„Wir wollen für das Thema weiter sensibilisieren”

„Wir wollen für das Thema weiter sensibilisieren”

Brauchen wir an der Uni Freiburg eine Frauenquote? Wie werden Frauen an der Uni Freiburg gefördert? Und wo besteht noch Handlungsbedarf? uniCross-Mitarbeiter Manuel Leidinger hat mit der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Freiburg, Dr. Ina Sieckmann-Bock, über Quotenpolitik, Maßnahmen zur Frauenförderung und zukünftige Ideen gesprochen.

Frau Sieckmann-Bock, Sie sind Gleichstellungsbeauftragte der Uni Freiburg und setzen sich dafür ein, dass Frauen im Wissenschaftsbetrieb der Uni Freiburg ausreichend vertreten sind. Wie groß ist eigentlich der Anteil von Professorinnen an der Uni?

An der Universität Freiburg sind 22 Prozent der Professuren weiblich besetzt. Das ist noch kein Viertel, allerdings liegen wir über der 20 Prozent-Marke, womit wir im Vergleich zu anderen Universitäten im Land ganz gut dastehen. Auch im Bundesdurchschnitt haben wir mittlerweile aufgeholt, da liegen wir nun über dem Schnitt.

Diese und weitere Zahlen stehen in meinem Bericht, der auf der Homepage des Gleichstellungsbüros heruntergeladen werden kann.

Wie groß sind die Unterschiede bezüglich des Frauenanteils an den verschiedenen Fakultäten?

Es gibt große fächerbedingte Unterschiede. Traditionell gibt es in den Sprachwissenschaften einen relativ hohen Anteil an Professorinnen. An der Technischen Fakultät ist der Anteil dagegen sehr gering. In der philologischen Fakultät sind zum Beispiel fast drei Viertel der Studierenden Frauen. Allerdings liegt der Anteil an Professorinnen dort nur bei 35 Prozent, das heißt nur ein Teil der weiblichen Studierenden wird Professorin. Im Vergleich dazu gibt es an der Technischen Fakultät nur wenige Frauen, die das Studium anfangen, aber der Anteil an Professorinnen ist genauso groß. Statistisch betrachtet werden also viele der weiblichen Studierenden auch hinterher Professorin. Der Vergleich hinkt natürlich ein bisschen, denn die Frauen, die hier studieren, werden später nicht unbedingt Professorin an unserer Universität.

An der Uni Freiburg gibt es einige Maßnahmen zur Frauenförderung. Könnten Sie uns die wichtigsten kurz vorstellen?

In den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern wird für Schülerinnen das so genannte Schnupperstudium angeboten. Diese werden an die Uni Freiburg eingeladen, um das Studium in diesen Fächern für ein paar Tage kennen zu lernen.

Es geht weiter mit Mentoringprogrammen für Studentinnen und darüber hinaus allgemein für Studierende. Da gibt es eine ganze Liste: Justitia Mentoring und MemPhis, um nur einige zu nennen. Weitere sind zum Beispiel KITE, das sich an vor allem an Doktorandinnen wendet und EIRA, das sich an Habilitandinnen in der Medizin richtet. In der Habilitationsphase sind im Mentoringprogramm auch Coachings und individuelle Trainings enthalten, wodurch die Frauen Soft Skills erwerben.

Weitere Frauenförderungsprogramme, die vom Land Baden-Württemberg ausgeschrieben werden und sehr erfolgreich sind, ist das Brigitte-Schlieben-Lange-Stipendium für Doktorandinnen mit Kind oder das Margarete-von-Wrangell-Programm. Letzteres wendet sich an Frauen in der Habilitationsphase. An der Universität Freiburg haben wir außerdem ein eigenes Programm. Das nennt sich STAY. Dieses überbrückt die Zeit von der Promotion zum nächsten Karriereschritt, der Postdoc-Phase oder Habilitationsvorbereitung. Die Unterstützung wird für ein Jahr gewährt, um zum Beispiel einen Forschungsantrag vorzubereiten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir unsere Fakultätsgleichstellungsbeauftragten schulen und dafür sensibilisieren, qualifizierte Studentinnen aufzufordern, schon früh Stellen als studentische Hilfskräfte anzunehmen. Das kann schließlich der Anfang einer universitären Karriere sein.

Was die Chancen auf Preise und Stipendien angeht, versuchen wir, ein in diesem Bereich herrschendes Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen auszugleichen.

Die Frauenquote ist nach wie vor ein aktuelles und heiß diskutiertes Thema. Wie ist Ihre Position zu einer Frauenquote im Wissenschaftsbetrieb?

