Das Uni-Prekariat

Das Uni-Prekariat

Lehrbeauftragte und Privatdozierende haben es schwer an der Uni: Sie bekommen wenig Geld für ihre Tätigkeit, teilweise werden sie gar nicht bezahlt. Viele müssen sich ihren Lebensunterhalt nebenher verdienen, einige leben von Sozialhilfe. Warum ist das so?

Aus dem Vorlesungsverzeichnis sind sie nicht wegzudenken: Lehrbeauftragte, Privatdozenten und Außerplanmäßige Professoren. Sie stemmen einen Teil der Lehre an der Uni – und werden dafür schlecht oder gar nicht bezahlt.

Die Privatdozierenden

Die Habilitation eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin zeichnet ihn mit der Lehrbefugnis aus, der sogenannten Venia legendi. Sie ist die klassische Qualifikation für eine Professorenstelle.

Viele habilitierte Wissenschaftler finden jedoch nicht sofort eine Stelle als Professor. Damit sie ihre Lehrbefugnis nicht verlieren, müssen sie mindestens zwei Semesterwochenstunden unterrichten – unentgeltlich. Unter der Bezeichnung Privatdozent oder Privatdozentin.

Unbezahlte Lehre

Dafür verantwortlich ist das Landeshochschulgesetz. In §39 steht dort: Mit der Verleihung der Lehrbefugnis ist das Recht zur Führung der Bezeichnung ‘Privatdozentin’ oder ‘Privatdozent’ verbunden, wenn sie Lehrveranstaltungen abhalten. Allerdings: “… die Durchführung dieser Veranstaltungen darf nicht von der Bezahlung einer Lehrvergütung abhängig gemacht werden.”

Privatdozierende müssen also mindestens eine Lehrveranstaltung im Semester anbieten, für die sie nicht bezahlt werden. Sonst verlieren sie die Möglichkeit Professor zu werden.

Perspektiven fehlen

Sie sind dabei nicht an der Uni angestellt, sondern arbeiten selbstständig. Zwar gibt es für die Privatdozierenden noch andere Verdienstmöglichkeiten wie eine wissenschaftliche Mitarbeit bei Projekten, die über Drittmittel finanziert werden, die Vertretung einer Professur oder Lehraufträge, doch diese bieten oft keine langfristige Perspektive.

Auch der Personalrat der Uni Freiburg kennt die Nöte der Privatdozierenden: „Die Leute wollen bei der Uni einen Fuß in der Tür behalten – auch wenn es zuerst keine adäquate Bezahlung gibt. Sie hoffen auf eine baldige Anstellung“, sagt Helmut Waller, 1. stellvertretender Vorsitzender des Personalrats. „Es gibt aber immer weniger feste Stellen, deshalb steigt die Anzahl der Leute, die längerfristig als Privatdozierende leben müssen.“

Nach zweijähriger Lehrtätigkeit kann ein Privatdozierender vom Senat zum außerplanmäßigen Professor ernannt werden. Jedoch: „Dieser Titel bringt keine finanzielle Besserung mit sich, mit ihm ist auch keine Anstellung verbunden“, erklärt Werner Beiser, Vorsitzender des Personalrats.

Die Lehrbeauftragten

Ein Lehrbeauftragter hält an der Uni Vorlesungen und Seminare – i­­­­­­­­­st aber nicht bei ihr angestellt. Er bekommt ein Honorar für seine Lehrtätigkeit. Die Höhe des Honorars ist dabei geringer als die Bezahlung eines Angestellten für eine ähnliche Tätigkeit.

Die Pauschalvergütung an der Uni Freiburg liegt bei Nicht-Habilitierten bei 770 bis 1.000 Euro im Semester für eine zweistündige Veranstaltung pro Woche. Habilitierte bekommen 1.020 Euro im Semester. Zum Vergleich: Ein W1-Professor bekommt für eine zweistündige Veranstaltung im Semester etwa das Dreifache.

Hoher Arbeitsaufwand

„Die Lehrbeauftragten arbeiten ja nicht nur diese zwei Wochenstunden im Semester. Sie müssen sich vorbereiten, Prüfungen schreiben lassen und Hausarbeiten korrigieren“, sagt Beiser.

Warum ändert sich die Situation nicht? „Diese Leute stehen immer als Einzelperson da, möglicherweise wollen sie nicht unangenehm auffallen, da sie noch auf eine Stelle hoffen“, sagt Waller.

Nicht allen geht es schlecht

Außerdem sind nicht alle Privatdozierenden und Lehrbeauftragten in einer prekären Lage: „Es gibt auch Lehrende, die nicht von diesem Gehalt abhängig sind, sondern es zum Beispiel aus Interesse am Fach machen.“

Da die Privatdozierenden und Lehrbeauftragten selbständig arbeiten, ist der Personalrat der Uni Freiburg eigentlich nicht für sie zuständig. Werner Beiser beschäftigt sich trotzdem mit dem Thema.

„Ich könnte mir vorstellen, dass die Uni gewisse Rahmenbedingungen für diese Gruppe von Menschen schaffen könnte. Gute Arbeit sollte fair bezahlt werden.“

Die Universität

Dem Rektorat ist die heikle Lage bekannt. „Wir müssen für junge Nachwuchswissenschaftler gute Arbeitsbedingungen schaffen“, sagt Rektor Hans-Jochen Schiewer bei der Veranstaltung „Nachwuchswissenschaftler in Freiburg“ im März 2015. Dazu hat der Rektor drei Modelle vorgestellt. So soll es außer dem klassischen Weg der Habilitation noch andere Karrierewege geben.

Alternative Karrierewege

Das erste Modell ist der sogenannte Tenure-Track. Wissenschaftler haben dabei nach einer befristeten Bewährungszeit die Chance auf eine Professur – auch ohne Habilitation.

„Des Weiteren könnte es eine dauerhafte Anstellung als Lecturer an der Universität geben“, beschreibt Schiewer das zweite Modell. Ein solcher Lecturer hält zumeist Vorlesungen und Seminare. Er bekommt dafür aber deutlich mehr Gehalt als ein Lehrbeauftragter.

Das Thema ist auf der politischen Agenda

Das dritte Modell soll Wissenschaftler an die Universität binden, die bisher durch Drittmittel finanziert waren. „Es ist notwendig hier Brücken zu bauen, um nicht viele gute Forscher an die Industrie zu verlieren“, sagt Schiewer.

Für viele Wissenschaftler, die aktuell in einer prekären Situation sind, kann der Rektor aber wenig tun: „Erst ab 2017/18 können neue Stellen geschaffen werden.“ Dennoch bleibt er optimistisch: „Das Thema ist momentan auf der politischen Agenda und ich hoffe, dass sich die Situation dadurch ändern lässt.“

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Diskussionsrunde

Die Hochschulgruppe Campusgrün veranstaltete am 29.4.2015 einen Diskussionsabend mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zu den Themen Hochschulfinanzierung und Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, zu dem alle Studierenden herzlich eingeladen waren.

Foto: Sebastian Bender
Autoren:
Veröffentlicht am 29. April 2015

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