Allein gegen den Rest der Welt?

Allein gegen den Rest der Welt?

Ausgrenzung, Beleidigungen – Mobbing hat viele Gesichter und es kann jeden treffen. Was kann man dann dagegen tun? Welche Beratungsmöglichkeiten gibt es in Freiburg? Und ist Mobbing an der Uni überhaupt ein Thema? Mit Video & Audio.

Du hast das Gefühl, ganz alleine zu sein: Wenn überhaupt jemand mit dir spricht, sind es gemeine Bemerkungen oder Beleidigungen. Sonst reden alle nur hinter deinem Rücken, ständig fühlst du die Blicke der anderen? Vielleicht hat der eine oder andere sich auch schon einmal so gefühlt, verbale oder körperliche Gewalt über einen längeren Zeitraum erlebt – das ist genau das, was man im Allgemeinen unter Mobbing versteht. In einer Umfrage an der Uni Freiburg unter 350 Studierenden aus 24 Studiengängen zeigte sich, dass 35 Prozent der befragten Studierenden schon einmal selbst gemobbt wurde, vor allem in der Schule.

Wie ist das aber an der Uni? Sucht man im Internet nach dem Stichwort „Mobbing“ findet man reihenweise Seiten – aber keine einzige, die sich auf das Studium bezieht. Mobbing beim Studium scheint auf den ersten Blick also kein Thema zu sein, doch zeigt die Umfrage: Fast 10 Prozent der befragten Studierenden haben Mobbing auch schon an der Uni mitbekommen. Körperliche Gewalt ist darunter nicht zu finden, dafür andere Formen wie verbale Angriffe oder falsche Tatsachenbehauptungen.

Mut haben – sich wehren

Vielleicht kennen auch diese Situation einige Studierende: Man stellt ein Foto ins Internet, zum Beispiel auf Facebook und bekommt keine Reaktionen außer herablassenden Kommentaren von Kommilitoninnen und Kommilitonen. Geht auch diese Form der Demütigung über einen längeren Zeitraum fällt dies unter den Begriff „Cybermobbing“ – ein Phänomen, das sich in den letzten Jahren immer mehr verbreitet hat. „Mittlerweile ist Mobbing zu einem großen Problem im Netz geworden, weil die Hemmschwelle der Mobber durch die Anonymität des Internets sinkt“, sagt Dr. Hans Wolfgang Linster vom Institut für Psychologie an der Uni Freiburg. Außerdem kann man dem psychischen Druck nicht mehr entkommen – dank Smartphone ist man schließlich immer und überall online.

Mobbing kann aus Spaß, Neid, Angst oder durch Gruppendruck entstehen und Mobber können sehr erfinderisch sein. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene nicht einfach alles über sich ergehen lassen. Der erste und wichtigste Schritt sei, den Mut zu haben, sich Unterstützung zu suchen. „Allein ist es kaum möglich, aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen“, sagt Hubert Haaser, psychotherapeutischer Berater des Studierendenwerks Freiburg-Schwarzwald. Traue sich der Betroffene, das Mobbing öffentlich zu machen und sich zu wehren, verunsichere das den Mobber. Wichtig sei auch, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, erklärt Haaser. Dabei sei es individuell unterschiedlich, wie das gelingen kann: Den einen helfe, sich beispielsweise einer Theatergruppe anzuschließen, andere wenden sich an professionelle Berater.

Beratung suchen – sich anvertrauen

Gerade, wenn die belastenden Situationen über Wochen und Monate wiederkehren, wird die psychische Belastung immer größer. Die typische Reaktion: Erst zweifelt man an sich selbst, zieht sich immer mehr zurück und irgendwann weiß man nicht mehr weiter. In so einer Lage tut es gut, sich einfach mal alles von der Seele reden zu können. Dafür gibt es zum Beispiel in Freiburg die Nightline – eine Beratungs-Hotline von und für Studierende.

Von 20 – 0 Uhr gibt es jeden Tag die Möglichkeit anzurufen und mit jemandem zu reden. Hier kann man sicher sein, dass nichts weitererzählt wird und Probleme ernst genommen werden. „Oft eröffnen sich schon individuelle Lösungen, wenn man jemandem das Gefühl geben kann, völlig frei reden zu dürfen, ihn/sie dabei ernst nimmt, sich Mühe gibt diese Person zu verstehen und sie dabei nicht verurteilt für das was sie denkt und tut“, ist dabei der Ansatz der Nightline. Die Nightline funktioniert auch über E-Mail und ist absolut anonym.

Wer sich professionell unterstützen lassen möchte, dem hilft die psychotherapeutische Beratungsstelle des Studierendenwerks weiter. Hier besteht die Möglichkeit, mit professionellen Psychotherapeuten wie Haaser zu sprechen und „Lösungsmöglichkeiten und Formen des Umgangs mit psychischen Belastungen“ zu erarbeiten.

Die Statistiken zeigen, dass Mobbing eher in der Schule und am Arbeitsplatz ein Problem ist. „Momentan ist Mobbing kein großes Thema in der Beratungsstelle“, sagt auch Haaser. Das habe vor allem mit der Größe der meisten Studiengänge zu tun: Bei einer Vorlesung mit 200 Kommilitonen falle es leicht, sich aus dem Weg zu gehen. Während man in der Klasse oder im Büro täglich mit den immer gleichen Leuten zusammen ist, sei die Uni anonymer. Außerdem sei die Scheu über Mobbing zu sprechen sehr groß.

Aber: Mobbing ist auch an der Uni ein Thema. Es wird nur (bis jetzt) viel weniger darüber informiert.

Video

Eine Vorlesung über die Kunst des Mobbings (3:30 Min.)

Radiobeitrag

Mobbing im Studium

Mobbing

Definition von Mobbing

Es gibt keine einheitliche Definition von Mobbing, jedoch stimmen die meisten in drei Punkten überein:

  1. Der Betroffene wird angefeindet, schikaniert oder diskriminiert.
  2. Der Betroffene befindet sich in einer unterlegenen Position, das heißt, es gibt eine klare Täter-Opfer-Beziehung.
  3. Die feindseligen Handlungen werden über einen längeren Zeitraum hinweg und systematisch vorgenommen.

5 Tipps zum Umgang mit Mobbing

  1. Mobbing öffentlich machen
  2. Sich Unterstützung suchen
  3. Das eigene Selbstbewusstsein stärken
  4. Ein Mobbing-Tagebuch führen
  5. Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Nützliche Links

Beim Mobbing-Beratungstelefon findet man konkrete Unterstützung von Experten: mobbing-beratungstelefon.de/

Die psychotherapeutische Beratungsstelle des Studierendenwerkes ist Ansprechpartner bei allen persönlichen oder studienbedingten Problemen, die Studierende kostenlos aufsuchen können: swfr.de/beratung-soziales

Die Nightline ist eine Beratungshotline von Studierenden und hat immer ein offenes Ohr: nightline.uni-freiburg.de

Wer von Cybermobbing betroffen ist, kann sich im zunächst im Internet informieren unter: cyber-mobbing-info.de

Eine Gemeinschaftsproduktion von Anne Diessner, Philipp Reichenbach (Foto), Doreen Peßler und Olivia Ryad im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Horst Hildebrand.

Foto: Philipp Reichenbach
Veröffentlicht am 9. September 2015

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