Rechte für alle

Rechte für alle

Seit Sommer 2016 beraten Jurastudierende der Uni Freiburg Geflüchtete zu Fragen rund um das Thema Asylrecht. Mittlerweile haben sie schon in über 100 Fällen weitergeholfen. Was die Studierenden dazu bewegt hat, die Refugee Law Clinic Freiburg zu gründen, weshalb sie sich engagieren und welches die aktuellen Herausforderungen und Ziele des studentischen Vereins sind, hat Mona bei einem Besuch der Refugee Law Clinic herausgefunden.

Es ist Samstagnachmittag, doch in den Räumen der Refugee Law Clinic Freiburg (RLCF) am Schwabentorring Nummer 2 herrscht reger Betrieb. Schilder weisen den Weg nach oben zu einem bereits gut gefüllten Warteraum. Die ersten Ratsuchenden sitzen dort schon in dem hellen Büro, viele einen dicken Briefumschlag mit Bescheiden und Briefen unter dem Arm. Sie sind hier, um Amtsbriefe zu verstehen, Rat einzuholen und Anhörungen vorzubereiten. Ihre Beraterinnen und Berater? – Jurastudierende der Uni Freiburg.

Die Refugee Law Clinic wurde im Juli 2015 auf studentische Initiative hin ins Leben gerufen. Seit Oktober 2016 bieten die Studierenden einmal in der Woche eine Sprechstunde an, in der Geflüchtete eine unentgeltliche Beratung rund um das Thema Asyl- und Flüchtlingsrecht erhalten können.

Jan (links) und seine Kommilitonen engagieren sich als Beraterinnen und Berater für Geflüchtete, die Hilfe benötigen.

Um sich als Beraterinnen und Berater zu qualifizieren, durchlaufen die Studierenden  ein spezielles Ausbildungsprogramm, bestehend aus einer Vorlesungsreihe, Übungen und Seminaren unter der Anleitung von Richtern, erfahrenen Anwältinnen und Anwälten sowie wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität.

Beratung zum Asylrecht

Die Geflüchteten, die die Sprechstunde der RLCF aufsuchen, kommen aus Freiburg und der weiteren Umgebung. So auch Demba*, ein junger Mann aus Gambia, der mit einem ehrenamtlichen Helfer extra für die Sprechstunde  von außerhalb angereist ist. Jan Langemeyer, Jurastudent im 6. Semester und Teil des heutigen Beratungsteams, begrüßt die beiden und erklärt zunächst: „Wir sind Jurastudierende, keine fertigen Anwälte. Wir kennen uns aber in den Grundlagen des Asylrechts gut aus und können dich dementsprechend beraten.“ Demba nickt.

Demba ist vor anderthalb Jahren aus dem Gewahrsam der gambischen Polizei geflohen. Er war der Homosexualität bezichtigt worden –  in Gambia eine Straftat. Nach tagelanger Folter gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Sein Sohn blieb zurück in Gambia. Trotz seines langen Aufenthalts in Deutschland, erhielt Demba jedoch nie einen Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Warum weiß er nicht.

„Das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Jan, als er die Unterlagen durchgeht. Demba will in Deutschland eigentlich eine Ausbildung machen, um seinem Sohn den Besuch einer guten Schule in Gambia zu ermöglichen. Nun ist er unsicher, was er als nächstes tun soll. „Wir können das BAMF durchaus um einen Termin bitten“, sagt Jan. „Doch ich würde fast raten alles daran zu setzen, mehr Deutsch zu lernen, um zuerst den Ausbildungsplatz zu bekommen. Dann sind deine Chancen besser, hier bleiben zu können.“

Dass Demba auf seiner Flucht erkrankt und infolgedessen teils erblindet ist, ändere leider wenig für ihn. Die gesetzlichen Regelungen aufgrund einer Erkrankung zu bleiben, seien in Deutschland sehr streng. Jan gibt ihm für alle Fälle seine private Handynummer, Demba könne sich dann auch in Notfällen immer bei ihm melden.

Die Einzelnen sollen nicht in der Masse untergehen

Teil des Pflichtprogramms an der Uni ist die Arbeit der Jurastudierenden nicht. Für die Mitglieder der RLCF ist es Engagement in ihrer Freizeit und zugleich eine Möglichkeit, praktisch zu arbeiten und etwas Sinnvolles zu tun.

