Stell dir vor, es ist Revolution und keiner kriegt´s mit!

Stell dir vor, es ist Revolution und keiner kriegt´s mit!

Die grün-rote Landesregierung hat Wort gehalten: Die Verfasste Studierendenschaft (VS) wird wieder eingeführt werden. Doch was verbirgt sich hinter dem sperrigen Begriff – und was bedeutet dies für die Studierenden?

Wir schreiben das Jahr 1977. In Baden-Württemberg wird die Verfasste Studierendenschaft unter heftigen Protesten der Studierenden abgeschaft. Der genannte Grund: Die starke Politisierung der Studierendenvertretungen. Die Studierendenvertretungen verlieren durch die Abschaffung unter anderem das Recht, sich zu hochschulpolitischen Themen zu äußern.

Gerade hat der baden-württembergische Landtag das Gesetz zur Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft verabschiedet. Anders als bisher werden die Studierendenvertretungen damit zukünftig den Status einer eigenständigen rechtsfähigen Organisationseinheit haben.

Konkret bedeutet dies unter anderem, dass die Studierendenvertretungen nun dazu bemächtigt sind, selbst Verträge zu schließen. „Wir dürfen ein Auto leasen. Wir dürfen Leute einstellen“, sagt Laura Maylein – Mitglied des u-asta und AStA Vorstand der Uni Freiburg. So wird es beispielsweise möglich, den Studierenden einen Wagen für Wohnungsumzüge bereitzustellen. Bisher musste in solchen Fällen das Studentenwerk einspringen.

Bis jetzt musste die Universität dem AStA, dem Allgemeinen Studierendenausschuss, jede noch so kleine Ausgabe genehmigen. Um finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen, ist es den Studierendenvertretungen künftig gestattet, selbst Beiträge von den Studierenden einzuziehen. Über die Höhe dieses Beitrages dürfen die Studierenden entscheiden.

Die Gelder ermöglichen es der Studierendenvertretung unter anderem, eigene Beratungsangebote anzubieten oder studentische Projekte zu fördern. Der Betrag, der an anderen Universitäten zwischen 5 und 10 Euro pro Semester liegt, könnte zusammen mit dem Semesterbeitrag gezahlt werden.

Wie genau das in Freiburg laufen wird – ob beispielsweise das Rektorat die Gelder mit den übrigen Semesterbeiträge einzuziehen – , ist allerdings noch nicht klar.

Wie könnte die „Hochschul-Verfassung“ aussehen?

Wie genau die Hochschulpolitik an der Universität Freiburg zukünftig aussehen wird, steht noch nicht fest. Jede baden-württembergische Universität darf dies eigenständig gestalten. 2013 sollen den Studierenden verschiedene Satzungen vorgeschlagen werden, über die dann in einer Urabstimmung entschieden wird.

Die Satzung legt fest, wie Hochschulpolitik gemacht wird und ist vergleichbar mit der Verfassung eines Landes. Die Vorschläge dazu erarbeitet aktuell eine zu diesem Zweck gegründete Arbeitsgruppe. Alle Studierenden können hier mitarbeiten und haben so die Möglichkeit, die Art und Weise, wie Hochschulpolitik in Freiburg künftig aussehen soll, mitzubestimmen.

Denkbar wären beispielsweise ein Parlaments- oder ein Rätemodell. In ersterem Fall wären alle Studierenden dazu aufgerufen ein Parlament zu wählen, welches dann in Form des AStA eine Art Regierung stellt. Bei einem Rätemodell würden die Studierenden Räte wählen, welche beispielsweise nach Fakultäten aufgeteilt sind. Die Anzahl der Räte je Fakultät könnte dann von der Fakultätsgröße abhängen. Ein Rätemodell in Baden-Württemberg muss ein Exekutivorgan haben, un anderen Bundesländern ist dies nicht zwingend

Der AStA beziehungsweise die Räte haben dann in bestimmten Fragen das Recht Vertreter in die Hochschulgremien zu entsenden. Diese Gremien entscheiden in den meisten grundlegenden Fragen der Universität. In den Hochschulgremien sind jedoch grundsätzlich mehrheitlich Professoren vertreten.

„Im Senat stellen die Studierenden vier von 38 Mitgliedern, im Hochschulrat einen von neun. Daran wird leider auch die Verfasste Studierendenschaft nichts ändern“, sagt Laura. Ein höheres Stimmgewicht der Studierenden wäre dem AStA natürlich lieber. Die sogenannte professorale Mehrheit in sämtlichen Hochschulgremien ist allerdings gesetzlich festgeschrieben.

Abbildung: So kann ein Parlaments- und ein Rätemodell aussehen.

Der u-asta wird überflüssig

Da es dem AStA seit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft 1977 nicht mehr gestattet war, sich zu hochschulpolitischen Themen –  wie beispielsweise Studiengebühren –  zu äußern, wurde der u-asta (Unabhängiger Allgemeiner Studierendenausschuss) gegründet.

Der u-asta verfügt – im Gegensatz zum AStA – über kein gesetzliches Mandat, die Studierenden zu vertreten. Das Verbot der hochschulpolitischen Meinungsäußerung galt für den u-asta somit nicht.

Mit Einführung der Verfassten Studierendenschaft erhält die Studierendenvertretung nun das Recht sich in vollem Umfang zu Belangen der Studierenden zu äußern. „Der u-asta wird dadurch obsolet“, erklärt Laura. Ein Ziel des u-asta ist erreicht.

Alle Studierenden können mitgestalten

Alle Studierenden können sich an der Ausarbeitung der Satzungen beteiligen. Dazu gibt es regelmäßig „VS-konkret“ Treffen, bei denen sich alle Studierenden einbringen können. Jeder Student kann einen Satzungsvorschlag einreichen, sofern er 150 Unterschriften dafür gesammelt hat. Diese – besonders an kleineren Universitäten – große Hürde wird in einem neuen Gesetzentwurf aber möglicherweise noch abgeschwächt.

Das Rektorat ist dann dazu verpflichtet die eingereichten Satzungsvorschläge auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. So soll verhindert werden, dass im kommenden Jahr rechtswidrige Satzungen zur Abstimmung stehen.

Insgesamt bedeutet die Wiedereinführung der VS eine Stärkung der Position der  Studierendenvertretungen und somit der Studierenden in Baden-Württemberg. Auch Laura begrüßt diesen Schritt daher.

Eine wirklich gleichberechtigte Mitsprache in grundlegenden Fragen der Universität wird erst aber dann möglich sein, wenn die Studierenden ein höheres Stimmgewicht in den Hochschulgremien erhalten. Aufgrund der professoralen Mehrheit scheint dies jedoch in weiter Ferne zu liegen.

Dennoch sollten Studierende die Chance wahrnehmen und an der Gestaltung der zukünftigen Hochschulpolitik mitarbeiten!

Mitmachen!

Infos zum Arbeitskreis VS und den VS-konkret-Treffen gibt es hier: vs-freiburg.de

Und beim u-asta www.u-asta.uni-freiburg.de/engagement/aks/vs

Mehr zur VS

Auch uni.tv hat einen Beitrag zur Verfassten Studierendenschaft gemacht. Zum Beitrag

Foto: Thomas Kunz
Abbildung: Martin Peters
Autoren:
Veröffentlicht am 28. Juni 2012

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