Interkulturelle Vielfalt im heimischen Hörsaal

Interkulturelle Vielfalt im heimischen Hörsaal

Die vielfältige Mischung der Studierenden aus den verschiedenen Regionen und Ländern der Welt gehört längst zum Unialltag dazu. Viele Klischees und Stereotype treffen dabei aufeinander und beeinflussen unsere Wahrnehmung. Eine gute Gelegenheit also, um sich mit den Fremdheitserfahrungen der Studierenden auseinanderzusetzen. Text & Video.

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Pietro Leonardi, der gerade seinen Erasmus-Aufenthalt in Freiburg absolviert, wird oft in die Schublade des typischen Italieners gesteckt. „Viele Deutsche meinen, ich esse jeden Tag nur Pasta.“ Der Norditaliener steht am Herd der Wohnheimküche und lässt schwungvoll die Spaghetti ins Nudelwasser gleiten. „Ja, ich esse viel Pasta, aber sie wird immer anders zubereitet, sodass man eigentlich jeden Tag ein anderes Gericht auf dem Teller hat“, sagt er und lächelt verschmitzt.

Circa 3.600 Studierende an der Uni Freiburg kommen aus dem Ausland. Die Diplom-Psychologin Damaris Braun ist beim International Office zuständig für die Vergabe von Stipendien an internationale Austauschstudierende. Durch den direkten Kontakt kann sie aus nächster Nähe die Fremdheitserfahrungen der ausländischen Studierenden miterleben.

Das Ankommen erfordert Geduld

Menschen, die in ein anderes Land ziehen, durchlaufen laut Damaris Braun verschiedene Phasen. Auf die anfängliche Euphorie, die mit der Neugier auf das neue Land verbunden sei, folge eine andere Phase, in der man alles vermisse. Dazu gehören alltägliche Dinge wie Supermarktprodukte, aber auch die eigene Sprache. Auch die eigenen Erwartungen, sich möglichst gut im anderen Land einzugewöhnen, spielten eine große Rolle.

Solche Schwankungen seien normal. „Wenn man in dieser Zeit mit Menschen redet, die Ähnliches erlebt haben und diese Erfahrungen teilen, kann das helfen, aus dem vorübergehenden Tief herauszukommen“, sagt die Mitarbeiterin des International Office. Dann könne man lernen, das Gefühl der Fremdheit als Bereicherung anzusehen und sich an der Uni etwas heimischer zu fühlen.

Diversität auch interregional

Die Professorin der Medienkulturwissenschaft Natascha Adamowsky weist darauf hin, dass die Mehrheit der Studierenden an der Uni nicht aus Freiburg komme. Ob aus dem Ausland oder aus einer anderen Gegend Deutschlands, man müsse sich immer erst in der neuen Stadt einfinden. Dass es da zu manchen Missverständnissen kommen kann, sei klar.

Susanne Radtke, die in Freiburg Romanistik und Germanistik studiert, kommt ursprünglich aus Sachsen und kann von hauptsächlich dialektbedingten Unterschieden erzählen. „Gerade in den ersten Monaten, wenn ich vor dem Mensaplan stand und Wörter wie Brägele, Fleischküchle oder Wasserweck las, konnte ich mir nicht vorstellen, welches Essen da auf meinem Teller liegen würde“, berichtet sie. Diese und andere kleine Missverständnisse nehmen sie und ihr Umfeld aber meist mit Humor.

Jeder Mensch hat womöglich ähnliche Situationen erlebt und kann daher erahnen, wie es ist, sich in einem anderen Kulturkreis zurechtzufinden. In interkulturellen Trainings werden Szenen nachgestellt, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit fremden Gewohnheiten und Verhaltensweisen konfrontiert werden. Bei einem Pilotprojekt zum interkulturellen Training am International Office kam es Damaris Braun darauf an, dass die Teilnehmer für kulturelle Unterschiede nicht nur sensibilisiert werden, sondern durch das Training auch Kompetenzen erwerben, um zukünftig besser mit kulturellen Unterschieden umgehen zu können.

Die große Chance der kleinen Unterschiede

Damaris Braun ist es wichtig, zu zeigen, dass auch für die deutschen Studierenden eine große Chance im Kontakt mit den ausländischen Kommilitonen liegt. Viele von ihnen kommen nur wenig mit deutschen Studierenden in Kontakt. Das sei schade, denn der Kulturaustausch wäre sonst noch intensiver. Auch Pietro hat bisher kaum Kontakt zu Deutschen. Er ist meistens mit Spaniern unterwegs, die er im Erasmus-Programm kennengelernt hat.

„Man kann durch den Kontakt mit internationalen Studierenden auch interkulturelle Erfahrungen im eigenen Land machen“, gibt Damaris Braun zu bedenken. Das sei eine weitaus kostengünstigere Variante mit geringerem organisatorischen Aufwand als ein Auslandsaufenthalt. Sie appelliert daher an die deutschen Studierenden, auch mal im Seminar nach links und rechts zu gucken und ausländische Kommilitonen stärker einzubeziehen. Davon können beide Seiten profitieren.

Persönlicher Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern kann nämlich auch dazu dienen, hinter die vielen Nationalitätenklischees zu blicken. Gerade die große kulturelle Diversität an der Uni ist eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen. Die italienischen Pastavarianten sind da sicherlich nur ein kleiner Vorgeschmack.

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Gemeinschaftsproduktion von Hanna Bader, Mariya Michkova, Reyhaneh Khatami (Foto), im Seminar Journalismus crossmedial für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Horst Hildbrand

Veröffentlicht am 19. März 2014

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