Himmelstaucher – das etwas andere Hobby

Himmelstaucher – das etwas andere Hobby

Den Traum vom Fliegen – wer träumt ihn nicht. Der freie Fall ist es, der dich seiner Erfüllung mit Sicherheit am nächsten bringen kann. Julia ist gesprungen.

Angeschnallt an meinen vertrauenswürdigen Tandemmaster Tino Ebneth sitze ich nun endlich in der rotweißen Lore – wie die vereinseigene Maschine in Anlehnung an die verstorbene Präsidentin des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes (BWLV) liebevoll getauft wurde.

Mit an Bord: Pilot Volker Winterer, seines Amtes auch Leiter der Technologie und Entwicklung am Rechenzentrum der Uni Freiburg, Philipp Killius, der, ausgestattet mit einer Helmkamera mein unvergessliches Erlebnis in der Luft dokumentieren wird und außerdem noch Heike Bielek ein weiteres uniCross-Mitglied, zuständig für die Fotos an Board.

Das mehrmalige Checken der Gurte und die Blödeleien der Springer verleihen zusätzliche Sicherheit und Spaß an der Sache. Der 20 minütige Load – wie der Steigflug auch genannte wird, verschafft uns genügend Zeit den Blick über die schöne Landschaft zu genießen, der sich mit jedem Höhenmeter erweitert.

Himmelstaucher unter sich: Julia und das Team beim Steigflug.

Nach der stundenlangen Unsicherheit über die heutige Realisierung des Sprungs, in Anbetracht der tief hängender Wolken, bin ich auf 3000 Meter einfach nur überglücklich, dass ich heute aus einem Flugzeug springen werde. So absurd dies klingen mag, die Freude verdrängt die Nervosität größtenteils – bis zum Öffnen der Flugzeugtür.

Ein kalter Wind peitscht lärmend bis in die hinterste Ecke der Flugzeugkabine. Philipp klettert zuerst aus dem Flugzeug und macht die Kamera bereit. Mein Tandemmaster rutscht mit mir nun an die Türkante und unsere Beine baumeln in 3.500 Metern in der Luft.

Jetzt gibt es kein Zurück – die immer lauter werdende innere Stimme will wissen „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“. Sie verstummt, als ich mit Tino den Flieger verlasse. Jetzt wird geflogen!

Das etwas andere Hobby

Unter den lizensierten Springern des Breisgauvereins für Fallschirmsport (BVF) hat man sich längst damit abgefunden, dass man oft für verrückt erklärt wird, wenn man von seinem Hobby berichtet.

„Ein Volk für sich“, so sieht das auch der Flugleiter des Freiburger Flugplatzes Bernhard Schnekenburger. Er selbst, ein begeisterter Drachenflieger, bevorzugt es, mit seinem Fluggerät Distanzen zu überbrücken und verzichtet dafür gerne auf das Adrenalin des freien Falls. Zudem sieht er in anderen Flugsportarten eine höhere Entwicklungstendez und ist als Drachenflieger nicht von Flughäfen und Flugzeugen abhängig.

Aber die Springer selbst schwören auf ihren Sport – so auch Sprunglehrer Werner Fleischer der mit 62 Jahren der vereinsälteste aktive Springer des BVF‘s ist. Der Diplomvolkswirt und Alumnus der Uni Freiburg hat seit Beginn seiner Springerzeit Anfang der 80er Jahre bereits über 1.000 Sprünge absolviert.

Das Jubiläum des tausendsten freien Falls gönnte er sich selbst zu seinem 60. Geburtstag. Für den erfahrenen Sprungleiter ist ein Leben ohne kaum noch vorstellbar. Gewappnet mit einem Logbuch ist es für Fleischer und alle sogenannten Skydiver ein besonderer Kick den Sprung an verschiedensten Spots der Welt zu erleben. Ein wesentlicher Vorteil der internationalen Gültigkeit der Lizenz.

Auch Helmut Lang-Dahlke blickt auf eine jahrzehntelange Springererfahrung zurück. Über ihn und seine Frau Inge laufen die wesentlichen Vereinsanmeldungen, wie auch die Anmeldung zum Tandemsprung: Hier beantragt der interessierte Springer, oder auch ein großzügiger Schenkender, telefonisch eine Boardingkarte zum Preis von 220 Euro beim Verein, die er dann einige Tage später auf dem Postweg zugesandt bekommt. Mit der darauf notierten Nummer erhält man einen individuellen Sprungtermin und die Telefonnummer vom zugeteilten Tandemmaster.

