Wohne lieber ungewöhnlich

Wohne lieber ungewöhnlich

Ein helles, großes Zimmer mit Balkon in einer voll eingerichteten Altbauwohnung, und das für 150 Euro im Monat – unmöglich in Freiburg? Nein. Beim Programm „Wohnen für Hilfe“, das jetzt sogar mit der Hochschulperle des Monats Dezember ausgezeichnet wurde, gibt es solche Angebote. uniCross hat bei Lehramtsstudentin Maria nachgefragt, wie es klappt.

„Wohnen für Hilfe“ ist ein Projekt, bei dem das Studentenwerk ungewöhnliche Wohnpartnerschaften vermittelt: Der Mieter hilft dem Vermieter im Haushalt, im Garten oder bei der Kinderbetreuung. Im Gegenzug muss er weniger Miete bezahlen.

Julia hat mit Maria gesprochen, die Englisch und Biologie auf Lehramt studiert und „Wohnen für Hilfe“ nutzt.

Maria, seit wann machst du beiWohnen für Hilfemit?

Ich wohne seit April 2013 in der Wiehre und vorher hatte ich in einer Zweier-WG zur Zwischenmiete gewohnt, das heißt, es war von Anfang an klar, dass ich nach einem Jahr ein neues Zuhause finden musste.

Kannst du die Familie, bei der du wohnst, vorstellen?

Das ist eine alleinerziehende Mutter, sie ist gerade 50 Jahre alt geworden und hat einen zehnjährigen Sohn.

Wohnen für Hilfe bedeutet ja, du zahlst weniger Miete und hilfst dafür bei der Familie mit. Was machst du da genau?

Zum Teil helfe ich im Haushalt mit, das heißt, ich bin dafür zuständig, alle zwei Wochen das Bad zu putzen oder zwischendurch Staub zu saugen, den Müll runter zu bringen und die Wäsche zu erledigen.

Die Hauptaufgabe aber ist, dass ich den Jungen, Julius, betreue, wenn seine Mutter nicht da ist. Da sie selbstständig ist, ist sie viel unterwegs und muss manchmal abends noch zu einem Termin. Dann bin ich dafür zuständig, dass Julius zuhause einen Ansprechpartner hat. Wir spielen was zusammen oder basteln. Morgens schicke ich ihn in die Schule und wenn er aus der Schule kommt, koche ich uns was zu Essen. Manchmal lese ich ihm abends etwas vor – das macht mir immer Spaß. Aber wir hatten auch schon die Gelegenheit, einen ganzen Tag miteinander zu verbringen und sind zum Beispiel ins Museum nach Basel gefahren oder haben gebastelt. Er ist auch gerade in einer Westernphase, deshalb haben wir ein paar uralte Western geguckt.

Habt ihr eine feste Stundenanzahl vereinbart oder regelt ihr das flexibel?

Im Vertrag ist das auf 30 Stunden im Monat angesetzt, allerdings finde ich das sehr schwierig zu berechnen. Am Anfang hab ich Buch geführt, aber nur eine Woche oder so, denn wie berechnet man eben mal schnell das Bad putzen? Das finde ich schwierig. Und auch da Julius schon sehr selbstständig ist, ist er auch mal zufrieden damit, nachmittags seine Comics zu lesen und seine Ruhe zu haben. Das bedeutet, ich kann währenddessen auch lernen oder sonstwas im Haushalt erledigen oder telefonieren. Das fände ich auch seltsam, das so abzurechnen – obwohl ich währenddessen natürlich nicht so flexibel bin, dass ich etwas unternehmen könnte oder mich voll auf etwas konzentrieren könnte.

Wie groß ist denn dein Zimmer und wie viel Miete zahlst du dafür?

Das Zimmer hat ungefähr 24 Quadratmeter, war teilweise schon eingerichtet und hat einen eigenen Balkon, der allerdings auch für Wäsche genutzt wird. Da das Zimmer nach Osten liegt, weckt mich morgens oft die Sonne. Die Miete beträgt 150 Euro. Das Zimmer ist genial, das könnte sich kein Student sonst leisten!

Du darfst in der Wohnung alles mitbenutzen. Wie ist die Wohnung eingerichtet?

