Auf Rädern durch die Uni

Auf Rädern durch die Uni

Wie findet man als Sehbehinderter eigentlich das Sprechzimmer des Dozenten? Wie gelangt man im Rollstuhl vom KG III zum Cafe Europa? Um Studierende und Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, was es heißt, als Betroffener in der Uni den Alltag zu erleben, gab es im Juli erstmals den „Tag der Vielfalt“.

Der Tag der Vielfalt fand am 16. Juli 2012 zum ersten Mal ain der Uni Freiburg statt. Das Ziel dieses Tages war es laut Rektor Hans-Jochen Schiewer, die Wahrnehmung von Studierenden und Mitarbeitern mit Behinderungen und chronischen Krankheiten zu stärken und die Menschen für ihre Belange zu sensibilisieren.

Als erste Maßnahme wurde an diesem Tag in erster Linie der technische Hausdienst in Selbsterfahrungsparcours geschult. An einzelnen Stationen zu den Themen Seh- und Hörbehinderung sowie Mobilitätseinschränkung konnte der Alltag Betroffener erlebt werden. Nach Hochrechnung aus der Gesamtbevölkerung (genaue Zahlen sind nicht erfasst) gibt es an der Uni etwa 1.800 Studierende und 360 Mitarbeiter mit Handicap.

Betreut werden die Freiburger Studierenden von der eigens eingerichteten Stabsstelle Gender and Diversity und auch das Studentenwerk bietet Hilfe, zum Beispiel mit speziellen Wohnheimsplätzen für Studierende mit Handicap, an.

Bei Neubauten achtet die Uni grundsätzlich auf die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer, Altbauten hingegen werden nach Möglichkeit behindertengerecht umgebaut. Es gibt Lesegeräte und spezielle elektronische Arbeitsplätze für Sehbehinderte und mittlerweile sind 24 Hörsäle mit induktiven Höranlagen ausgestattet, die Studierenden mit Hörgeräten das Hören in der Vorlesung erleichtern.

Parcours mit Hürden

Der Parcours für Sehbehinderung sah im ersten Moment wenig spektakulär aus, gab aber einen Einblick in die Schwierigkeiten, mit denen Betroffene jeden Tag an der Uni konfrontiert sind. Trug man die Brille mit Tunnelblick, war das Sichtfeld soweit eingeschränkt, dass man trotz Blindenstock immer wieder über die Kanten der verschiedenen Materialienbecken stolperte und stürzte.

Gerade nach dieser Erfahrung ist es leicht nachzuvollziehen, dass sich die Studierenden mit Sehbehinderung in der Uni die Markierung der untersten und obersten Stufen von Treppenabsätzen wünschen.

Infostände zum Alltag mit Handicap gab es im Uni-Innenhof.

Auch die Bestellung eines Kaffees im Cafe Senkrecht erschien unmöglich. Mit entsprechender Brille sah man alles nur verschwommen und konnte nur Hell und Dunkel unterscheiden. Die Theke zum Bestellen zu finden, war aussichtslos.

„Es gibt viele solcher Probleme“, sagt Linda Gungl, selbst Studentin mit Sehbehinderung. Die meisten seien ihrer Meinung nach leicht zu lösen: Größere Beschriftungen an Wegweisern und Schildern von Sprechzimmern wären ein hilfreicher Anfang. Auch die Anzahl der Arbeitsplätze für Sehbehinderte sollte etwas größer sein. Hätten die meisten nicht selbst Lesegeräte zu Hause, wäre es schwierig Bücher für Hausarbeiten zu lesen.

Mehr Beschilderungen gewünscht

Auch Michaela Kusal, Mitglied im Studieren-ohne-Hürden-Referat des u-asta, ist der Meinung, dass trotz aller Bemühungen der Universität noch einiges getan werden müsse. Auch sie sei für mehr Beschilderungen. Die meisten Rollstuhlfahrer wüssten gerade in den alten, geisteswissenschaftlichen Gebäuden der Uni nicht, wie sie barrierelos von einem Hörsaal zum nächsten gelangen können. Hier wären Hinweisschilder hilfreich und würden den Betroffenen viel Zeit mit Suchen ersparen.

Es gäbe aber auch Gänge, in denen die Sprechzimmer der Dozierenden liegen, die mit dem Rollstuhl nicht zu erreichen seien. Traue sich der betroffene Studierende dann vielleicht nicht, den Professor um einen extra Termin in anderen Räumlichkeiten zu bitten, könne das zu einem großen Problem werden. Deshalb sei sie dafür, Lehrkräfte stärker für die Probleme von Studierenden zu sensibilisieren.

Auch Rektor Schiewer erlebte, was es bedeutet, im Rollstuhl durch die Uni fahren zu müssen. Im KG III hatte er auch unter Anleitung eines Studenten im Rollstuhl große Probleme die Türen zu öffnen und stellte fest: „Türen mit Elektromotor, die sich von alleine öffnen, wären hier besser.“

Diese Erkenntnis ist schon ein erster kleiner Erfolg des „Tags der Vielfalt“.

Ansprechpartner / Kontakt

Ansprechpartnerin bei der Stabsstelle Gender and Diversity

Susanne Wenzel
Tel.: 0761/203-4432
E-Mail: susanne.wenzel@zv.uni-freiburg.de

Beauftragter des Studentenwerks für Studierende mit Behinderung und/oder chronischen Krankheiten, Sozialberatung

Karl-Heinz Hermle
Studentenwerk Freiburg (SWFR)
Schreiberstraße 12-16, Zi. 002
Tel.: 0761/2101-233
E-Mail: hermle@studentenwerk.uni-freiburg.de

Info beim SWFR: www.swfr.de/beratung-soziales/studieren-mit-handicap

Fotos: Viktoria Bergmann
Veröffentlicht am 10. Oktober 2012

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