Plagiate: Schnell passiert oder schwer verboten?

Unzählige Plagiat-Skandale erschüttern nicht nur die Öffentlichkeit und das Image von Spitzenpolitikern: Auch an den Universitäten selbst herrscht Unsicherheit, nicht zuletzt unter Studierenden. Kann man zwischen absichtlichen und versehentlichen Plagiaten unterscheiden, wird Plagiat-Software bereits angewendet und welche Angebote zur Plagiat-Prävention gibt es an der Uni Freiburg?

Es ist Mitte Oktober, ein neues Semester an der Uni Freiburg hat begonnen und einem Mitglied der Medizinischen Fakultät wird die Habilitation aberkannt. Ein seltener Fall oder vielmehr die bestätigte Regel, dass man immer und überall schwarze Schafe findet? Seit der Plagiatsaffäre Guttenbergs 2011 hat es gefühlt alle paar Wochen einen neuen Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten gegeben. Die Folge: Studierende und Promovierende sind tief verunsichert, wie in ihrem akademischen Umfeld mit Plagiaten umgegangen wird und ob sie selbst korrekt wissenschaftlich arbeiten.

Plagiate im digitalen Zeitalter

Obwohl es immer Plagiate gegeben hat und im digitalen Zeitalter von „copy + paste“ mehr dazukommen – eine zentrale Kontrollinstanz hat sich noch nicht etabliert. Die Uni Freiburg verwendet bisher auch keines der Programme zur Plagiaterkennung, die erst jüngst mit unbefriedigendem Ergebnis von Prof. Dr. Debora Weber-Wulff, Expertin für Plagiate an Unis, an der HTW Berlin getestet wurden.

Voraussetzung für eine funktionierende Plagiat-Software sei erst einmal, dass alle Bücher digitalisiert werden, aber auch darüber hinaus gäbe es viele Probleme, sagt Prof. Dr. Rainer Wahl, Beauftragter für die Selbstkontrolle in der Wissenschaft an der Universität Freiburg. Ein Beispiel: „Bei juristischen Arbeiten zum Beispiel werden von den Softwareprogrammen allein bis zu zehn Prozent Übereinstimmungen ausgewiesen, die auf der – natürlich wörtlichen – Übernahme der Gesetzestexte beruhen. Dieser Anteil muss von den ‚errechneten’ Übereinstimmungen  abgezogen werden. Im Übrigen ist eine gewisse Prozentzahl an Fehlern, nicht an offensichtlichen Übernahmen, zu tolerieren.“ Es ginge beim wissenschaftlichen Arbeiten nicht darum, dass man krampfhaft versuche, keinen einzigen Fehler zu machen, sondern vor allem um das Bewusstsein, fremdes Gedankengut kennzeichnen zu müssen.

Viele Studierende wissen jedoch auch im fortgeschrittenen Stadium ihres Studiums oft nicht, an welchem Punkt ihre Arbeit aufhört, wissenschaftlich korrekt zu sein. „Jeder Studierende muss auch ein Stück weit Eigeninitiative einbringen, sich anschauen, was es an Angeboten und Literatur zum Thema wissenschaftliches Schreiben gibt“, sagt Dr. Marcus Schröter, Fachreferent für Geschichtswissenschaften an der Universitätsbibliothek Freiburg.

Der Bedarf sei da, wie die gute Resonanz von „Die lange der aufgeschobenen Hausarbeiten“ gezeigt habe. Die bundesweite Aktion, bei der sich 2013 erstmalig auch die Uni Freiburg beteiligte, findet jedes Jahr am ersten Donnerstag im März statt, also dann wenn viel geschrieben werden muss und sich besonders viele Schreibblockaden stauen. „Die lange Nacht der Hausarbeiten“ an der Universitätsbibliothek unterstützt Studierende mit Workshops dabei, einer Prokrastination, der „Aufschieberitis“, zu entkommen und erfolgreich wissenschaftlich zu arbeiten. Aber auch in der Zwischenzeit gibt es Angebote, um der Angst vor dem unbeschriebenen Blatt und schludrigem wissenschaftlichem Arbeiten entgegenzuwirken.

Die UB als Schreibzentrum und „Teaching Library“

Eine zentrale Anlaufstelle, um wissenschaftliches Arbeiten zu lernen, ist die Universitätsbibliothek. Das ist weniger altmodisch, als es klingt. Denn die Präsenzlehre, also Kursangebote der UB unter Anleitung von Dozierenden, werden künftig immer mehr ergänzt durch E-Learning-Angebote. Die neue UB soll, sowohl was ihre Ressourcen als auch ihre Lehre angeht, in wichtigen Bereichen auch eine digitale Bibliothek werden, ein fachübergreifendes Online-Modul zum E-Learning ist gerade im Aufbau.