Man muss unterscheiden, welche Art von Quoten es überhaupt gibt. Das Grundgesetz gibt den Auftrag, eine Gleichstellung zu erreichen, also auch eine Gleichstellung im Wissenschaftsbetrieb. Eine Quotierung ist insofern kritisch zu sehen, wenn sie unabhängig von der Leistung wäre. Das geht sicherlich nicht. Maßgeblich ist die wissenschaftliche Leistung, die jemand erbringt, um dann als Professorin berufen werden zu können.

Es sind allerdings eher die begleitenden Maßnahmen, mit denen momentan eine Quote umgesetzt wird. Wir haben zum Beispiel einen Berufungsleitfaden, in dem das Thema Gleichstellung beziehungsweise „Gender“ in allen Schritten der Berufung mit aufgenommen ist.

Wir wollen für das Thema sensibilisieren. Daher stellen wir Gelder bereit, wenn in einer Berufungskommission das externe Mitglied eine Frau ist, wenn bei den Vorstellungsvorträgen die Hälfte der Vortragenden weiblich ist oder wenn externe Gutachten zu 40 Prozent von Frauen verfasst worden sind. Das sind alles Maßnahmen, die indirekt eine Quotierung bedeuten.

Sie sagen also, dass es bereits eine Quotenpolitik in differenzierter Form an der Uni Freiburg gibt?

Ja und darüber hinaus haben wir die Zielquoten. Die Universität aber auch jede Fakultät erstellt regelmäßig den Struktur- und Entwicklungsplan und den Gleichstellungsplan. Darin legt jede Fakultät fest, welche Zielquote sie sich für die nächsten fünf Jahre zu den verschiedenen Karrierestufen setzt. Dazu wird der Ist-Zustand aufgeschrieben und dann noch das Ziel, welches bezüglich des Frauenanteils erreicht werden soll. Über die Erfüllung dieser Zielquoten wird regelmäßig berichtet.

Viele Frauen studieren und schlagen dann aber doch keine wissenschaftliche Karriere ein. Was hindert Frauen heutzutage daran?

Die Wissenschaft hat immer noch den Duktus der allgegenwärtigen zeitlichen Verfügbarkeit. Man muss immer präsent sein. Dies wandelt sich zwar, hindert Frauen aber immer noch daran, eine wissenschaftliche Karriere aufzunehmen. Gewisse Rahmenbedingungen wie die Kinderbetreuung, von 0 Jahren angefangen bis ins Schulalter, müssen daher institutionell ausreichend gegeben sein. An der Universität sind wir da auch schon auf einem guten Weg. Wir haben mit mittlerweile 180 Plätzen relativ viele Betreuungsmöglichkeiten. Das sind allerdings immer noch zu wenige, um dem Bedarf gerecht zu werden.

Das nächste ist die Mobilität, die natürlich mit Familie eingeschränkter ist. Außerdem ist es bis zu einer Professur ein langer Weg. Im Alter von frühestens 35, meistens erst mit 40, hat man die Chance eine feste Stelle zu bekommen. Dies beißt sich aber mit der Familienplanung und Familiengründung. Daher stellen Angebote für andere Karrierewege eine eindeutige Konkurrenz zur Wissenschaft dar.

Von den Juristen ist bekannt, dass Frauen gerne das Richteramt übernehmen, weil sie dort schneller eine sichere Anstellung bekommen. Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es auch in der freien Wirtschaft lukrative Anstellungen.

Ist Benachteiligung beziehungsweise Diskriminierung am Arbeitsplatz im Wissenschaftsbetrieb ein Thema?

Das ist schwer zu sagen. Vordergründig scheint es kein Thema zu sein. Ich denke, was tatsächlich stattfindet, ist eine unbewusste und nicht wirklich gewollte Diskriminierung. Das liegt u. a. am Verhalten von Frauen und Männern. Frauen sind zum Beispiel häufig zurückhaltender. Frauen veröffentlichen auch weniger, wenn Sie Familienaufgaben zu erfüllen haben. Wenn solche Faktoren beim Berufungsverfahren auf eine Professur nicht berücksichtigt werden, stellen diese natürlich eine Benachteiligung dar. Indirekte und unbewusste Diskriminierung gibt es, aber genau dagegen versuchen wir mit unseren Sensibilisierungsmaßnahmen anzugehen.

Was hat die Uni Freiburg anderen Unis in Sachen Gleichstellung voraus?