Es ist ein schöner Altbau mit hohen Decken und Holzdielen! In der Küche gibt’s eine Spülmaschine und auch sonst ist alles vorhanden, was man braucht. Im Wohnzimmer steht sogar ein Klavier. Ich darf auch das Wohnzimmer mitbenutzen, da halte ich mich allerdings recht selten auf, weil ich, gerade abends, den Platz der Familie überlassen will.

Wie kamst du überhaupt auf die Idee, Wohnen für Hilfe auszuprobieren?

Bevor ich nach Freiburg gezogen bin, habe ich auf der Internetseite vom Studentenwerk geguckt, da wurde Wohnen für Hilfe auch aufgelistet. Ich hab mich informiert und war gleich begeistert.

Bei meinem Erststudium im Ausland hatte ich drei Jahre im Studentenwohnheim gewohnt und beim Studieren und auch in der Freizeit immer nur was mit Studenten gemacht. Nach einer Weile hat mir echt der Kontakt zur „Außenwelt“ gefehlt. Also hab ich mich hier in Freiburg gleich bei Wohnen für Hilfe registriert. Was mich beeindruckt hat an dem Projekt, war diese Zusammenarbeit zwischen Lebenshilfe und Studentenwerk. Das finde ich sehr sinnvoll. Studenten haben mehr Zeit und nicht so viel Geld, andere Leute brauchen Hilfe und haben sowieso Platz zur Verfügung.

Das Prozedere lief so ab, dass ich beim Studentenwerk einen Fragebogen ausfüllen musste: Meine Interessen, meine Erfahrungen, meine Vorlieben, was ich mir an Hilfe vorstellen könnte. Es gibt ja bei Wohnen für Hilfe ganz verschiedene Bedürfnisse, zum Beispiel körperlich behinderte Menschen, Familien oder ältere Menschen, die Hilfe im Haushalt brauchen. Ich konnte mir die Angebote ganz bequem im Internet durchlesen. Den Kontakt zur Familie hat das Studentenwerk hergestellt. Letztendlich hat sich dann nur diese Familie bei mir gemeldet. Ich habe mich bei ihnen vorgestellt, war zum Spieleabend nochmal da und hab sofort zugesagt.

Hattest du überhaupt keine Bedenken bevor du eingezogen bist? Schließlich zieht man bei einer fremden Familie ein, da können ja auch Konflikte entstehen.

Doch, viele hatten mich auch gewarnt, lass dich bloß nicht ausnutzen! Aber es gab eigentlich keine Probleme in der Hinsicht. Ich habe ja mein eigenes Zimmer und werde da auch in Ruhe gelassen, wenn ich meine Ruhe möchte. Ich hatte Bedenken, dass es vielleicht Probleme geben könnte, wenn ich Besuch mitbringe. Aber da frage ich eben vorher meine Vermieterin und bisher haben wir uns immer gut arrangiert. In einer WG fragt man schließlich auch seine Mitbewohner, bevor man eine Party schmeißt.

Infos zu Wohnen für Hilfe

Seit 2002 gibt es dieses Angebot des Studentenwerks. Das Studentenwerk Freiburg war das erste, das dieses Projekt in Eigenregie auf die Beine stellte.

Das Studentenwerk stellt den Kontakt zwischen Mietern und Vermietern her und hilft bei Streitfällen. Seit Beginn des Programms wurden etwa 700 Zimmer vermittelt. Im Moment bestehen etwa 250 Wohngemeinschaften. Sie bestehen in der Regel lange, oft sogar während der gesamten Studienzeit. Bewerben können interessierte Studierende sich jederzeit.

Weitere Informationen auf der Seite des Studentenwerks: www.swfr.de/wohnen/wohnen-fuer-hilfe/

„Wohnen für Hilfe“ wurde vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit der Hochschulperle des Monats Dezember ausgezeichnet.

Hochschulperle

Hochschulperlen sind innovative, beispielhafte Projekte, die an einer Hochschule realisiert werden. Der Stifterverband stellt jeden Monat eine Hochschulperle vor. Mehr Hochschulperlen gibt’s unter www.hochschulperle.de

Foto: Julia Müller
Autoren:
Veröffentlicht am 7. Januar 2014

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