Flirten im Zeitalter des Internets

Flirten im Zeitalter des Internets

Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Mit den absurdesten Mitteln flirten jeden Tag Hunderte von Männern und Frauen. Ein verschämtes Lächeln hier, ein intensiver Blick da: Sie liebäugeln im Café, in der Bahn oder der Uni. In Zeiten von Facebook und Co. jedoch scheint das Flirtverhalten eine neue Stufe erreicht zu haben. Text & Video.

Der Online- Flirt ist längst schon keine Ausnahme mehr. Wer es aus den verschiedensten Gründen, sei es Schüchternheit oder einfach nur eine verpasste Gelegenheit, nicht schafft, seinen Traummann oder Traumfrau direkt anzusprechen, kann bequem auf Plattformen wie www.bibflirt.de zurückgreifen. Anonym kann hier jeder seine persönliche Flirtbotschaft inserieren. Im besten Fall wird diese dann von der gesuchten Person entdeckt und beantwortet. Veröffentlicht wird der Flirt auf der Homepage von bibflirt direkt sowie bei den lokalen bibflirt- und Spotted-Fanseiten auf Facebook. Die Chance, dass die gesuchte Person die Flirtbotschaft liest, ist also relativ hoch.

bibflirt wird ein Jahr alt

Hört man sich bei Freiburger Studierenden um, merkt man schnell: Beinahe jeder hat schon einmal von bibflirt gehört oder die Online-Plattform sogar genutzt. „Ich finde, bibflirt ist eine schöne Möglichkeit, um jemanden wiederzufinden, den man irgendwo getroffen, aber nicht angesprochen hat“, sagt zum Beispiel Caroline, Medizinstudentin aus Freiburg. Und sie ist kein Einzelfall. Dabei ist es gerade mal ein Jahr her, dass fünf Heidelberger Studierende die Plattform gegründet haben. Als Vorbild dienten die irischen „Spotted“-Seiten, auf denen man ursprünglich versäumte Flirtgelegenheiten in Bus und Bahn nachholen konnte.

Flirten: Ein jahrhundertealtes Phänomen

Wer nun der Meinung ist, Flirten sei eine Erscheinung der Neuzeit, liegt allerdings falsch. Schon vor Hunderten von Jahren flirteten Männer und Frauen – wenn vielleicht auch etwas dezenter als heutzutage. Aber mit welchen Tricks wickelten die Frauen von damals die Junggesellen um ihren Finger? Und umgekehrt?

Bereits im 19. Jahrhundert wussten die Frauen den Helferinstinkt ihrer potenziellen Männer zu nutzen. Scheinbar unabsichtlich ließen sie in allernächster Nähe zu ihrem Angebeteten ein Taschentuch fallen. Während er sich also, wie es die Etikette verlangte, danach bückte, konnte sie ebenfalls danach greifen und ihm so einen langen und verführerischen Blick zuwerfen.

Die Damen am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig des XIV. gingen beim Flirten angeblich etwas plumper zu Werke. Mit Flohattrappen im Dekolleté lenkten sie die Blicke der Männer nicht nur gezielt auf ihren Ausschnitt, sondern gaben ihnen gleichzeitig die Möglichkeit für einen kurzen Augenblick zuzulangen – aus reinem Gutwillen selbstverständlich.

Ebenfalls gang und gäbe war die Verwendung von künstlichen Schönheitsflecken. Diese dienten nicht nur dazu, durch Kontrastierung die edle Blässe der Haut zu unterstreichen, sondern enthielten obendrein noch einen geheimen Flirt-Code. Je nachdem wo das kleine Muttermal platziert wurde, enthielt es eine andere Botschaft. Frauen, die sich gerne küssen ließen, klebten sich das kleine Pflaster beispielsweise direkt über die Lippe.

Kennenlernen 2.0

Heutzutage sieht die Sache doch etwas anders aus. Flirten ist nicht mehr nur Frauen- und das anschließende Ansprechen durchaus nicht mehr reine Männersache.

Pünktlich zum Jubiläum von bibflirt ist es also höchste Zeit, die alles entscheidende Frage zu stellen: Funktioniert Flirten im Netz denn wirklich?

Ein Blick auf bibflirt sagt: Ja, es funktioniert. „Ungefähr jedes dritte Gesuch wird beantwortet und führt zu einem Treffen. Es gibt mittlerweile sogar schon bibflirt-Pärchen“, sagt Katrin Gildner, Pressesprecherin von bibflirt.

Ein Beispiel für eine solche Kennenlerngeschichte sind Alena und Andreas aus Heidelberg. Die beiden waren sich eines Morgens beim Joggen begegnet: Er auf der einen, sie auf der anderen Straßenseite. Trotz eines intensiven Blickkontakts wagte keiner von beiden es, den anderen anzusprechen. Erst einige Schritte später fasste sich Andreas ein Herz und kehrte um. Er versuchte Alena zu finden, aber vergeblich. Noch von unterwegs aus schrieb er auf seinem Smartphone seine Flirtbotschaft auf die Heidelberger bibflirt-Seite. Und tatsächlich: Alena erkannte sich und antwortete sofort. Heute sind die beiden seit mehreren Monaten ein Paar. „Einen Partner zu finden ist schon schwierig genug, aber dann auch gleich noch einen Seelenverwandten? Das hätten wir beide nicht für möglich gehalten“, erzählt das junge Paar.

Einiges hat sich also sich seit Ludwig dem XIV. und seinen Hofdamen verändert. Wird Flirten für uns immer einfacher?

Festzustellen ist: Das Flirtverhalten unserer Gesellschaft hat sich stets an die Zeit und die verfügbaren Mittel angepasst – und so wird das wohl auch in Zukunft sein. Ob das die Sache nun einfacher macht oder sie verkompliziert: Tief in unserer Natur verankert wird das Flirten vermutlich aber immer Teil unserer zwischenmenschlichen Kommunikation sein – ob nun online oder per Schönheitsfleck.

Infos

Mehr Infos, unterhaltsame Geschichten und die neuesten Flirtbotschaften auf www.bibflirt.de. Und wer weiß: Vielleicht wartet auch schon eine persönliche Nachricht auf euch?

Buch- & Linktipps

Wer mehr von überwählerischen Frauen, liebestollen Männer oder über die erotischen Jagdgründe im alten Rom lesen möchte, sollte sich unbedingt an folgende Bücher halten:

Braunschneider, Theresa, Our coquettes, Charleston: University of Virginia Press 2009

Weeber, Karl-Wilhelm, Flirten wie die alten Römer, Düsseldorf; Zürich: Artemis & Winkler 1997

Mehr Infos zum Flirten früher und heute gibt es hier:

www.wdr2.de

Gemeinschaftsproduktion von Sarah Daoudi, Eusebia Flamm, Klara Schneider, Yoana Vasiyonava im Seminar Journalismus crossmedial für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Horst Hildbrand

Veröffentlicht am 7. März 2014

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