Hilfe, die Pollen sind los!

So schön der Frühling ist, so schlimm kann es für einen Allergiker sein: Die Augen tränen, jucken, die Nase ist verstopft und kribbelt, krabbelt, läuft. Haaatschiiiii! Was Studierende tun können, um Heuschnupfen-Attacken entgegenzuwirken, hat Heike Bielek Dr. Roman Huber gefragt.

Dank der Frühblüher wie Haselnuss, Erle und Birke fühlen sich viele Studierende zurzeit müde und abgeschlagen. Ihre Konzentration ist geschwächt, das Lernen eingeschränkt und durch das allgemeine Krankheitsgefühl ist kaum an Unisport in der Frühjahrssonne zu denken. Darunter leiden Vorlesungen, Klausuren, Seminare … oder alles nur Ausrede?

„Eine Allergie ist eine deutliche Befindungsbeeinträchtigung, die sich auf obere und untere Atemwege ausweiten kann bis hin zum Asthma, im schlimmsten Fall zum anaphylaktischen Schock, dem potenziell tödlichen Kreislaufversagen“, erklärt Dr. Roman Huber, Leiter des Uni-Zentrums für Naturheilkunde der Uniklinik Freiburg. Heuschnupfen sollte also nicht unterschätzt werden.

Pollen können Symptome ähnlich einer Erkältung auslösen

Die Allergie, auch „Heuschnupfen“ genannt, bezeichnet die Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Oberflächenstrukturen, den sogenannten Allergenen.  Normalerweise werden diese ungefährlichen Allergene wie zum Beispiel Pollen, vom unspezifischen – dem angeborenen – Immunsystem abgefangen und als harmlos identifiziert. Doch beim Allergiker ist das spezifische – das erworbene –  Immunsystem auf bestimmte Pollen durch Antikörper sensibilisiert und identifiziert diese als „feindliche Fremdkörper“. Sobald Pollen vom spezifischen Immunsystem erkannt werden, reagiert der Körper überempfindlich durch Ausschüttung von Entzündungsstoffen. Das Resultat sind die typischen allergischen Reaktionen ähnlich einer Erkältung.

Die Symptome sind eine geschwollene Nasenschleimhaut, eine verstopfte oder laufende Nase, Juckreiz in Nase, Rachen und Augen. Es kann zu Beschwerden an den Bronchien mit trockenem Husten und Atemnot kommen. Schwellungen im Gesicht, Quaddelbildung und Kopfschmerzen können auftreten.

Viele Faktoren tragen zum Ausbruch einer Allergie bei

Gab es vor etwa fünfzig Jahren etwa 5 Prozent Allergiker, wiesen heute schon über 30 Prozent der Kinder Heuschnupfen Symptome auf. Wieso sich Allergien besonders in den Industrienationen ausweiten ist unklar. Hubers Hypothese lautet, dass besonders der saubere Lebensstil zur Schwächung des Immunsystems führe. Besonders in den ersten Monaten ist der Einfluss auf das Immunsystem sehr groß. „Kinder, die lange gestillt wurden und im Kuhstall aufgewachsen sind, tendieren viel weniger dazu, Allergien auszubilden“, erklärt Dr. Huber.

Zudem spielen noch viele andere Faktoren in unserer Umwelt eine Rolle. Das Immunsystem wird durch die modernen Ernährungsgewohnheiten, von exotischen Früchten zu biotechnologisch hergestellten Nahrungsmitteln, schon früh ungewöhnlichen Allergenen ausgesetzt.

Impfungen, chemische Stoffe wie Imprägnierungs- und Reinigungsmittel, Pflegemittel, Kosmetika und andere der vielen chemischen Stoffe in der Umwelt können zu einer Allergie-Erkrankung beitragen. Eindeutig bewiesen ist die genetische Veranlagung. Sind ein oder beide Elternteile Allergiker, besteht ein erhöhtes Allergierisiko für das Kind. Ein „Allergie-Gen“ findet sich hier allerdings nicht, denn unterschiedliche genetische Faktoren kommen zu tragen.

