Den Mainstream erforschen

Den Mainstream erforschen

Warum kommt Helene Fischer gut an, wer entscheidet, welches Lied zum Nummer-Eins-Hit wird und wie sah der Pop vergangener Jahrhunderte aus? Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) beschäftigt sich mit diesen und noch vielen weiteren Fragen rund um das Thema populäre Kulturen.

„Populäre Kulturen sind die, die unseren Alltag bestimmen und von vielen Menschen wahrgenommen, also gehört, gelesen und gesehen werden“, erklärt Dr. Dr. Michael Fischer, Geschäftsführender Direktor des ZPKM. Das ZPKM, das aus dem Deutschen Volksliedarchiv hervorgegangen und 2014 in die Uni Freiburg integriert wurde, beschäftigt sich genau mit diesem Thema.

Eine Lanze brechen für den Mainstream

Auf der Internetseite fällt ein Forschungsbereich besonders auf: „Hinterfragen und Aufhebung der wertenden Unterscheidung zwischen musikalischer Hoch- und Populärkultur in der Reflexion und Theoretisierung des Kultur- bzw. Populärkulturbegriffs“. Fischer erklärt, was dahinter steckt: “Wir wollen eine Lanze brechen für den Mainstream und das erforschen, was gesellschaftlich relevant ist, unabhängig davon, ob das als gut oder schlecht angesehen wird.“

Gerade wenn der Mainstream als kommerziell und oberflächlich abgestempelt werde, müsse man untersuchen, warum er dann von den einen so viel Zuspruch bekomme und von anderen so verachtet werde.

„Der ästhetische Wert bleibt bei der Forschung zunächst außen vor“, sagt Fischer. Man müsse sich eher fragen, warum es diese „Distinktionen des legitimen Geschmacks“ gebe, „warum darf man als Professor zum Beispiel Tatort oder die Fußball-WM schauen und darüber beim Mittagessen berichten, aber Arztserien oder DSDS sind eher ein No-go.“

Nicht alle Musikströme sind erfasst

Einen unvoreingenommenen Blick auf die verschiedenen populären Musik- und Kunstströme zu bewahren, ist dem Zentrum wichtig. Trotzdem können und wollen Fischer und seine Kollegen nicht alles dokumentieren, was es an populärerer Kultur und Musik gibt, geben wird oder gegeben hat.

ZPKM

Ein Blick in die musikalische Vergangenheit bietet das ZPKM.

„Man schlägt immer Schneisen in einem riesigen Feld, so wie es die Forscher bei der historischen Volksliedsammlung auch getan haben.“ Das deutsche Volksliedarchiv wurde 1914 vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde gegründet, mit dem Ziel deutschsprachige Volkslieder zu sammeln und zu dokumentieren. Es enthält über 250.000 gesammelte Liedbelege, die vor allem aus der Zeit von 1914 bis 1930 stammen, 15.000 Liedflugblätter und Liedflugschriften, Tonaufzeichnungen, Tonträger, Noten und vieles mehr.

Es ist in dieser Form einmalig in Deutschland. Trotzdem konnten auch bei dieser großen Sammlung nicht alle Musikrichtungen und -praxen beachtet werden. „Die Sammlung hat schon einen etwas verklärten und kulturkonservativen Blick auf das Phänomen Volkslied“, sagt Fischer, aber mit einem Abstand von 100 Jahren sei es immer leichter, Stärken und Schwächen der wissenschaftlichen Arbeit zu benennen.

Ein Zentrum für alle Wissenschaftszweige

Das Zentrum besteht aus drei großen Beständen, die mit ihrem Einzug in die Rosastraße genügend Platz gefunden haben. Die Sammlungsbelege allein, wie etwa die 250.000 Liedaufzeichnungen oder die 10.000 Noten mit Salonmusik beanspruchen mehrere Räume. Die gesammelten Liedflugschriften und -blätter enthalten Lieder und Prosatexte, die teilweise politisch oder religiös geprägt waren oder unterhalten wollten und über Skandale und Neuigkeiten berichteten.

Das Musicalarchiv beherbergt eine bunte Sammlung an Plakaten und Programmheften, Merchandise-Artikeln wie etwa T-Shirts und Tassen aus dem Musical „Starlight-Express“, Aufführungsmaterial und Fachliteratur. Daneben gibt es mehrere Räume mit Tonträgern wie Schallplatten, CDs und auch deren Vorgängern Wachswalzen und Schellacks.

ZPKM

Zeitschriften, Bücher … im ZPKM werden populäre Kultur und Musik wissenschaftlich hinterfragt.

Die Bibliothek, die den Schwerpunkt auf das populäre und traditionelle Lied legt, sowie kulturwissenschaftliche und medienwissenschaftliche Literatur beinhaltet, befindet sich im ersten Stock des Zentrums und ist während der Öffnungszeiten für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Sammlungsbestände und Tonträger kann man nach Absprache mit dem Zentrum anschauen und auch anhören.

Viele Wissenschaften beschäftigen sich mit Themen der populären Kultur und Musik, so hält das ZPKM Material und Literatur für Soziologen, Germanisten, Musikwissenschafter, Anglisten, Ethnologen, Theologen und Historiker bereit. Auch Bild- und Kunstwissenschaftler finden auf CD- und Schallplattencover interessante Quellen, genauso wie Genderforscherinnen und -forscher, die sich etwa anhand von Star-Images mit der Inszenierung von Geschlecht und Sexualität in der populären Kultur auseinandersetzen können.

100 Jahre deutsches Volksliedarchiv

Das Zentrum selbst veröffentlicht jedes Jahr ein Jahrbuch mit Aufsätzen, die sich mit der ganzen Breite der populären Musik beschäftigen. 2014, zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Volksliedarchivs, veranstaltete das Forschungsinstitut drei Jubiläumstagungen, die sich mit den Themen „Weibliche Starinszenierung in der populären Musik“, „Popmusik und Religion“ und „Populäre Musik made in USA in der Wahrnehmung der Deutschen 1914-2014“ beschäftigten.

ZPKM

Für Schellackplatten-Fans gibt es im ZPKM viel zu entdecken.

Auf der Internetseite des Instituts findet man das Historisch-kritische Liederlexikon mit editierten und kommentierten Volksliedern und ein Songlexikon, in welchem man die Entstehungsgeschichte von Popsongs und Schlagern nachlesen kann. „Die wissenschaftlichen Ansprüche sind hoch, aber wir haben ebenso das Anliegen, die Dinge nach außen zu vermitteln und anschaulich zu machen”, sagt Fischer.

Wer möchte, kann sich also selbst ein Bild machen, was es am Zentrum für Populäre Kultur und Musik zu entdecken gibt.

Info

Zentrum für Populäre Kultur und Musik
Rosastraße 17 – 19

Öffnungszeiten der Bibliothek:

Montag bis Feitag: 10 Uhr bis 13 Uhr
Dienstags und Donnerstag zusätzlich 14 bis 18 Uhr

Weitere Infos unter:

www.zpkm.uni-freiburg.de/

Fotos: Beitrags-Foto: Prof. Dr. Dr. Fischer im ZPKM
Fotos: Sarah Beha
Autoren:
Veröffentlicht am 18. Februar 2015

Empfohlene Artikel