Die Uni ist für alle da

Die Uni ist für alle da

Wer mit Handicap studieren möchte, wird meist mit einer ganzen Reihe von Fragen konfrontiert: Wie kann ich mit Sehbehinderung Vorlesungs-Skripte lesen? Welchen Beruf kann ich nach dem Studium ausüben? Und welche Hilfen bietet die Uni? uniCross hat mit Claudia Hewel von der Beratungsstelle für Studierende mit Handicap darüber gesprochen.

Frau Hewel, Sie sind die Ansprechpartnerin für Studierende mit Handicap an der Uni Freiburg. Was sind die täglichen Probleme, mit denen Studierende mit Handicap an der Universität konfrontiert sind?

Das ist individuell verschieden. Es kommt ganz darauf an, was für ein Handicap man hat und wie dieses Handicap den normalen Alltag und damit auch den Studienalltag beeinflusst.

Ein Mensch mit einer Sehbehinderung kann etwa schon daran scheitern, dass ihm die Materialien nicht so zur Verfügung gestellt werden können, dass er sie benutzen kann.

Jemand, der eine psychische Erkrankung hat, kämpft eher mit der grundsätzlichen Alltagsbewältigung.

Grundsätzlich ist nicht jeder mit Behinderung oder chronischer Erkrankung im Studienleben beeinflusst. Die Herausforderung ist es, den Alltag so zu organisieren, dass man studieren kann. Wichtig ist, zu wissen, wo man Unterstützung bekommt, um die Bedingungen zu schaffen, die man zum Studieren braucht.

Wie offen gehen die betroffenen Studierenden mit ihren Krankheiten um?

Auch das ist unterschiedlich. Wer eine offensichtliche Beeinträchtigung hat, etwa im Rollstuhl sitzt, setzt sich damit sehr stark auseinander, auch damit, wie er das Studium meistern kann. Diese Studierenden suchen sich oft von selbst Unterstützung.

Bei chronisch-psychischen Erkrankungen oder chronisch-körperlichen Krankheiten, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, versuchen die Betroffenen meistens erstmal ohne Hilfe zu studieren. Oft treffen sie dann allerdings doch auf Stolpersteine. An diesem Punkt wird dann die Beratung hinzugezogen.

Wie viele betroffene Studierende werden denn von der Beratungsstelle betreut?

Hier werden zirka 50 Studierende persönlich beraten. Darüber hinaus kommen aber immer wieder Anfragen per Telefon und Mail von Studieninteressierten oder Einrichtungen wie Psychiatrien. Wir haben festgestellt, dass unsere Hilfe besonders in den Sommermonaten benötigt wird, da das die Bewerbungsphase fürs Wintersemester ist.

Welche Themen beschäftigen die Studierenden, die zu Ihnen kommen, am meisten?

Besonders bei Menschen mit körperlicher Behinderung geht es oft um die Studienwahl beziehungsweise die damit einhergehende Berufswahl. Wer zum Beispiel sehbehindert ist, muss sich vorher genau überlegen, was man damit später machen kann.

Bei chronischen oder psychischen Erkrankungen sieht man die Krankheiten oft nicht und auch nicht jeder muss davon wissen. Trotzdem entstehen für diese Studierenden oft Nachteile. Hier stellt sich den Betroffenen oft die Frage, wie offen sie mit ihrer Erkrankung umgehen sollen und wem sie davon erzählen sollen. In solchen Fällen wenden sie sich dann an uns. Wir können bei Bedarf mit der Fakultät reden und etwa Regeln für die Anwesenheitspflicht aufstellen.

Wo kann man als Studierender mit Beeinträchtigung noch Hilfe finden?

Wir haben umfassende Informationen auf unserer Homepage zusammengetragen. Das Deutsche Studierendenwerk hat auch eine Seite, auf der man sich informieren kann.

Es gibt auch noch andere Seiten, die gut nach Themen sortiert sind. Dort werden Fragen beantwortet wie: Brauche ich Assistenz? Wie finanziere ich mein Studium? Brauche ich Nachteilsausgleiche? Wie läuft es mit Urlaubssemestern und Anwesenheitspflicht? Diese Themenbereiche können im Internet gut erschlossen werden.

Ansonsten helfen wir in der Beratung natürlich gerne weiter. Dann können wir die Leute kennenlernen und auch im weiteren Studienverlauf helfen, sollten Probleme entstehen.

Wie kann ich einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen mit Behinderung oder psychischer beziehungsweise chronischer Krankheit helfen?

Grundsätzlich hilft es, offen zu sein und den Kommilitonen zuerst als Kommilitonen zu sehen. Man sollte nicht mehr Unterstützung als nötig anbieten. Es kann schon reichen, mal zu fragen, ob der- oder diejenige mit der Studienorganisation zurechtkommt. Grundsätzlich gilt: Sensibel sein. Denn schon kleine Aufmerksamkeiten können den Alltag der Betroffenen erleichtern.

Welche Hilfen gibt es an der Universität für körperlich beeinträchtigte Studierende überhaupt?

Es gibt beispielsweise in einigen Hörsälen sogenannte induktive Höranlagen für die Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung. Viele von ihnen haben sogenannte Cochlearimplantate, also eine Hörprothese für Gehörlose. Diese Implantate unterstützen das Sprachverstehen. In der Verbindung mit dem Mundbild können die Studierenden Sprache verstehen, ohne dass ein Gebärdensprachdolmetscher eingesetzt werde muss.

