Engelshaar statt Osterhase

Ostern ohne bunte Eier und den Osterhasen? In Spanien kein Problem, dort feiert man eine Woche lang die ‘Semana Santa’ mit Prozessionen und Christusstatuen. Lena Jörger, die während ihres Auslandssemesters ein halbes Jahr in Granada wohnte, berichtet über die Bräuche in dieser ganz besonderen Woche.

Ostern ist nicht gleich Ostern. Während in Deutschland der Osterhase üblicherweise bunt bemalte Eier, Süßigkeiten und kleine Geschenke für die Kinder versteckt, geht es in Spanien weitaus religiöser zu.

Dort feiert man die gesamte Karwoche, die Semana Santa – auf Deutsch: „Heilige Woche“-, die am Palmsonntag (Domingo de Ramos) beginnt und am Ostersonntag (Domingo de Resurrección) endet.

Die Semana Santa wird in ganz Spanien mit Gottesdiensten und Prozessionen durch die Städte und Dörfer gefeiert. Je nach Region unterscheiden sich die Prozessionen sehr stark voneinander.

Die ‘Semana Santa’: Osterprozessionen gibt es im ganzen Land, vor allem aber im Süden.

Ana studiert Physik an der Universität von Granada. Ursprünglich kommt sie aus Huelva, das etwa 350 Kilometer von Granada entfernt ist. Für sie ist die Semana Santa eines der schönsten Ereignisse des Jahres.

Die Prozessionen werden von sogenannten hermandades, also Bruderschaften organisiert. Besonders typisch sind die pasos, auf denen Szenen der Passion Christi dargestellt werden.

Ana erklärt: „Das sind tischartige Holzkonstruktionen, auf denen bemalte Figuren aus Holz getragen werden.“ Einige dieser Figuren sind bereits mehrere Jahrzehnte alt, andere dagegen werden jedes Jahr neu hergestellt. Außerdem ändern sich die Bekleidung der Figuren und der Blumenschmuck des pasos.

Traditionell gibt es in jeder Prozession eine Christusstatue sowie mehrere Statuen der Jungfrau Maria und der Apostel.

Die Semana Santa ist ähnlich wie unser Osterfest ein Familienfest. „Meine Oma war Konditorin und als ich klein war, hat sie jedes Jahr typische Süßigkeiten in ihrem Holzofen gebacken und die ganze Familie und alle Nachbarn dazu eingeladen.“

In jeder Region Spaniens gibt es unterschiedliche kulinarische Spezialitäten zur Semana Santa. So zum Beispiel in Sevilla die torrijas (in Milch oder Wein eingelegte und frittierte Brotscheiben), in der Umgebung von Huelva die empanadillas de cabello de ángel (Teigtaschen gefüllt mit „Engelshaar“, einer Süßigkeit aus den Fasern spezieller Kürbissorten) und in Almería die roscos fritos (frittierte Teigringe).

Dass man in Deutschland Eier sucht, die ein Osterhase versteckt haben soll, findet Ana lustig. In Spanien kennt man keinen Osterhasen.

Besonders religiös ist Anas Familie nicht. „Ich mag die Semana Santa eigentlich mehr aus kulturellen und künstlerischen Gründen. Die pasos sind meiner Meinung nach echte Kunstwerke“, so Ana.

Für Ana ist die ‘Semana Santa’ eine besondere Woche.

Obwohl sie mit dem religiösen Hintergrund der Semana Santa nichts anfangen kann, respektiert sie diese als Tradition ihrer Heimat.  In Andalusien, im Süden Spaniens, hat die Semana Santa eine größere Bedeutung als im Rest des Landes.

„Vielleicht hat das noch etwas mit der Besetzung durch die Mauren und der Rückeroberung durch die Christen zu tun“, mutmaßt Ana. „Da Andalusien am längsten in der Hand der Mauren war, könnte es doch sein, dass die Christen ihre Bräuche und Traditionen wieder mehr ausleben wollten.“ Das würde auch erklären, warum man beispielsweise in Granada auf engstem Raum derart viele Kirchen und Klöster findet.

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Fotos: privat
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Veröffentlicht am 5. April 2012

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