdsprache vs. Zweitsprache

Welche Relevanz haben die bisherigen Erkenntnisse für Studierende der Uni Freiburg? Man müsse zwischen Fremdsprache und Zweitsprache unterscheiden, sagt Prof. Besters-Dilger. Wenn deutsche Studierende in Freiburg eine Sprache lernen, nennt man diese eine Fremdsprache. In der Studie wurde allerdings der Erwerb einer Zweitsprache untersucht, das heißt, die russischsprachigen Menschen leben hier und sind direkt mit einem deutschsprachlichen Umfeld in Kontakt. Insofern sei ein direkter Vergleich schwierig.

Dennoch sei der positive Aspekt der Untersuchungen die Erkenntnis, dass man beim Spracherwerb mit 20 oder mehr Jahren in bestimmten Bereichen der Sprache ein qualitativ hohes Niveau oder sogar Muttersprachniveau erreichen könne.

Allerdings gilt das nicht für die phonetische Ebene, das heißt der Ebene der Aussprache: Mit großer Wahrscheinlichkeit erreiche man hier als Student oder Studentin das Niveau eines Muttersprachlers nicht mehr.

Die eigene Herkunft lässt sich wohl nicht verleugnen, da man am Akzent immer als Nicht-Muttersprachler erkennbar bleiben wird. Dennoch liefern die bisherigen Erkenntnisse der Slavistik-Studie einen Grund zum Beispiel fleißig Grammatik zu pauken: In diesem Bereich ist es möglich, das Muttersprachniveau annähernd zu erreichen und das ist doch eine enorme Motivation.

Mehr Infos

Zum Forschungsprojekt geht es hier: www.slavistik.uni-freiburg.de/forschung/lprojekte

Team

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Alexander Prediger, Prof. Juliane Besters-Dilger, Tatjana Perevozchikova (von links) liefern neue Erkenntnisse zum Spracherwerb.

Foto Team: Kathrin Lander
Veröffentlicht am 8. August 2013

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