„Es gibt einfach ein wahnsinnig großes Beratungsbedürfnis der Geflüchteten, die hier sind und rechtliche Probleme haben“, sagt Jan über seine Motivation, sich bei der RLCF zu engagieren. „Anwälte kosten aber Geld und sind teilweise bereits völlig überlastet.“ Die RLCF ist somit für viele eine erste Anlaufstelle. „Viele haben Probleme oder Verständigungsschwierigkeiten mit Behörden“, erklärt Jan. „Das müssen nicht mal große, komplizierte Fälle sein, meist ist es eher Unwissen über die eigenen Rechte, Abläufe und das weitere Vorgehen im Asylverfahren.“

Sarah Resch, auch im heutigen Beratungsteam, ergänzt: „Gerade weil viele Geflüchtete wenig Wissen und Aufklärung über ihre Rechte erhalten, gehen die Einzelnen dann so oft in der Masse und in den Behörden unter.“ Die RLCF will das verhindern.

„Auch wenn wir noch keine Profis und fertige Anwälte und Anwältinnen sind, können wir während unseres Studiums versuchen, zu helfen, eine Art Bindeglied zwischen Behörden und einzelnen Menschen sein.“

Das Beste aus Privilegien herausholen

Paul König, Jurastudent im 6. Semester, ist einer der Mitbegründer der RLCF. Er berichtet, dass ihm und vielen seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen zu Studienbeginn eine solche Einrichtung gefehlt habe. Das Asyl- und Ausländerrecht spiele an der Universität zum Beispiel kaum eine Rolle. „Der Gedanke war dann: Gründen wir es doch einfach selbst, das kann ja nicht so schwer sein“, sagt Paul. In der Praxis war es dann doch schwieriger als gedacht. Eine Vorlesungsreihe musste geschaffen werden, Räumlichkeiten für die Beratung gefunden werden und erfahrene Anwältinnen und Anwälte als Supervisoren gewonnen werden.

Über seine Beweggründe, die RLCF ins Leben zu rufen, sagt Paul: „Ich bin in Deutschland super privilegiert aufgewachsen, ich darf studieren und all das. Es gibt dann eben zwei Arten damit umzugehen“, findet er. „Entweder schämt man sich dafür oder man sagt: Ich versuche noch das Beste aus den Privilegien herauszuholen, die ich habe.“

Am Ende angekommen ist die RLCF noch längst nicht. Im Moment arbeiten die Studierenden daran, zusätzlich Beratungen direkt in den Unterkünften anzubieten, um mehr Menschen zu erreichen – vor allem Frauen und Familien.

Herausforderungen in der RLCF

Die Arbeit bei der Refugee Law Clinic ist für die Studierenden nicht immer leicht. Für die Geflüchteten geht es meist um existentielle Belange, die Verantwortung für die Beraterinnen und Berater ist groß. „Die Fälle gehen einem schon sehr nahe“, sagt Jan. „Vor allem wenn Leute kommen, die wirklich Schlimmes erlebt haben und trotzdem keine realistische Chance haben, hier zu bleiben. Dann hier zu sitzen, alles zu protokollieren und in juristischen Kategorien zu denken – das ist schon schwer. Man darf sich nicht emotional verschließen, sich dem aber auch nicht ganz hingeben. Man muss irgendwo versuchen, einen klaren Kopf zu bewahren.“

Am Ende gibt Demba Jan die Hand und bedankt sich. Wie sich seine Situation weiterentwickeln wird, bleibt vorerst ungewiss. Etwas weitergeholfen hat ihm die Beratung jedoch schon einmal. An die RLCF könne er sich zudem jederzeit erneut wenden. Nach zwei Stunden neigt sich die Sprechstunde für heute auch ihrem Ende zu. Die Beraterinnen und Berater packen zusammen, das Schild mit der Aufschrift „Refugee Law Clinic“ an der Tür nehmen sie mit.

Nächste Woche hängt es dort wieder.

*Name von der Redaktion geändert

Infos

Die wöchentlichen Beratungszeiten der RLCF variieren, sie finden sich auf der offiziellen Website des RLCF.

Engagement bei der RLCF

Bei der RLCF können sich nicht nur Jurastudierende engagieren. Eine Anhörungsvorbereitung für Geflüchtete können auch fachfremde Studierende leisten, wenn sie dazu im Wintersemester 2017/2018 ausgebildet werden. Vor allem werden auch immer Studentinnen und Studenten gesucht, welche sich organisatorisch einbringen wollen.

Dieses Sommersemester startet das Ausbildungsprogramm mit einer Vorlesungsreihe und einer Übung in eine neue Runde. Weitere Informationen finden sich dazu ebenfalls auf der Website unter hrlc-freiburg.org

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Fotos: Teaser: RLCF, Jan & Kommilitionin / Kommilitone: Mona Zeuner
Autoren:
Veröffentlicht am 16. Mai 2017

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