Leben über die Grenzen hinaus

Leben über die Grenzen hinaus

Was bedeutet Leben? Diese philosophische Frage hat der Biologiestudent Pablo Grassi gemeinsam mit Studierenden vieler verschiedener Fächer im Rahmen eines selbstorganisierten Seminars erörtert. Für seine Eigeninitiative bekam er diesen Sommer den Sonderpreis für studentisches Engagement. Im Interview erzählt er von seinem ausgezeichneten Projekt.

Pablo, du hast in diesem Sommer den Sonderpreis für studentisches Engagement erhalten. Was war deine Motivation, ein solches Projekt anzugehen?

Ich hatte verschiedene Motivationsgründe. Ich fand es interessant, mich der Frage nach dem Leben zuzuwenden, dahinter steckte ein Erkenntnisinteresse. Außerdem wollte ich von Anfang an Biologie in Kombination mit Philosophie studieren, was nicht möglich war.

Es ging mir immer um das Thema des Lebens, betrachtet aus den verschiedensten Perspektiven. Deshalb wollte ich mich mit Studierenden aus anderen Fachgebieten, mit Physikern, Philosophen, Germanisten und anderen Biologen über dieses Thema austauschen. Es ging  uns sowohl um verschiedene Beschreibungen als auch um Definitionen des Lebens, beispielsweise  um den Begriff der Lebendigkeit in Abgrenzung zum biologischen Lebensbegriff.

Warum hat dich das Thema „Leben“ so gereizt?

Ich habe zwei Gegenstandsbereiche betrachtet, die auf den ersten Blick nicht kombinierbar erscheinen. Auf der einen Seite, das durch Freiheit-Konzeptionen geprägte menschliche, gesellschaftliche Leben und auf der anderen Seite das leblose kausal Erklärbare, die bloße physische Materialität. Ich wollte diese Trennung, welche sich noch in dem Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zeigt, erkunden. Das „Leben“ gehört nun beiden Bereiche an, es verbindet diese miteinander – daher auch meinem Begeisterung dafür. Im Prinzip bin ich aus theoretischem Interesse auf das Thema „Leben“ gekommen und der Feststellung, dass das immer noch ein aktuelles Thema ist. Man merkt, da ist noch was, worüber man reden kann.

Mit welcher Studierendengruppe hast du das Projekt aufgebaut?

Ganz am Anfang waren es Freunde, die ich zu mir eingeladen hatte. Zunächst war es noch ganz relaxt, wir haben uns getroffen und etwas getrunken, geredet und Referate gehalten. Nach und nach hat sich ein fester Kern gebildet aus etwa drei bis fünf Leuten. Ich bin natürlich nicht der einzige der das Ganze aufgebaut hat. Marco Tabarelli, Daniel Göbel und Björn Bastian haben beispielweise zu diesem engeren Kreis gehört und viel Zeit in das Projekt investiert.

Wann habt ihr angefangen, euch regelmäßig zu treffen?

Da sich viel verändert hat, oft Leute gegangen und neue hinzugekommen sind, ist es schwer zu sagen, wann wir als Gruppe richtig damit angefangen haben. Der einzige, der durchweg dabei geblieben ist, war ich. Im Wintersemester 2009 habe ich damit angefangen.

Wie ist das Projekt ins Rollen gekommen?

Nach unseren Treffen im privaten Rahmen fingen wir mit einem Halbseminar an. Das war noch nicht als offizielles Seminar ausgeschrieben und wurde noch nicht anerkannt. Im folgenden Sommersemester hat das Ganze mehr Struktur bekommen. Wir haben gezielt Leute eingeladen und Referate gehalten. Als das so gut lief, haben wir im Wintersemester forcierter Studierende und Dozierende eingeladen. Zudem wurde das Seminar offiziell ausgeschrieben und konnte teilweise anerkannt werden.

Wie konnten sich die Studierenden aus den verschiedenen Fächern das Seminar anerkennen lassen?