Therapie mit klassischen Methoden

Für die akute Behandlung werden üblicherweise Anti-Histaminika eingesetzt, um die Ausschüttung von Histamin, einer der Hauptbotenstoffe im allergischen Entzündungsprozess, zu hemmen. Auch der Einsatz von Cortison und synthetischen Mastzellstabilisatoren wirkt entzündungshemmend und schwächt die Immunantwort. Eine dauerhafte Immunisierung von Allergien wird durch die sogenannte „Hyposensibilisierung“ erreicht.

Hierbei wird durch die Gabe einer kleinen Dosis des Allergens über einen Zeitraum von drei Jahren der Körper an das Allergen gewöhnt. „Eine Hyposensibilisierung-Strategie kann sinnvoll sein, um wenige Allergien zu bekämpfen. Allerdings kann die Hyposensibilisierung erfahrungsgemäß auch die Entstehung neuer Allergien fördern“, sagt Dr. Huber.

Die Naturheilkunde bietet alternative Methoden

Im Gegenzug versucht die Naturheilkunde Methoden zu entwickeln, die das unspezifische Immunsystem stabilisieren. Vorbeugend werden zum Beispiel Probiotika in die Nase gesprüht, um über die Nasenschleimhäute das unspezifische Immunsystem zu stimulieren. Probiotika bestehen aus harmlosen, lebenden Bakterien, die zum Beispiel im Joghurt vorkommen. Dadurch werde das Immunsystem abgelenkt um nicht mehr so spezifisch auf Allergene zu reagieren, erklärt Huber. Die Therapie ist allerdings noch nicht in Studien bewiesen.

Eine weitere Methode ist die Akupunktur mit oder ohne Elektrostimulation. Sie wirkt am ehesten über das vegetative Nervensystem und führt bei circa 60 Prozent der Patienten zu einer Linderung der Symptome.

Bei akuten Symptomen empfiehlt Dr. Huber pflanzliche Mittel als Alternative zu Anti-Histaminika. Eine ähnliche zuverlässige Wirkung hat das gut untersuchte Pestwurzpräparat „Tesalin“ mit deutlich weniger Nebenwirkungen. Es ist in der Schweiz zugelassen aber auch über deutsche Apotheken erhältlich.

Auch Mastzellstabilisatoren aus natürlichen Substanzen, wie das Weleda Heuschnupfenspray, ein Extrakt aus Quitte und Zitrone, seien zu empfehlen. „Interessanterweise hilft bei einer Allergie fast alles um eine kurzfristige Besserung herbeizuführen. Es gibt einen starken Placebo-Effekt“, sagt Dr. Huber.

Nasenduschen, Haare waschen …

Auch ohne Medikamente können Studierende gegen Allergien vorgehen. Nasenduschen, Haare waschen vor dem Schlafen gehen und Zimmerlüften bei geringem Pollenflug kann eine leichte Linderung verschaffen. Die wohl effektivste und kostspieligste Möglichkeit dem Pollenflug zu entgehen, wäre ein Kurzurlaub in einem reizärmerem Klima, wie zum Beispiel in die Wüste, ans Meer, in den Hochschwarzwald. Leider können sich das Studierende meistens nicht leisten.

Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer! Manchmal können Allergien auch einfach wieder verschwinden, ohne irgendwelche Behandlungen. Ansonsten sieht Dr. Huber das größte Potential darin, vom übertriebenen Sauberkeitsritual weg zu kommen. Also, im Dreck spielen ist erlaubt!

Kontakt

PD Dr. Roman Huber
Uniklinik Freiburg
Uni-Zentrum Naturheilkunde
Breisacherstrasse 115b
79106 Freiburg

Mehr Infos zum Angebot des Uni-Zentrums Naturheilkunde

www.uniklinik-freiburg.de

 
Autoren:
Veröffentlicht am 17. April 2012

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