Sind ausgeschlafene Studierende die besseren Studierenden?

Sind ausgeschlafene Studierende die besseren Studierenden?

Studierende und Schlaf – nicht immer eine harmonische Verbindung. uniCross hat bei PD Dr. med. Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Freiburger Uniklinik, nachgefragt, wie wichtig Schlaf für uns ist und ob wir während des Schlafens lernen können.

Herr Dr. Nissen, ist Lernen im Schlaf möglich?

Ja, Schlaf ist ein wichtiger Faktor beim Lernprozess. Während wir schlafen, werden die zuvor erlernten Inhalte mit bereits bestehendem Wissen vernetzt und im Langzeitgedächtnis verfestigt. Schlaf spielt beim Lernen eine große Rolle.

Es gibt doch aber auch Schüler oder Studierende, die sich den Lernstoff eine Nacht vor der Prüfung aneignen und damit gut durchkommen?

Diese Inhalte bleiben dann aber nur im Kurzzeitgedächtnis. Bei der Klausur ist der Stoff noch vorhanden, richtig in bereits bestehendes Wissen integriert und vernetzt  ist er aber nicht, deshalb eignet sich diese Methode nicht für komplexere Lernstoffe.

Was ist dran an der Behauptung, dass Müdigkeit die Kreativität fördert?

Wenn wir müde werden, reagiert der vordere Bereich unserer Hirnrinde, der sogenannte frontale Kortex besonders sensitiv darauf. Dieser Bereich ist verantwortlich für unser rationales Denken und die kognitive Kontrolle. Sind wir müde, ist das die erste Hirnregion, die schlechter funktioniert.Bei Schlafmangel, oder wenn man unter dem Einfluss von Drogen steht und auch im Traumschlaf nehmen unsere kognitive Kontrolle und unser rationales Denken ab und das wiederum kann Kreativität begünstigen.

Kreativität ist ein Prozesse bei dem bisheriges Wissen in überraschender Weise neu zusammen gebaut wird, sodass zum Teil neue Einsichten entstehen –  aber diese müssen nicht zwingend nützlich sein, sondern dabei kann auch einfach Müll herauskommen.

Studierende haben nicht immer den gleichen Tagesablauf, manche Vorlesungen beginnen früher, andere später, sollten sie trotzdem geregelte Schlafenszeiten haben?

Ein geregelter Tag-Nacht-, Wach-Schlaf- Rhythmus ist wichtig. Die Schlafzeit ist von Person zu Person unterschiedlich. Es gibt die populäre Einteilung in Eulen, also Menschen mit einer Nachtpräferenz, und Lerchen, Menschen mit einer Morgenpräferenz. Diese Präferenzen können sich aber auch mit dem Alter verschieben.

Für eine Eule, also einen Abendtyp, wäre es von Vorteil, wenn sie die Gelegenheit hat, morgens auszuschlafen. Meist müssen sich die Eulen ihren sozialen Gegebenheiten anpassen oder aber sie können sie selbst so formen, dass sie morgens genügend Schlaf bekommen.

Ist ein umgekehrter Rhythmus, also arbeiten oder feiern in der Nacht und schlafen am Tag auch in Ordnung?

Grundsätzlich ist ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus besser für die Gesundheit, junge, gesunde Menschen können allerdings auch viel kompensieren und Phasen, in denen der Rhythmus vertauscht ist, gut wegstecken. Es gibt aber auch Menschen, die veranlagungsbedingt schlecht auf einen vertauschten Schlaf-Wach-Rhythmus oder zu wenig Schlaf reagieren, gereizter werden, unter Strom stehen oder sogar depressiv werden können.

Wie steht es mit dem Nickerchen am Mittag, gut oder schlecht?

Power-Naps sind durchaus zu empfehlen, selbst während eines kurzen Mittagschlafs findet eine Verarbeitung und Verknüpfung im Gehirn statt und man ist aufnahmebreit für Neues.