Die Biologen konnten es sich beispielweise als fachfremdes Profilmodul anrechnen lassen, andere Fakultäten haben das auch so anerkannt. Darüber hinaus versuchten manche Teilnehmer den Seminar-Schein zum Beispiel als BOK-Kurs zum Thema Interdisziplinarität anrechnen zu lassen.

Wie habt ihr das als Gruppe organisatorisch hinbekommen – hattet ihr eine klare Aufgabenverteilung?

Nein, das haben wir natürlich versucht, aber das war schwierig. Wir sind alle Studenten … Der eine hat sich mal um die Raumsuche gekümmert, der andere um Kontaktaufnahme. Letztlich haben wir alle überall mitgearbeitet. Innerhalb der einzelnen Gebiete haben wir klare Aufgaben verteilt. Es war ein Miteinander Arbeiten und schauen, wie wir das Ganze gemeinsam organisieren können.

Es haben auch einige Dozierende und Professoren Vorträge im Rahmen des Seminars gehalten. Wie kam es dazu?

Die haben wir gezielt eingeladen und darum gebeten, über Themen zu referieren, die sie selbst interessieren oder über die sie gut Bescheid wissen. Die Freiburger Dozierenden aus den verschiedenen Fächern haben sich gefreut, bei uns und mit uns das Seminar zu gestalten. Keiner hat gesagt, dass er das nicht möchte. Es kam zum Beispiel Prof. Lore Hühn, die etwas zu Hans Jonas und Schelling erzählte, oder Prof. Peter McLaughlin aus Heidelberg, welcher über „biologische Funktionsanalyse“ sprach. Durchschnittlich haben wir etwa vier Dozierende pro Semester eingeladen, die meistens einen oder zwei Vorträge hielten, aber nicht mehr. Andernfalls hätten wir Studierende keine Möglichkeit mehr gehabt, Referate zu halten.

Wie lief ein solches Seminar ab?

Ganz am Anfang habe ich etwa zwei Einführungsvorträge zum Themengebiet geführt und erörtert, wo unsere Schwerpunkte liegen. Dann haben wir meistens einen Vortrag über die Geschichte des Lebensbegriffes von der Antike bis zur Neuzeit/Gegenwart gegeben. Anschließend haben die teilnehmenden Studierenden und die eingeladenen Dozierenden ausgewählte Referate zu bestimmten Themen gehalten, zum Beispiel über die Frage der Normativität des Lebens oder über die epistemologischen Grundlagen der synthetischen Biologie. Zudem hatten wir natürlich auch Diskussionszeit. In manchen Seminaren haben wir ganz viel mit Texten gearbeitet.

Im letzten Semester habt ihr euch wieder im privaten Rahmen getroffen. Wie sieht nun die Zukunft des Projekts aus?

Die Nachfrage besteht zwar noch, das Problem ist nur, dass die meisten von uns mit dem Grundstudium fertig sind und kaum mehr Zeit haben, ein ganzes Seminar auf die Beine zu stellen. Ich habe noch vor, die Vortragsreihe „Leben. Interdisziplinäre Zugänge zum Rätsel des Organischen“ zu veröffentlichen. Das ist ein Vorhaben, das noch nicht konkretisiert wurde. Für einen ordentlichen Sammelband brauchen wir auch noch ein paar mehr Referenten. Wir haben gerade acht Zusagen und bräuchten etwa zwölf. So etwas dauert natürlich noch. Zudem habe ich die Idee, eine kleine Konferenz für etwa fünfzig Teilnehmer zu organisieren. Wir versuchen gerade die Thematik einzugrenzen und Gelder zu organisieren.

Infos zum Preis für studentisches Engagement

Der Preis für studentisches Engagement wurde 2012 zum ersten Mal verliehen. Er wird einmal im Jahr im Rahmen der feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres der Uni Freiburg verliehen und ist mit 500 Euro dotiert.

www.zuv.uni-freiburg.de

Foto: Hanna Teepe
Autoren:
Veröffentlicht am 9. Oktober 2013

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