Was ist Heimat für uns?

Was ist Heimat für uns?

Kerstin aus Marburg, Lucine und Ivan aus Straßburg und Eva, die in Freiburg studiert, sind vier von 24 Studierenden aus sechs Ländern, die sich beim „European Citizen Campus“ in Freiburg künstlerisch damit beschäftigen, ob es für uns Studierenden so etwas wie eine Europäische Identität gibt. uniCross hat beim Workshop vorbeigeschaut. Mit Bildergalerie! 

Kerstin sitzt im Schneidersitz auf dem Boden, umgeben von Landkartenstücken, Zeitungsfetzen und Glasscherben. Konzentriert legt sie ein Kartenteil hinter eine der Scherben, hält das Stück nach oben, blickt prüfend. Kerstin studiert eigentlich Bildende Kunst in Marburg. Hier in Freiburg will sie mit Material arbeiten, mit dem sie vorher noch nicht viel zu tun hatte. Als Ausgangspunkt dienen ihr Landkarten und Pläne. „Das sind alles Orte, an denen ich einmal zu Hause war oder es vielleicht einmal sein werde“, sagt sie und zeigt auf die Kartenstücke.

 

Suche nach der europäischen Identität

Kerstin ist eine der 144 Studierenden aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Portugal und Italien, die am „European Citizen Campus“ (ECC) teilnehmen. Angeleitet von renommierten Künstlerinnen und Künstlern erproben die Studierenden diesen Sommer in kreativen Workshops, ob es für sie so etwas wie eine europäische Identität gibt – und ob sich dieses Konzept einer Identität in Kunst übersetzen lässt. In jedem der Länder finden zwei Workshops statt, jedes Land hat einen bestimmten Leitbegriff: „Identität“, „Wurzeln“, „Heimat“, „Freiheit“, Dialog“ und „Konflikt“.

In Deutschland trägt das Studierendenwerk Freiburg den ECC aus. Die Gruppe hier hat sich besonders intensiv mit dem Begriff „Heimat“ auseinandergesetzt. „Was ist Heimat? Ein Haus? Eine Gegend? Bestimmte Menschen? Dies wurde bereits am ersten Tag intensiv diskutiert“, erzählt Renate Heyberger vom Studierendenwerk Freiburg, die das Projekt begleitet. Wie ist der Begriff der Heimat mit dem europäischen Gedanken vereinbar? „Es ist spannend zu überlegen, ob und wie sich die verschiedenen Nationen, Sprachen und Traditionen doch auf ein gemeinsames Heimatgefühl einigen können.”

 

Freiburger Kurse mit Michael Klant und Raymond Waydelich

Die beiden Freiburger Workshops werden von Michael Klant und Raymond Waydelich geleitet. Klant ist seit 1991 Professor für Kunst und ihre Didaktik am Institut der Künste der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Er ist auch Künstler, nämlich Fotograf, Filmemacher und Projektplaner im öffentlichen Raum.

In Klants Gruppe haben alle Teilnehmer einen Metallrahmen als Vorgabe.  Mit diesem sollen sie arbeiten. Auch Kerstins Glasscherben und Kartenstücke müssen sich mit dem Rahmen arrangieren. Hierbei soll das Projekt der Kunststudentin nicht stillstehen, sondern interaktiv sein. Sie konstruiert eine Art Mobile, indem sie die Kartenstücke mit Glasscherben oder Spiegelscherben hinterlegt und an einem langen Nylonfaden baumeln
lässt. „Der Betrachter wird durch die Reflexionen im Glas mit einbezogen“, sagt Kerstin.

„Home is in your head“

Auch Lucine und Ivan arbeiten konzentriert an ihrem Werk. Von einer Fotografin der Badischen Zeitung lassen sie sich kaum stören. Die beiden studieren in Straßburg. Sie sind nach Freiburg gekommen, um sich mit Studierenden anderer Nationen auszutauschen und „mein Englisch zu verbessern“, sagt Lucine lachend. Ivan nickt zustimmend.

Beide lieben Kunst. „Die Möglichkeit, hier eine Woche lang mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, war wirklich toll“, sagt Lucine. Die Vision von Heimat der beiden? „Es gibt für uns kein fixes, festes Zuhause“, sagt Lucine. Heimat könne für sie immer wieder etwas anderes sein, mal eine Person, mal ein bestimmter Ort, mal ein gewisses Gefühl. „Wie ein organisches Labyrinth“, sagt Ivan. Und: „Home is in your head.“

Die beiden Franzosen haben ihren Metallrahmen mit einem Netz aus feinem Draht umwoben, in dem bisher ein einzelner, kleiner Wattebausch schwebt. Nun wollen sie das gesamte Netz mit Watte auskleiden. Ein flauschiges Labyrinth, mobil und gemütlich.

Heimat, ein Ort zum Füße baumeln lassen

Raymond Waydelich leitet den zweiten Freiburger Workshop. Er stammt aus dem Elsass. Schon alleine aus diesem Grund „hat er einen besonderen Bezug zur europäischen Identität“, wie Heyberger sagt. Der Künstler spricht mit allen Französisch und ist begeistert, dass hier so viele Menschen seine Sprache verstehen.

Wie auch Eva, die in Freiburg Psychologie studiert. „Ich wollte mal wieder etwas Kreatives, Künstlerisches machen, das kommt im Studium oft zu kurz“, sagt sie. Für sie ist Heimat ein Ort, in dem man sich ausruhen und die Füße baumeln lassen kann. Baumelnde, entspannte Füße sind auch das Motiv ihres Bildes.

„Zu Beginn des Workshops hier waren alle etwas ratlos und wussten nicht, was sie machen sollten. Aber mit der Zeit hat jeder immer mehr Ideen bekommen, es war ein richtiger Prozess“, erinnert sie sich. Es sei toll gewesen, eine Woche mit Studierenden aus verschiedenen Ländern zusammenzuarbeiten und kreativ zu sein.

Ausstellung in Karlsruhe

Der ECC soll die Debatte um die Europäische Identität unter die europäischen Studierenden bringen und künstlerische Herangehensweise den abstrakten, politischen Diskurs bereichern. Die Ergebnisse aller Workshops werden im Herbst in Ausstellungen in allen beteiligten Ländern präsentiert. Die Exponate, die in Freiburg entstanden sind, werden vom 16.-23. Oktober 2014 im Rihm Gebäude der Musikhochschule Karlsruhe zu sehen sein. Eine Gesamtschau aller Werke findet im nächsten Jahr in Antwerpen statt.

Das Studierendenwerk Freiburg ist neben den Studentenwerken Karlsruhe und Mainz Organisator für die deutsche Beteiligung am „European Citizen Campus“. Insgesamt sind zehn europäische „Student Services“-Institutionen beziehungsweise Universitäten an dem Projekt beteiligt. Der ECC wird von der Europäischen Union gefördert.

Video in alma* 130

Mehr Informationen zum ECC auf

www.european-citizen-campus.eu

www.facebook.com/european.citizen.campus

Mehr Interkulturelles auf uniCross

Interkulturelle Vielfalt im heimischen Hörsaal

Erasmus + Was ändert sich für die Studierenden?

Auf und davon

Leben auf dem Campus – Studieren in China


Fotos: Sophie Aschenbrenner
Veröffentlicht am 13. August 2014

Empfohlene Artikel