„Wir verstehen uns als eine ‚Teaching library’ und versuchen, unsere Angebote möglichst passgenau in das Curriculum zu integrieren – das hat sich nicht nur an der Universität Freiburg, sondern auch deutschlandweit und in den USA bewährt“, sagt Dr. Schröter. Er ist einer von 15 Fachreferentinnen und Fachreferenten an der UB, die nicht nur für sämtliche Fragen der fachlichen Literatur- und Informationsversorgung verantwortlich sind, sondern auch spezifische Fragen zum wissenschaftlichen Arbeiten in den jeweiligen Fächern beantworten und neben Sprechstunden auch eigene, studienbegleitende Lehrveranstaltungen anbieten.

Aber auch andere Stellen an der Uni helfen weiter. Wer fachunabhängig einen kompakten Überblick oder eine Wiederholung in Sachen Datenbanken, Literaturverwaltung und Zitierregeln braucht, der wird beim Kursangebot des Zentrums für Schlüsselqualifikationen fündig. So stellt „Informationskompetenz – Strategien zu Recherche, Auswahl und Präsentation von Informationen“ den ersten im Rahmen des Bachelor-Studiums entstanden BOK-Kurs dar.

Der Kurs wird seit 2003 angeboten und von Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger geleitet, der grundlegende Veröffentlichungen zum Thema „Informationskompetenz“ im deutschen Forschungsumfeld beigetragen hat. Informationskompetenz bedeutet die Fähigkeit, kompetent mit Informationen und Wissen umzugehen – und somit Plagiieren zu vermeiden.

Die Uni Freiburg hat einen klaren Ansatz zum Thema Plagiarismus: Sie will präventiv arbeiten. Denn schließlich soll das akademische Umfeld vor allem auch Lern- und Entwicklungsmöglichkeit bieten. „Wer einmal abschreibt, wird nicht gleich verwiesen“, sagt Prof. Wahl. „Verwiesen werden, heißt überhaupt nicht mehr studieren – das wäre nicht verhältnismäßig, das kann man nicht machen.“ Je fortgeschrittener das Studium aber ist, umso härter werden die Sanktionen. Spätestens bei Abschlussarbeiten sei Schluss, sagt Prof. Dr. Wahl. Wenn sich dann Plagiate finden, sei der Anlauf auf den Abschluss schlichtweg nicht gelungen.

Unsicherheit und Plagiaten vorbeugen

 

Am Ende stellt sich die Frage: Plagiieren Studierende eigentlich bewusst? „Es ist häufig keine bewusste Täuschung, sondern eine fundamentale Unsicherheit“, meint Dr. Schröter. Die heutige Generation sei mit dem Internet aufgewachsen, Teil einer Gratis- und Tauschkultur  und sich der Problematik dessen im wissenschaftlichen Bereich oft nicht bewusst. Auch Prof. Wahl sagt: „Ich glaube tatsächlich, dass die Gelegenheiten mehr geworden sind. Größere technische Möglichkeit, andere Mentalität – natürlich hat sich etwas verschoben.“ Nichtsdestotrotz gilt der Grundsatz: Man darf sich nicht mit fremden Federn schmücken. Auch, wenn diese nur ein paar verheißungsvolle Klicks entfernt liegen.

Mehr zu Informationskompetenz und Plagiarismus

Zuständig an der Uni Freiburg

Redlichkeit in der Wissenschaft an der Uni Freiburg: Ordnung, Beauftragte, Kommission, nachzulesen unter www.uni-freiburg.de

Fachreferate an der UB Freiburg: www.ub.uni-freiburg.de

Buchtipps

„Handbuch Informationskompetenz“ von Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger

„Literarisches Eigentum. Zur Ethik geistiger Arbeit im digitalen Zeitalter. Essay“ von Philipp Theison

„’Plagiat’ in der Wissenschaft. Zum Schutz wissenschaftlicher Schriftwerke im Urheber- und Wissenschaftsrecht“ von Julian Waiblinger

Plagiatssoftware

Zum Ergebnis der Studie von Frau Weber-Wulff geht’s hier plagiat.htw-berlin.de/software-en/test2013/

 
Veröffentlicht am 14. November 2013

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