Der Krieg will nicht enden

Der Krieg will nicht enden

Als der Krieg ausbrach, hat Julie Syrien verlassen. Sie bekam ein Studierendennvisum für Deutschland und setzte in Freiburg ihr Medizinstudium fort, aber ein normales Leben führt sie nicht. Noch immer hat sie Freunde in Syrien, die um ihr Leben bangen. uniCross hat Julie zum Interview getroffen.

Julie, Du kommst aus Syrien und hast dort drei Jahre lang Medizin studiert, bist aber wegen des Krieges nach Deutschland gekommen. Kannst Du Dich noch an den Moment erinnern, als Du realisiert hast, dass der Krieg ausgebrochen ist?

Ich war an der Uni Aleppo in der medizinischen Bibliothek. Ich war Anhängerin der Opposition und an dem Tag gab es eine Demonstration der Opposition vor der medizinischen Fakultät, die ich mir anschauen wollte.

Als ich hinkam, hatten Männer der Regierung, die ganz in schwarz gekleidet waren, Sonnenbrillen und Waffen trugen, die Demo bereits zerschlagen. Ich habe mich wieder in die Bibliothek zurückgezogen und auch die Demonstranten sind in die Bibliothek geflohen.

Dann kamen die Regierungsmänner in die Bibliothek und sagten, dass sie die Demonstranten suchen und alle, die nicht von der medizinischen Fakultät seien, verhaftet würden. Da auch viele Studierende hier lernten, die nicht Medizin studierten, hatten wir Angst um sie. Ob sie wirklich verhaftet wurden, weiß ich nicht.

Ein Demonstrat kam dann in die Bibliothek und rief, dass die Menschen geschlagen wurden. Der Anführer packte den Mann, zog ihn raus und ich hörte nur noch seine Schreie.

Schließlich sagten die Regierungsmänner uns, dass die Frauen gehen durften.

Das war vor drei Jahren.

Du bist mit einem Studentenvisum nach Deutschland gekommen. Muss man dafür besonders gute Noten haben?

Es kommt darauf an. Wer kein gutes Abitur hat, bekommt das Visum nicht. Außerdem muss das Studium sicher finanziert sein.

Dazu muss sich eine Person in Deutschland dazu verpflichten, das Studium zu bezahlen oder die Person, die studieren möchte, muss 8.000 Euro auf ein Konto in Deutschland einzahlen. Wer das Geld nicht hat, hat Pech.

Die jungen Studierenden bekommen das Visum teilweise trotzdem. Letztendlich muss die Botschaft entscheiden, ob sie das Visum austeilt oder nicht.

Damals war es einfacher das Visum zu bekommen, mittlerweile sind aber so viele Asylsuchende nach Deutschland gekommen, dass es zu einem Problem geworden ist.

Hast Du noch Kontakt zu Kommilitonen, die in Syrien studieren?

Ja, wenn ihre Telefone noch Netz haben.

Ich habe drei Jahre in Aleppo studiert und dort immer noch Freunde. Ich erreiche sie kaum, weil die Stadt in Trümmern liegt. Die Freundin meines besten Freundes ist in ihrem Haus gestorben, als der IS es bombardierte. Meine Freunde haben schon seit einem Monat kein Internet mehr.

Du hast in Syrien drei Jahre lang Medizin studiert, aber in Deutschland wurden Dir nur zwei Semester angerechnet. Warum?

In Syrien haben wir fast die gleichen Fächer wie in Deutschland. Soziologie und Psychologie lernt man in Syrien allerdings erst im 10. Semester, in Deutschland aber schon vor dem Physikum im 4. Semester.

Um das Physikum anerkannt zu bekommen, muss man alle Fächer absolviert haben. Das hatte ich nicht und deswegen musste ich das Physikum noch einmal schreiben.

Wie finanzierst Du dein Studium?

Ich arbeite und möchte mich nun auch auf ein Stipendium bewerben. Syrische Studierende können zwar Geld vom Bafög-Amt erhalten, aber ich möchte später kein Geld zurückbezahlen müssen.

Weißt Du schon, welchen Facharzt Du machen möchtest?

Ich möchte in die Kinder- und Jugendpsychatrie.

Möchtest Du nach dem Krieg wieder nach Syrien zurück?

Weißt Du, was in Syrien los ist? Die Straßen, in denen ich aufgewachsen bin, gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es nur noch Trümmer und Kinder, die so traumatisiert sind, dass sie sich freuen, wenn sie in den Trümmern spielen und dabei eine Leiche finden. Diese Kinder sind die Zukunft von Syrien. Die Leute sind total deprimiert und traumatisiert und der Krieg will nicht enden.

Deine Kommilitoninnen und Kommilitonen in Deutschland kommen durch Dich mit diesem Krieg in Berührung. Wie gehen die damit um?

Bevor ich sie kennengelernt habe, kannten sie den Krieg nur aus den Nachrichten und wenn darüber im Fernsehen berichtet wurde, haben sie den Sender gewechselt, weil es ihnen nicht so wichtig war.

Jetzt informieren sie sich und das Thema ist ihnen wichtig. Aber was heißt wichtig? Die können sich den Krieg nicht vorstellen. Keiner kann sich vorstellen wie es sich anfühlt, wenn man aus dem Haus geht und nicht weiß, ob man wieder zurückkommt, oder wie es ist wenn man im Haus bleibt und das Haus bombardiert wird.

Würdest Du etwas an der deutschen Flüchtlingspolitik ändern, wenn Du in Deutschland an der Macht wärst?

Mein Freund ist ein Deutsch-Syrer, seine Eltern sind in Syrien. Er wollte seine Eltern auch nach Deutschland holen, aber das darf er nicht, obwohl er arbeitet und Steuern bezahlt.

Das würde ich ändern: Menschen, die in Deutschland arbeiten und Steuern bezahlen sollten ihre Angehörigen nach Deutschland holen dürfen.

Foto: privat
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Veröffentlicht am 24. August 2015

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