Ich denke, ein positives Beispiel ist unser Berufungsleitfaden. Wir führen eine proaktive Suche durch. In dem Moment, in dem ausgeschrieben wird, warten wir nicht die Bewerbung von Frauen ab, sondern gehen aktiv auf potenzielle Bewerberinnen zu und fordern sie zur Bewerbung auf. Dieses Auffordern zur Bewerbung und den anschließenden Verlauf des Berufungsverfahrens dokumentieren wir. Wir halten statistisch fest, wer von den aufgeforderten Frauen sich tatsächlich beworben und damit Erfolg gehabt hat.

Mittlerweile gibt es an vielen Hochschulen die proaktive Suche und einen Handlungsleitfaden zu gendersensiblen Berufungsverfahren. Unser Berufungsleitfaden, den es seit 2011 gibt und der jetzt überarbeitet wird, war jedoch ein Vorreiter. Ich denke, dass auch unsere verschiedenen Mentoring-Programme best-practice-Beispiele sind. MemPhis und Justitia Mentoring gibt es schon sehr lange. KITE und EIRA sind sehr erfolgreich.

Insgesamt pflegen wir an der Uni Freiburg einen offensiven Umgang mit dem Thema Gleichstellung in der Personalrekrutierung. Dazu zählt zum Beispiel, dass Professuren der Besoldungsklasse W1, also Juniorprofessuren aber auch W3 Einstiegsprofessuren insbesondere für junge Wissenschaftlerinnen geeignet sind und diese verstärkt zur Bewerbung aufgefordert werden. Die W1-Professuren sind zum Teil mit dem so genannten Tenure-Track verbunden, das heißt aus einer W1-Professur kann nach positiver Evaluation eine W3-Professur werden, die unbefristet ist.

Neuerdings werden so genannte Lecturer-Professuren diskutiert, Von diesen könnten auch Frauen profitieren. Das sind Professuren, die vornehmlich in der Lehre angesiedelt sind. Das Modell kommt aus dem Angelsächsischen und wird auch schon an einigen Hochschulen praktiziert, in dem eine Lehrkraft mit besonderen Aufgaben als Lecturer bezeichnet wird.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft – auch hinsichtlich der Frauenquote?

Ich möchte an dem Ziel weiterarbeiten, noch mehr Frauen in die Professur zu bringen. Bei den Berufungsverfahren bin ich sehr aktiv. Natürlich kann ich nicht bei allen Berufungsverfahren persönlich anwesend sein, lasse mich dann aber von den Fakultätsgleichstellungsbeauftragten vertreten und bin mit diesen in engem Kontakt. Ich möchte mich außerdem weiterhin in den Gremien, in denen ich sitze, einmischen und das Thema der Gleichstellung präsent halten. Eine verbindliche Frauenquote für Gremien ist mir ein wichtiges Anliegen, hierzu sind  Umsetzungsideen zu entwickeln.

Ich könnte mir vorstellen, dass die geteilte Professur eingeführt wird. Eine Professur könnte von zwei Personen in Teilzeit besetzt werden. Eine Professorin, die zugleich Mutter ist, kann dann Familie und Beruf leichter vereinbaren. Das ist allerdings eine Idee, die nicht ganz neu ist. Ich weiß, dass es an der Uni Köln schon solche Modelle gibt.

Ein Dauerthema ist die Durchsetzung familienfreundlicher Sitzungszeiten universitärer Gremien. Das steht zwar im Gleichstellungsplan der Universität, wird aber noch lange nicht so gelebt.

Ich muss jedes Jahr über meine Tätigkeit berichten. Dann nehme ich mir den Gleichstellungsplan vor und vergleiche den Ist-Zustand des Frauenanteils mit den angestrebten Zielquoten und weise auf Missverhältnisse hin.

 Info

Frau Sieckmann-Bock arbeitet an der Medizinischen Fakultät und ist seit April 2011 Gleichstellungsbeauftragte an der Uni Freiburg. Zu ihren zentralen Aufgaben gehören die Begleitung von Berufungsverfahren, Tätigkeiten in diversen Gremien, die Weiterbildung und Professionalisierung der Fakultätsgleichstellungsbeauftragten sowie die Beratung bei sexueller Belästigung und Stalking.

Den Bericht der Gleichstellungsbeauftragten für das Jahr 2013 gibt es unter

www.gleichstellungsbuero.uni-freiburg.de/Fotos_und_DokumenteGSB/dokumenteGSB/bericht2013

Informationen zu den Mentoringprogrammen und Frauenförderungsprogrammen gibt es hier www.gleichstellungsbuero.uni-freiburg.de/gleichstellunganuni

Mehr zum Thema auf uniCross

#Aufschrei an der Uni?

Schublade auf und rein mit dir

Entwicklung unterstützen

Foto: jung & hungrig
Büro für Werbung und Design, Freiburg
Veröffentlicht am 6. November 2014

Empfohlene Artikel