Geld verdienen mal anders

Geld verdienen mal anders

Wieso nicht einfach mal sein eigener Chef sein, Ideen verwirklichen und damit Geld verdienen? Drei Studierende der Uni Freiburg haben diesen Schritt neben dem Studium gewagt. Über das Phänomen Selbstständigkeit und dessen Faszinationskraft. Mit Video und Audio.

Wenn Kamil Kamera, Stativ und Scheinwerfer für das Fotoshooting aufbaut, sagt ihm niemand, was er wie zu tun hat. Seit über einem Jahr ist der Lehramtsstudent selbstständig. Das Fotografieren ist schon immer seine Leidenschaft. Mit seinem Kleinunternehmen Creativination hat er sein Hobby zum Nebenjob gemacht.

75 Prozent aller Studierenden legen, laut einer Studie von univativ, Wert auf selbstständiges Arbeiten im studienbegleitenden Job.

Den Wunsch vieler Studierenden, sich in der Selbstständigkeit zu verwirklichen, anstatt die Aufgaben anderer zu erfüllen, sieht der Freiburger Soziologe Prof. Dr. Ulrich Bröckling vor allem in ihrer Lebensphase verankert: „Für viele junge Erwachsene spielt das Thema Autonomie und Unabhängigkeit von den Eltern und deren Lebensentwurf eine große Rolle.“ An diese Einstellung schließe sich eine große Freude am Experimentieren und Ausprobieren an.

Über den Hörsaal hinaus denken

Die zündende Idee zur Selbstständigkeit kann auch an der Uni entstehen. Die Literaturreihe „Sätzlinge“, bei der Autorinnen und Autoren an wechselnden Orten ihre eigene, bisher unbekannte Literatur vorstellen können, entstand im Rahmen eines Projektes des deutschen Seminars. Die erste Veranstaltung im Stühlinger erfreute sich einer so großen Beliebtheit, dass die Gruppe beschloss, das Projekt mit Unterstützung des Literaturbüros selbstständig weiterzuführen.

„In der Uni hat mir immer ein bisschen der Praxisbezug gefehlt, die Inhalte waren zwar interessant, aber ich wusste nicht so recht wohin damit“, sagt Connie, FrankoMedia-Studentin, die bei den Sätzlingen mitarbeitet. Neben dem angewandten Wissen aus dem Studium habe sie durch ihre selbstständige Mitarbeit bei den Sätzlingen auch gelernt, sich um organisatorische Aufgaben und finanzielle Aspekte zu kümmern. Rechnungen müssen geschrieben, Termine koordiniert und Materialien beschafft werden.

Kamil hat sich während des Studiums selbständig gemacht.

Die vielen verschiedenen Aufgaben bringen außer der Abwechslung jedoch auch jede Menge Herausforderungen mit sich. Besonders anstrengend kann, laut Prof. Bröckling, die Suche nach einem „Alleinstellungsmerkmal“ sein: „Man muss permanent seine Besonderheit, seine tollen Leistungen, das besonders Hippe und Schräge im eigenen Unternehmen herausheben, um die Aufmerksamkeit möglicher Kunden zu erregen.“

Vor allem im digitalen Zeitalter sieht der Soziologe hierbei die Gefahr einer Grenzverschiebung zwischen Arbeit und Privatem. Theoretisch könne an jedem Ort zu jeder Zeit weitergearbeitet werden, was dazu führt, dass gerade Selbstständige keinen Feierabend mehr finden.

Die Freiheit, sich auszuprobieren

Lena kennt dieses Problem. Die Medienkulturwissenschaftsstudentin hat gemeinsam mit zwei Kommilitonen die Videoproduktionsfirma BlendKultur gegründet. Nicht selten bleiben bei den drei Studierenden zwischen vielen Aufträgen Freunde und Sport auf der Strecke.