Es gibt übrigens eine Reihe von Hinweisen, dass früher auch polyphasisch – also in mehreren Phasen über den Tag verteilt – geschlafen wurde. Auch heute noch gibt es indigene Völker, die solche polyphasischen Schlafmuster aufweisen, wie Kleinkinder oder ältere Menschen. Eine gewisse Varianz bei den Schlafmustern ist also schon möglich, in unserer westlichen Gesellschaft aber schwierig umzusetzen.

Wenn man eine anstrengende Arbeitswoche mit zu wenig Schlaf hatte, kann man den Schlaf am Wochenende nachholen, könnte man sich umgekehrt auch für ein paar anstrengende Tage wappnen und den Schlaf vorholen?

Für wenige Tage ist Schlaf vorholen oder nachholen möglich. Länger als zwei bis drei Tage hält das Schlafpolster aber nicht an.

Ist zu denn zu viel Schlaf ungesund?

Es ist nicht wirklich möglich zu viel zu schlafen, weil wir uns immer in einem schlaf-wach-abhängigen-Prozess befinden. Die individuelle Schlafdauer kann von fünf bis elf Stunden reichen.

Es kann ungesund sein, wenn man zu viel im Bett rumliegt, döst und den ganzen Tag über nicht aktiv ist, aber der Glaube, dass zu viel Schlaf ungesund ist, wird von unserer leistungsorientierten Gesellschaft vorgegeben und ist wissenschaftlich nicht begründet. Nur wenn sich die Schlafdauer auf einmal verändert, kann dies ein Indikator für eine Erkrankung sein.

Woher weiß ich denn, wie viel Schlaf ich brauche?

Die individuelle Schlafdauer kann man prüfen, indem man über mehrere Tage hinweg ohne äußerliche Vorgaben und in einem geregelten Rhythmus schläft. Das kann in den Ferien ausprobiert werden, das Wochenende reicht dafür aber nicht aus. Gegen die individuelle Schlafdauer kommt man nicht an, das ist wie wenn man eine Zeit lang zu große oder zu kleine Schuhe trägt, auf Dauer spürt man die Auswirkungen.

Manche der Studierenden würden gerne mehr schlafen, finden abends aber einfach nicht zur Ruhe. Haben Sie einen Rat gegen Schlaflosigkeit?

Zunächst einmal sollten sie einfache Hinweise zum Schlafverhalten beachten: Schlafdruck aufbauen also im Falle von nächtlichen Schlafstörungen auf Tagschlaf verzichten, ausreichend Bewegung und Tageslicht über den Tag, die Bettzeit nicht ausdehnen und wach im Bett liegen, sonst verbindet man das Bett mit wach sein.

Auch nachts sollte man sich nicht lange Zeit wach im Bett rumwälzen, sondern aufstehen und etwas machen, das den Schlaf fördert und erst wieder ins Bett gehen wenn man müde ist. Außerdem sollte man auf Alkohol und Schlafmedikamente verzichten, weil beides auf die Dauer gesehen nicht gut ist und zu Durchschlafstörungen führt oder abhängig macht. Wenn dies alles beachtet wurde und immer noch Schlafstörungen auftreten, empfiehlt sich das Erlernen von Entspannungsverfahren wie Yoga oder autogenes Training.

Wenn dies auch nicht hilft, sollte man sich in eine kognitive Verhaltenstherapie begeben bei der man lernt, wieder richtig zu schlafen. Wir haben hier in der Klinik eine Schlaf-Sprechstunde und eine Telefonnummer für Menschen mit schweren Schlafstörungen. Insomnie ist übrigens recht häufig, mindestens zehn Prozent der Menschen haben diese Schlafstörung im Laufe ihres Lebens.

Zur Person

Portrait-Ausschnitt-1bearbPD Dr. med. Christoph Nissen ist geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Freiburg und ärztlicher Leiter des Schlaflabors, er leitet die Forschungsgruppe “Schlaf und Plastizität” und ist Lehrbeauftragter der Klinik.

 

Info

Wer sich für die Spezialsprechstunde für Schlafstörungen interessiert, findet hier alle Infos:

www.uniklinik-freiburg.de/psych/ambulanzen/schlafstoerungen.html

Foto: Teaser: Sarah Beha
Dr. Nissen: privat
Autoren:
Veröffentlicht am 5. Februar 2015

Empfohlene Artikel