Für Schüler, Studierende und Auszubildende räumt der Verein derzeit 5 Prozent auf den Tandemsprung ein. Nicht mehr, da der eingetragene Verein so wieso alles gerade kostendeckend kalkuliert ist, sprich Schüler und Studierende springen subventioniert. In den Studierenden sehen  Fleischer und Lang-Dahlke ein Reservoir für zukünftige Sprungbegeisterte. Eine Eingliederung der Fallschirmspringerei in den Allgemeinen Hochschulsport gibt es bislang noch nicht.

Turnschuhe und etwas Mut für den Sprungtag

Skydiving, so sagt der Profi zu einem Fallschirmsprung, ist ein wetterabhängiger Sport: Freie Sicht ab 3000 Metern ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, weshalb ein einmal ausgemachter Termin auch sprichwörtlich ins Wasser fallen kann. Am Sprungtag selbst sollte man auf festes und sportliches Schuhwerk achten, weiter ist nichts mitzubringen außer dem nötigen Quäntchen Mut.

Gesundheitliche Voraussetzungen für einen Skydive gibt es keine. Man springt auf eigene Verantwortung. Größe und Gewicht dürfen jedoch beim Tandemsprung die Maximalwerte von 1,90 Metern und 90 Kilo nicht überschreiten.

Vor dem Sprung: Tandemmaster Tino Ebneth, Neu-Skydiverin Julia, Video-Mann Philipp Killius, uniCross-Fotografin Heike, Pilot Dr. Volker Winterer (v.l.n.r).

Bei der Anmeldung am Flugtag muss zunächst in aller Kürze die Versicherungsformalität geregelt werden. Per Unterschrift entbindet man den Veranstalter von jeglicher Haftung und bestätigt, dass man in ausreichend gesundheitlicher Verfassung ist und keinerlei berauschenden Mittel zu sich genommen hat.

Ist man in seinen Springerkombi geschlüpft und trägt bereits das Gurtzeug mit dem man später an den Tandemmaster gehackt wird, zeigt dieser einem zunächst in der Bodeneinweisung wie die optimale Freifall-Haltung auszusehen hat.

Dazu legt man sich auf den Bauch hebt Beine und Knie an. Das so gebildete Hohlkreuz verleiht dem Köper die optimale Gleitform beim freien Fall. Denn anders als in zahlreichen anderen Flugsportarten ist beim Fallschirmsprung zumindest für die 40-50 Sekunden des freien Falls der eigene Körper das entscheidende Fluginstrument.

Im Anschluss setzt man sich erstmals festgehakt an seinen Tandemmaster in eine aus Eisenstangen geformte Flugkabinenattrappe – um den Ausstieg zu proben. Ist auch diese Trockenübung beendet geht es auf direktem Weg ins Flugzeug.

Pilot und Uni-Mitarbeiter Dr. Volker Winterer bringt die Springer in die Luft.

Die Lizenz zum Adrenalin Kick

Der erste Tandemsprung ist sicher für viele die Einstiegsdroge zur Springerei. So auch für die die 24-jährige Katrin, die in der letzten Woche nicht nur ihr Juraexamen an der Uni Freiburg erfolgreich bestanden sondern auch ihre Fallschirmlizens erworben hat. Heute ist sie zum ersten Mal als lizensierte Springerin auf dem Platz.

Infiziert durch einen Tandemsprung hat sie innerhalb von vier Monaten die sieben Level der AFF Ausbildung durchlaufen und darf sich jetzt alleine aus dem Flugzeug stürzen.

Der BVF bietet die „Accelerated Freefall“ Ausbildung an. Anders als beim Tandemsprung benötigt der Interessent eine ärztliche Bescheinigung die seine Tauglichkeit für diese Ausbildung bescheinigt. Bei dieser Ausbildungsmethode durchläuft der Schüler sieben Level.

Anfänglich springt er mit zwei Sprunglehrern die ihn im freien Fall festhalten und auch die Schirmöffnung übernehmen – der Schüler hat im ersten Level ausschließlich Scheingriffe, richtige Körperhaltung und korrektes ablesen des Höhenmessers nachzuweisen. Im Idealfall braucht er pro Level nur einen Sprung und kann im Anschluss an das erfolgreich absolvierte 7. Level den ersten „free solo“ erleben – in welchem er erstmals komplett auf sich alleine gestellt ist.

