Todernste Studierende

Todernste Studierende

Jeder dritte Jurastudierende soll laut einer neuen Studie aus Erlangen die Todesstrafe befürworten. Sind Jurastudierende die neuen Scharfrichter? Zita hat sich die Umfrage genauer angesehen und im Hörsaal der Juristen nachgefragt.

Die Nachricht ging in den letzten Wochen durch die deutschen Medien, ZEIT ONLINE sprach sogar von „der neuen Generation der “Richter Gnadenlos”, den Verfassungsfeinden. Grund für den Aufruhr ist die kürzlich veröffentlichte Studie des Erlanger Strafrechtsprofessors, Dr. Franz Streng, wonach ein Drittel aller angehenden Juristen für die Todesstrafe, jeder zweite sogar für die Anwendung von Folter sei.

Christian, der Jura im 12. Semester studiert, sieht das ganz anders. Er ist Teil der Anti-Todesstrafengruppe der Amnesty International-Hochschulgruppe, die sich alle zwei Wochen in der Basler Straße 2 trifft. „Wir wollen, dass die Todesstrafe weltweit abgeschafft wird und dass niemand gefoltert wird“, erklärt der Student „obwohl das wahrscheinlich utopisch ist“. Utopisch klinge das vor allem für Regionen, in denen Diktatoren die Todesstrafe vor allem auch zu ihrem Machterhalt nutzen würden. In Europa dürfte diese Art des Strafvollzugs schon lange kein Thema mehr sein, in der Bundesrepublik Deutschland wurde sie mit dem Grundgesetz 1949 abgeschafft, in Schweden beispielsweise bereits 1921.

Studierende der Uni Erlangen befragt

Doch nach einer Umfrage des Strafrechtsprofessors Streng, der seine Studierenden an der Universität Erlangen im Zeitraum von 1977 bis 2012 zu verschiedenen rechtlichen Sachverhalten befragte, befürwortet mittlerweile jeder dritte Jurastudierende die Wiedereinführung der Todesstrafe. Jeder zweite ist sogar dafür in bestimmten Fällen Folter anzuwenden, entgegen des verfassungsrechtlichen Verbots.

In dem anonymen Fragebogen den der Professor den Studierenden jedes Jahr vorlegte, sollten beispielsweise Fragen zum Strafmaß eines Beispieldelikts, zur lebenslangen Freiheitsstrafe oder eben zur Todesstrafe beantwortet werden. Mit auf den ersten Blick erschreckendem Ergebnis: Während im ersten Jahr der Studie nur knapp 11 Prozent der Befragten die Wiedereinführung der Todesstrafe forderten, stieg die Anzahl der befürwortenden Jurastudierenden bis 2012 auf fast 32 Prozent, die in Fällen von Sexualdelikten und grausamen Mordes die Todesstrafe als angemessen erachteten.

Gefahr von Fehlurteilen

Ähnlich wie Christian kann auch Jonathan die Ergebnisse der Studie nicht nachvollziehen. Er studiert Jura im 7. Semester, sein gewählter Schwerpunkt ist Strafrecht. Er sei davon überzeugt, dass eine Einzelperson niemals ein so einschneidendes Urteil über einen anderen Menschen fällen könne, der soziale Hintergrund sei für den Urteilenden keinesfalls völlig zu erschließen und die Wahrscheinlichkeit von Fehlurteilen trotz allem viel zu hoch. Dass die Zustimmung zur Todesstrafe bei Jurastudierenden so zugenommen habe, kann sich Jonathan lediglich mit dem sozialen Druck erklären, der auf den Juristen liege.

Angehörige von Opfern eines sexuellen oder besonders grausamen Mordes fühlten oft das Bedürfnis nach Vergeltung und auch die Medien übten immensen Druck aus. Zudem gehöre es ja zur juristischen Ausbildung sich besonders genau mit den Taten zu beschäftigen. Die Details auch aus der Opferperspektive sehen zu müssen, mache es für manche Studierenden sicher nicht leicht auch den Resozialisierungsgedanken im Auge zu behalten. „Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass die Studie so repräsentativ ist“, sagt Jonathan.

Tatsächlich wurde die Studie keineswegs unter den strengen Kriterien statistischer Repräsentativität durchgeführt. So ist die Schlussfolgerung „ein Drittel aller Jurastudenten sind für die Wiedereinführung der Todesstrafe“ irreführend. Zunächst einmal nahmen ausschließlich Studierende aus Erlangen an der Befragung teil, welche darüber hinaus ausschließlich im ersten und im zweiten Semester waren. Studierende also, die noch recht wenig über das Strafrecht an sich wissen dürften. Ob die Umfrage beispielsweise unter Lehramtsstudierenden andere Ergebnisse hervorgebracht hätte, ist unklar.

Hinzu kommt außerdem, dass die explizite Frage nach der Wiedereinführung der Todesstrafe lange Zeit aus dem Fragenkatalog gestrichen war. Im Interview mit dem Tagesspiel erklärte Professor Streng, die Frage zur Todesstrafe nach der ersten Studie 1977 zunächst gar nicht mehr gestellt zu haben. Erst auf Grund von ungewöhnlichen Ergebnissen in anderen Bereichen nahm er sie 2007 und 2010 wieder in die Studie auf. Auch die Zahl der pro Jahr befragten Probanden und die Formulierungen der Fragen wurden des Öfteren variiert. Und auch die Frage nach der Folter erfolgte unter der Einschränkung, dass Menschenleben auf dem Spiel stünden oder es zur Benutzung von Massenvernichtungswaffen kommen könnte. Die Chance ihre Angaben zu begründen, wurde den Probanden zudem nicht gegeben.

Trotz allem bleiben Fragen offen: „Das Ergebnis der Studie ist schon erschreckend. Eigentlich sollten gerade die Juristen differenzierter denken“, sagt Jonathan. Genau hier könnten Diskussionen im Jurastudium ansetzen, denn Christian erklärt: „Über die Todesstrafe haben wir im Studium bisher nicht gesprochen, weil die Todesstrafe ja auch kein Thema mehr in Deutschland ist“.

Info

Ergebnisse aus der Studie wurden auf dem Rechtsmagazin Legal Tribune Online veröffentlicht: www.lto.de

Mehr zum Thema auf uniCross

Umfrage: Was denkst du über die Todesstrafe?

Foto: Sebastian Bender / Uni Freiburg
Veröffentlicht am 9. Dezember 2014

Empfohlene Artikel