Neues Semester, neue Bühne, neue Wege?

Neues Semester, neue Bühne, neue Wege?

Die Stadt Freiburg und die Uni haben einen Vertrag für das neue Literaturhaus unterschrieben. Das neue Literaturhaus zieht in die Alte Universität in der Bertoldstraße, der Betrieb soll im Mai 2016 beginnen – mit Konsequenzen für das studentische Theater.

Sie holen ihre Stifte hervor, drücken die Minen auf das Papier, aber ihre Hände stehen still. Erst lächeln sie in die vielen Fotoapparate. Ein letztes Knipsen, dann ist es stumm und Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer und Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon unterzeichnen den Vertrag.

Auf der Pressekonferenz am 31. Juli 2015 haben Rektor Schiewer und Oberbürgermeister Salomon vertraglich besiegelt, dass das neue Literaturhaus in die Alte Universität einziehen wird.

Laut Vertrag vermietet die Uni Lager- und Büroflächen sowie den Theatersaal in der Alten Universität mit insgesamt 350 Quadratmetern an die Stadt Freiburg. Die Mieteinnahmen belaufen sich auf rund 35.000 Euro pro Jahr.

Der Kooperations- und Mietvertrag ist zunächst auf 15 Jahre befristet. Wenn alles nach Plan läuft, soll das Literaturhaus im Mai 2016 den Betrieb aufnehmen.

Damit die Räumlichkeiten den Ansprüchen des Literaturhauses genügen, soll das Universitätsbauamt Freiburg die Räume in der Alten Uni für 750.000 Euro umbauen und sanieren. 150.000 Euro der Kosten trägt das Universitätsbauamt und je 300.000 Euro tragen Uni und Stadt bei, wobei die Uni die 300.000 Euro mit Mitteln aus dem zentralen Haushalt stellt.

Für Oberbürgermeister Salomon ist es selbstverständlich, „dass ein Literaturhaus in einer Stadt, die im Zentrum Geisteswissenschaften betreibt, Sinn macht“. Durch die neue Lage würde sich ein riesiges Potenzial für alle Beteiligten eröffnen, sagt Rektor Schiewer.

Studentisches Theater fühlt sich übergangen

Charlotte Großmann, die die Interessen der studentischen Theatergruppen Freiburgs vertritt, sieht das jedoch anders: Von dem Vertrag würden zwar das Literaturhaus und die Stadt profitieren, die Theatergruppen müssten jedoch Abstriche machen.

Alleine in den vergangenen drei Monaten hätten die studentischen Theatergruppen über 3.500 Zuschauer gehabt, erklärt Charlotte Großmann. In der Zukunft werden solche Zuschauerzahlen nicht mehr möglich sein, denn durch die Umbauten im Theatersaal wird die Bühne verkleinert und es wird weniger Plätze für Zuschauer geben.

Außerdem müssen die acht studentischen Theatergruppen, die bisher im Theatersaal der alten Uni probten und ihre Aufführungen inszenierten, ihren Betrieb teilweise in den Kinosaal im Rektoratsgebäude verlegen.

Rektor Schiewer und Oberbrügermeister Salomon unterzeichnen den Vertrag über das neue Literaturhaus.

Rektor Schiewer und Oberbrügermeister Salomon unterzeichnen den Vertrag über das neue Literaturhaus.

Dorthin sollte eigentlich der aka-Filmclub ziehen, der ansonsten aufgrund von Renovierungsarbeiten im KGII von 2017 – 2020 ohne Aufführungsstätte wäre. Da aber das studentische Theater in den Kinosaal umzieht, wird der Filmclub während den Renovierungsarbeiten seine Filme im Hörsaal I der Biologie vorführen.

Charlotte Großmann kreidet an, dass der aka-Filmclub von den studentischen Theatergruppen erfahren hätte, dass er nicht in den Kinosaal im Rektoratsgebäude ziehen könne. Auch die Theatergruppen hätten nicht vom Rektorat, sondern durch die Presse von ihrem Umzug erfahren.

Das Rektorat merkt hierzu an, dass die Theatergruppen zwar aus der Presse erfahren hätten, dass das Literaturhaus in die Alte Universität ziehen werde, jedoch hätten danach umgehend Gespräche über zusätzliche Proben- und Spielstätten begonnen.

Perspektiven für das studentische Theater

Der Vertrag würde einen „kulturpolitischen Meilenstein“ legen, erklärt Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach, die Vertragsverhandlungen wären aber nicht ohne Schwierigkeiten abgelaufen.

Es mussten nicht nur das Umfeld und die Rechtslage geprüft, sondern auch eine „klare Perspektive“ für die studentischen Theatergruppen gefunden werden.

Bühnenbild-wer-hat-angst-vor-virgina-wolf

Gestaltungsfreiheit im Theatersaal der Alten Uni: Das Bühnenbild der Maniacts für ihre Inszenierung von “Wer hat Angst vor Virginia Woolf”.

Der Kompromiss lautet nun: Unter der Woche steht dem Literaturhaus der Saal zur Verfügung und die studentischen Theatergruppen können den Saal in der Sommerpause des Literaturhauses nutzen und bis auf einige Ausnahmen am Wochenende.

Dass die Studierenden dennoch an dem Saal in der alten Uni hingen, könne Oberbürgermeister Salomon nachvollziehen. In seiner Studienzeit hätte er selber Theater gespielt.

Martin Bruch, der Leiter des Literaturbüros Freiburg und zukünftiger Leiter des Literaturhauses, sieht in Theater und Literatur „zwei kulturelle Anliegen mit Berechtigung.“

Das Literaturhaus verfolge einen interdisziplinären Ansatz und würde unter anderem mit dem Deutschen Seminar der Uni, dem Theater Freiburg und dem Carl-Schurz-Haus zusammenarbeiten.

Auch für Rektor Schiewer ist klar, dass Theater und Literatur keine Gegensätze darstellen. Theaterstücke würden geschrieben, um aufgeführt zu werden: „Wenn sie eine Partitur gelesen haben, haben sie noch nicht das Konzert gehört.“

Kooperationen gewünscht aber noch unklar

Die Veränderungen werden für alle Beteiligten einen Mehrwert erzeugen, erklärt Rektor Schiewer.

Auch Martin Bruch sieht die neue Nutzung des Theatersaals als eine Chance, hat aber noch keine konkreten Ideen, wie das studentische Theater und das Literaturhaus zusammenarbeiten können.

Charlotte Großmann schließt auch nicht aus, dass Kooperationen in Zukunft möglich sind, Pläne gäbe es aber noch keine.

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Fotos: Hanno Müller
Autoren:
Veröffentlicht am 15. Oktober 2015

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