Ein relativ teures Hobby

Unbestritten sind die vergleichsweisen hohen Kosten dieses Hobbys. Skydiver Lang-Dahlke spricht sich insbesondere im Hinblick auf die Kosten für eine Vereinsmitgliedschaft aus. Diese erspare dem Auszubildenden neben den obligatorischen 1.500 Euro Ausbildungsgebühr zunächst zumindest die Kosten für das Material, welches der Verein seinen Schülern zur Verfügung stelle und senke auch die anfallenden Kosten im Flughafenbetrieb, sprich Startgelder, Benzinzuschuss und weiteres.

Die Instandsetzung der Schirme nach circa 400 Sprüngen sowie die Flugbetriebskosten werden subventioniert.

Sprunglehrer und Tandemmaster durchlaufen ebenfalls eine kostenpflichtige Ausbildung die, sofern sie im Verein ausbildende Funktionen übernehmen, ebenfalls durch diesen honoriert werden.

Die Mitgliedsbeiträge von monatlich 20 Euro und Einnahmen durch Veranstaltungen machen es dem Breisgauverein für Fallschirmsport möglich die anfallenden Kosten für die Springer zu minimieren.

Aus Erfahrung weiß Lang-Dahlke, dass jeder Schüler den Drang verspürt, sich bereits kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung oder spätestens kurz danach sein eigenes Sprungmaterial zuzulegen Mit mindestens 1.000 Euro für einen gebrauchten Schirm und Gurtzeug muss gerechnet werden.

Gerne bezahlt wird für die Sicherheit. So verfügen alle Schirme seit einigen Jahren über das sogenannte Cypress – Rettungssystem. Wie ein kleiner Bordcomputer, immer dabei, aktiviert dieses System im Notfall den Reserveschirm. Wartung und Batterie dieses Systems verschlingen zusätzliches Geld. Und wofür dass alles?

Der Kick des freien Falls

Mit 200 Kilometern in der Stunde rase ich, festgeschnallt an den Bauch meines Tandemmasters Tino Richtung Erde. Aber es fühlt sich nicht an wie fallen – nein – ich fliege. Die Arme ausgebreitet den tosenden Wind im Gesicht kann ich den Höhenverlust nicht wirklich wahrnehmen.

Angstfrei genieße ich jede der 40 Sekunden in vollen Zügen. Erst auf den letzten Höhenmetern des freien Falls realisiere ich langsam dass ich dem Boden unter mir näher komme. Nachcirca 2000 Metern zieht Tino die Leine und der Schirm bremst unseren Fall abrupt ab.

Der Körper schießt in die aufrechte Haltung. Um mich herum erscheint plötzlich alles lautlos – nur mein Jubelschrei durchdringt die Stille der Lüfte. Ich habe tatsächlich noch immer Lust auf ein bisschen Aktion und so lenkt Tino den Schirm so, dass wir uns einige Meter im Schraubflug nach unten bewegen.

Ich fühle mich unbeschreiblich und darf sogar die die Lenkung des Schirms für einige Sekunden mitbestimmen.  Von einem Drang Boden unter den Füßen zu spüren kann nicht die Rede sein – ich könnte ewig weiter so in der Luft hängen.

Doch alles hat ein Ende und so kommt der Moment in dem ich meine Beine anziehe und Tino uns zielsicher und sanft, Beine voraus mit dem Po im Landekreis absetzt. Ich strahle von einem Ohr zum anderen und dieser Gesichtsausdruck hält noch einige Stunden an.

Infos & Kontakt

Alle Infos gibt es unter www.fallschirmsport-freiburg.de

Ansprechpartner an der Uni Freiburg:

Dr. Volker-Henning Winterer: volker-henning.winterer@rz.uni-freiburg.de

Sprungzeiten 1. Apr. – 30.Sept.:

Mittwoch: 14.30 – 20 (Sunset) nach Vereinbarung

Samstag: 9 – 13 und 15 -20 (Sunset)

Sonntag und Feiertag: 10 – 13 und 15 – 20 (Sunset)

Spungzeiten 1. Okt. – 31. März

Mittwoch: 14 – 20 (Sunset) nach Vereinbarung

Samstag: 9 – 13 und 15 -20 (Sunset)

Sonntag und Feiertag: 10 – 13 und 15 – 20 (Sunset)

Fotos: Heike Bielek, BVF
Autoren:
Veröffentlicht am 4. September 2012

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