Dazu benötigen sie manchmal aber auch noch ein Hörgerät. Um dies alles elektronisch zu verstärken, hilft zum Beispiel in Vorlesungssälen eine induktive Höranlage.

Zusätzlich können spezielle Mikrofone eingesetzt werden, die sich der Professor ansteckt und die über die Hörgeräte oder Implantate zum besseren Hören beitragen.

Wieso gibt es denn während den Vorlesungen nicht mehr Übersetzung in Gebärdensprache?

Gebärdensprachdolmetscher können von der Eingliederungshilfe, einer Leistung, die im Sozialgesetzbuch verankert ist, bezahlt werden. Aber natürlich ist es günstiger, wenn die Studierenden von den Lippen lesen können.

Es gibt mittlerweile auch einen kostenpflichtigen Onlinedienst. Mit diesem kann man sich online einen Gebärdensprachdolmetscher zuschalten, den man vorher gebucht hat. Der muss nicht vor Ort sein, hört aber was gesagt wird und kann entweder übersetzen oder mitschreiben.

Diese Variante nutzt hier an der Universität in Freiburg allerdings derzeit niemand. Wir stellen diesen Onlinedienst allerdings vor und haben ihn auch schon am Tag der offenen Tür im November getestet.

Es gibt ja auch Studienassistenzen, die über das Jobportal des Studierendenwerks vermittelt werden.

Die Studienassistenzen decken die Hilfe im Studium ab. Sie fertigen zum Beispiel Mitschriften. Es gibt aber auch Assistenzdienste von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Dort gibt es FSJler oder andere Mitarbeitende, die Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderung anbieten, die Assistenz im Alltag brauchen.

Und welche Hilfe erhalten Blinde im Studium?

Für sie gibt es Spracherkennungssoftware, die beispielsweise PDF-Dokumente lesen können. Diese Dokumente müssen dafür aber eine bestimmte Formatierung haben. Dies ist ein großes Hindernis, wie wir gerade am Beispiel eines Studierenden festgestellt haben. Dessen Fakultät kann die benötigten Dokumente einfach nicht so zur Verfügung stellen, dass die Spracherkennungssoftware den Text bearbeiten kann. Somit kann der Student sich die Literatur nicht anhören und auch nicht bearbeiten. Hierfür suchen wir nun eine Lösung. Wir besprechen gerade mit Professoren und Hiwis, was die Fakultät für den Studierenden leisten kann.

Welche Projekte planen Sie für die Zukunft?

Grundsätzlich gibt es noch sehr viel zu tun. Der Vorteil am Universitätssystem ist, dass es kein Sondersystem wie in der Schule gibt. Die Uni ist für alle da.

Herausforderung ist es, diese Uni für alle zu leben und zu gestalten. Es müssen sich einfach alle ein Stück weit aufeinander zu bewegen. Dazu gehört die Universität mit ihren Mitarbeitern, die Kommilitonen und auch die Studierenden mit Beeinträchtigung.

Gerade sind wir dabei, mit dem Kompetenznetzwerk Studienmentoring ein Mentoring-Konzept für Studierende mit Handicap aufzubauen. Demnächst führen wir eine Bedarfsumfrage durch, um von Seite der Studierenden zu erfahren, inwieweit ein Mentoring sinnvoll ist und welche Strukturen es aufweisen sollte. Wir dachten etwa an einen Stammtisch, an dem sich beispielsweise über Schwierigkeiten ausgetauscht werden kann.

Info

Auf der Homepage der Beratungsstelle zum Studieren mit Handicap findet man viele wichtige Informationen rund um das Studium mit Beeinträchtigung an der Freiburger Universität. Neben zentralen Anlaufstellen und weiterführenden Links und Adressen gibt es dort auch Wichtiges zum Thema Bewerbung und Zulassung: www.studium.uni- freiburg.de

Studierendenvertretung – Studieren-ohne-Hürden-(SoH)-Referat

Im Rahmen der Struktur der Studierendenvertretung nimmt das SoH-Referat die Interessenvertretung der Studierenden mit Behinderung / chronischer Krankheit wahr. Es bemüht sich um konkrete Verbesserungen für die Betroffenen und steht dabei in Kontakt mit verschiedenen Ansprechpersonen in Universität, Studierendenwerk und hochschulpolitischen Verbänden, aber auch in Kommune, Land und Bund. Alle interessierten Studierenden können sich hier für die Belange von Studierenden mit Behinderung / chronischer Krankheit einsetzen. Das Referat hilft bei Fragen oder Problemen weiter und wird auf Wunsch gern aktiv.

Kontakt

Autonomes Studieren-ohne-Hürden-(SoH)-Referat
c/o StuRa Uni Freiburg
Postfach, 79085 Freiburg
Belfortstr. 24, 79098 Freiburg

E-Mail: referat-soh@stura.org
Mehr Infos unter www.stura.uni-freiburg.de

Sprechzeiten nach Vereinbarung

Aktuell

Ein Erfolg in Sachen Barrierefreiheit konnte erst vor kurzem verzeichnet werden: Mit einem neuen Treppenlift im Philosophengang sind nun alle Etagen des Kollegialgebäudes I mit dem Rollstuhl erreichbar.

Unter www.uni-freiburg.de finden Studierende mit körperlicher Beeinträchtigung relevante Angaben zu allen Gebäuden und Räumen der Universität.

Foto: Laura Bäck, 
Bildbearbeitung: Felix Klingel
Autoren:
Veröffentlicht am 16. April 2015

Empfohlene Artikel