„Trotz der Euphorie über Aufträge sollte man sich nicht übernehmen“, meint sie. Außerdem dürfe man bei aller Freiheit, sich Arbeitszeiten und Ziele selbst stecken zu können, nicht vergessen, dass die Bedürfnisse des Kunden immer an erster Stelle stehen. Persönliche Verwirklichung finden die Mitglieder von BlendKultur in Kurzfilmen oder anderen freien, nicht bezahlten Projekten, die sie ganz nach ihren Vorstellungen schreiben, drehen und gestalten können.

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Auf Lesewanderung im Grünen mit den Sätzlingen.

Auch wenn die Kreativität durch die Kundenwünsche oft eingeschränkt wird, bleibt die selbstständige Arbeit eine Traumvorstellung vieler junger Menschen. „Da gibt es dieses Berlinbild, da sitzen die Leute mit ihren Macs in irgendwelchen Cafés und entwickeln hippe Softwares. Dieses Lebensbild hat eine gewisse Faszinationskraft“, stellt Prof. Bröckling fest.

Mit zunehmendem Alter verliere dieses Bild meist an Anziehungskraft und weiche dem Bedürfnis nach Sicherheit und geregelten Arbeitszeiten. Das Studium biete daher die perfekte Möglichkeit, sich auszuprobieren.

In manchen Fällen kann die Nebenerwerbsgründung auch in ein Berufsbild münden, das nach dem Studium weiterverfolgt wird. „In so einem Zusammenhang würde ich sogar einen Studienabbruch nicht als etwas Gescheitertes bezeichnen“, sagt der Soziologe.

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Lena, Joachim und Alexander von BlendKultur nutzen die Chance sich während des Studiums ein Portfolio aufzubauen.

Dr. Thomas Maier vom Gründerbüro Freiburg sieht ebenfalls Vorteile darin, schon während des Studiums Praxiserfahrungen in der Selbstständigkeit zu sammeln. Für größere Gründungsvorhaben empfiehlt er jedoch, erst nach dem Studienabschluss loszulegen. Wichtig für eine Gründung seien prinzipiell ein gutes Team und die Fähigkeit, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.

Wenn Kamil nach einem langen Tag im Fotostudio die fertigen Porträtfotos in der Hand hält, macht das gute Gefühl etwas geschafft zu haben für ihn den Stress wieder wett. Denn auch wenn es schwer sein kann, die Balance zwischen Studium, Freizeit und Arbeit zu finden und auch finanzielle Schwierigkeiten vor allem zu Beginn sicherlich dazugehören, nehmen Connie, Kamil und Lena aus ihrer selbstständigen Tätigkeit Wissen und Lebenserfahrung mit, die sie so in einem anderen Nebenjob vielleicht nie gesammelt hätten.

Video

Audio

Infos

Wer mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen, kann sich beim Gründerbüro der Uni Freiburg beraten lassen: www.gruenden.uni-freiburg.de

Die Gründungs-Akademie bietet in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Schlüsselqualifikation mehrere BOK-Module an: www.zfs.unifreiburg.de

Alle Infos rund um Versicherung, Steuern und sonstigem Wissenswertem zur Selbstständigkeit neben dem Studium gibt es hier: www.studis-online.de

Über das Programm der Sätzlinge kann man sich auf Facebook oder der Seite des Literaturbüros informieren: www.literaturbuero-freiburg.de

Einblicke in die Videoproduktionsfirma BlendKultur: www.blendkultur.de

Eindrücke von Kamils Fotografischen Arbeiten: www.facebook.com/Creativination 

Die erwähnte Studie über wichtige Kriterien bei einem studienbegleitenden Job ist unter www.univativ.de als pdf abrufbar.

Gemeinschaftsproduktion von Amelie Mack, Marie Kemmner, Theresa Gunkel im Seminar „Einführung in den crossmedialen Journalismus“  für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Horst Hildbrand

Fotos:
Teaser / Team mit Kamera: Blendkultur
Kamil: Eva Schilpp
Sätzlinge: Sätzlinge (Fotograf: Christian Hanner)
Veröffentlicht am 11. Mai 2015

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