Von Guerillas und Gemüsebeeten

Von Guerillas und Gemüsebeeten

Guerilla Gardening – das klingt nach Sturmmaske, Revolution und nächtlichen Anschlägen. Die Guerilla-Gärtner kommen dabei jedoch völlig ohne Gewalt aus. Die Waffen: Samenbomben und Gewächse aller Art. Der Schauplatz des Kampfes: Öffentliche Flächen in Städten. Das Ziel: Mehr Garten für alle! Mit Video & Bildergalerie.

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„Ich bin nicht so der grüne Typ“, antwortet Geschichtsstudent Niclas auf die Frage, ob er Guerilla Gardening kenne. „Sagt mir gar nichts“, meint Nadja, die Theologie studiert. Hört man sich unter den Studierenden um, stellt man fest: Manche haben schon das ein oder andere urbane Beet gesehen, vielleicht auch schon von Guerilla beziehungsweise Urban Gardening gehört, doch nur wenige wissen, was tatsächlich hinter den Begriffen steckt und wo das Ganze herkommt.

Guerilla-Gärtner bepflanzen unerlaubt fremdes Land

 

Die Bewegung des Guerilla Gardening nahm 1973 in New York ihren Anfang, als Liz Christy auf einer New Yorker Müllhalde einige Tomatenpflanzen entdeckte. Davon inspiriert verteilte sie mit Gleichgesinnten bald Saatgut und sogenannte Samenbomben – kleine Erdkugeln mit Pflanzensamen – auf den vernachlässigten Flächen der Großstadt und war überrascht, wie gut die Pflanzen gediehen. Durch diesen Erfolg ermutigt schuf die Gruppe der „Green Guerillas“ um Liz den ersten illegalen Guerilla-Garten.

Auch in Freiburg gibt es Guerilla Gardening. Beim nächtlichen  Samenbombenwerfen verschafft der Reiz des Verbotenen den Gärtnernden einen zusätzlichen Kick. Meist werden keine großflächigen Beete angelegt, sondern eher kleine Stellen bepflanzt. Die Guerillas verabreden sich per SMS, E-Mail oder in Internetforen zu neuen Aktionen. Wer Interesse hat, kann sich dort einklinken und ein wenig zivilen Ungehorsam üben. Guerilla Gardening ist nämlich illegal.

Dass man sich mit Stiefmütterchen des Vandalismus schuldig machen kann, scheint zunächst lächerlich. Doch tatsächlich bewegt man sich als Guerilla-Gärtner in einer juristischen Grauzone. „Guerilla Gardening ist die unerlaubte Kultivierung von Land, das jemand anderem gehört“, sagt Richard Reynolds, der diese Bewegung in Europa bekannt gemacht hat.

Reynolds machte jedoch die Erfahrung, dass es selten zu Anklagen kommt. Unerlaubte Gärten werden von den Besitzern der Flächen meist geduldet oder sogar begrüßt. Wo eine Einigung zwischen Landbesitzer und Gärtner nicht möglich ist, kann es passieren, dass der Garten wieder zerstört werden muss.

Freiburgs Stadtverwaltung stellt Flächen bereit

Urban Gardening ist dem Guerilla Gardening sehr ähnlich, muss jedoch nicht unbedingt illegal sein. Beim Urban Gardening nutzen Menschen öffentliche Bereiche, um dort Obst, Gemüse oder Blumen zu pflanzen. Oft stellt die Stadtverwaltung sogar Flächen zur Verfügung, die die Anwohner bepflanzen dürfen.

„Wir fördern das Thema sehr positiv und auch engagiert, weil wir das eine spannende Geschichte finden“, sagt Martin Leser, stellvertretender Leiter des Garten- und Tiefbauamts der Stadt Freiburg. Aber es werde Wert darauf gelegt, dass die Flächen nur in Absprache beackert würden.

Elf Flächen stehen in Freiburg bisher offiziell zum Gärtnern zur Verfügung und werden von den Behörden „aktiv begleitet“. Das geschieht zum Beispiel durch das Programm „Kraut und Rüben – Gemüse in urbanen Gärten“, das die Stadt im Rahmen von „Freiburg packt an“ anbietet. Hier finden sich Bürger zusammen, um in Gemeinschaftsarbeit das Gemüse zu pflegen.

Eine dieser Flächen liegt im Stadtteil Rieselfeld. „Wir wollen nur gute Nahrungsmittel anbauen“, sagt einer der freiwilligen Gärtner. Hier könne jeder ernten, der Lust dazu habe. Kleine Schilder an den Beeten zeigen an, wo gerade geerntet werden kann. Geneviève Zuber, der Hauptakteurin der Urban-Gardening-Aktion „Essbares Rieselfeld“, geht es darum, „in Kontakt zu sein, Spaß zu haben und auch Kinder und Ältere mit einzubeziehen.“

Aktionen wie das Gärtnern im Rieselfeld finden an vielen Plätzen in Freiburg statt. Wer in St. Georgen, im Dietenbachpark, in Zähringen oder vor dem Stadttheater spazieren geht, kann auch dort auf ein urbanes Gärtchen stoßen.

In urbanen Gärten kann jeder aktiv werden

 

Beim Urban Gardening kann jeder mitmachen, Junge und Alte, Profigärtner und grüne Anfänger. Denn das Urban Gardening lebt von freiwilligen Helfern, die sich auch gerne mal die Finger schmutzig machen. Das gemeinsame Arbeiten im Garten soll vor allem ein Austausch sein: Austausch von gärtnerischem Wissen, Austausch zwischen Kulturen und Generationen, zwischen Nachbarn und Fremden.

Wer mit offenen Augen durch Freiburg geht, entdeckt bestimmt irgendwo den Ansatz eines Guerilla-Gartens oder sogar ganze Beete. Und wer weiß, vielleicht fällt dabei ja ganz zufällig die ein oder andere Samenbombe aus der Tasche?

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Zum Weiterlesen

Ein guter Überblick zum Thema bietet folgende Seite: www.freiburg-schwarzwald.de/blog/urbanes-gaertnern-in-freiburg/

Alles über „Freiburg packt an“ www.freiburg.de

Transition Town – der Kooperationspartner der „Kraut und Rüben“-Aktion freiburg.wordpress.com/themengruppen/urbanes-gaertnern/

Eine Karte der offiziellen urbanen Gärten findet sich hier www.freiburg-schwarzwald.de/blog/regio/freiburg/freiburg-packt-an/urban-gardening-freiburg2013/

Ein Beispielgarten in Freiburg www.beet2go.de/

Ein Forum für Guerilla-Gärtner guerrillagardening.org/community

Guerilla Gardening hat sogar eine Facebook-Seite: www.facebook.com/pages/Guerilla-Gardening-Freiburg

Text – Fotos – Video

Gemeinschaftsproduktion von Florian Müller, Swantje Baumann, Yvonne Gaudes, Renate Steinberger-Künstel im ZfS-Seminar Journalismus crossmedial.

Seminarleitung: Silvia Cavallucci, Manuel Devant, Horst Hildbrand.

Veröffentlicht am 1. August 2013

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