Nach dem Studium Familienoberhaupt werden

Nach dem Studium Familienoberhaupt werden

Andere Länder, andere Sitten?! Wie leben Studierende beispielsweise in Asien? Cici stammt aus Kalimantan und macht gerade ihr erstes Unisemester auf der indonesischen Insel Java. Sie erzählt von ihrem Leben zwischen elterlichen Wünschen, schmutzigen Wohnheimküchen und universitären Erwartungen.

Es ist acht Uhr morgens, keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Es hat schon gefühlte 25 Grad als ich Cici zum Gespräch treffe. Ich bin froh, dass sie sich für eine Sitzgruppe unter einem großen Baum entschieden hat, so sind wir nicht der prallen Sonne ausgesetzt. Mir gegenüber sitzt eine junge Frau mit Brille, tiefschwarzem Bob mit keckem Pony und ebenso tiefschwarzen Augen. Sie steht auf Heavy Metall und Japanischen Rock und besitzt eine solche Ausstrahlung, dass mir erst nach einer Stunde auffällt, wie klein sie eigentlich ist. „Ich bin nur 1,43 Meter groß, viele halten mich für 12“, sagt sie lachend.

Die 19-Jährige studiert seit einem Semester Anthropologie an der Universitats Gadjah Mada (kurz UGM) in Yogyakarta, Indonesien. Die Universität gilt als eine der renommiertesten staatlichen Hochschulen des Landes. „Leute fragen mich: ‚Studierst du an der UGM? Wow, es ist so schwer angenommen zu werden!‘ Und dann bin ich so dankbar!“, sagt Cici. Sie erzählt, dass jährlich von circa 300.000 Bewerbern 9.000 angenommen werden. Die Universität sei so groß, dass sie sich anfangs verlaufen habe.

„Meine Mutter wollte immer an die UGM“, sagt sie. Ihre Mutter hatte auch den Wunsch, dass sie einmal in einer Botschaft arbeiten würde. „Es gibt viele, die das studieren, was ihre Eltern aussuchen. Das ist auch gut, aber ich denke, man sollte auf sich selbst hören“, sagt sie. Deshalb waren ihre Eltern zwar überrascht, als sie erfuhren, dass ihre Tochter Anthropologie studieren wird, aber auch sehr stolz.

Von Borneo nach Java

Cici kommt aus Palangkaraya, einer Stadt in Kalimantan, dem indonesischen Teil der  indonesischen Insel Borneo. Ihr Vater hat sie in die neue Stadt begleitet. Yogyakarta und Palangkaraya trennen 850 Kilometer beziehungsweise eine Reise von sechs Stunden mit Bus und Flugzeug sowie Kosten zwischen 480.000 und einer Million Rupiah. Umgerechnet sind das 30 bis 60 Euro. Zum Vergleich: Ein Zimmer im Studentenwohnheim kostet im Monat zwischen 15 und 30 Euro.

An ihren ersten Tagen in der Universität war sie sehr nervös, sie musste sich erst an die Atmosphäre und die Umgebung gewöhnen.  Manche Dozierende achten beispielsweise sehr auf die Kleiderordnung: Bluse, geschlossene Schuhe, lange Hosen. Wegen ihrer Größe, muss sie in der ersten Reihe sitzen. „Sonst sehe ich den Dozenten nicht und schlafe ein“, sagt sie. „Und bei meiner ersten Stunde hatte ich ein T-Shirt an, das keinen Kragen hatte. Als der Dozent mich angeschaut hat, habe ich mich so geschämt und habe dann ganz langsam meine Jacke bis nach oben geschlossen“, sagt Cici lachend.

In Yogyakarta lebt sie zusammen mit anderen Mädchen aus Borneo in einem regionalen Asrama Mahasiswa, einem Studentenwohnheim. Jungs dürfen zwar zu Besuch kommen, aber nicht in die Zimmer und müssen das Haus spätestens um zehn Uhr abends wieder verlassen.

Zimmer ohne Fenster

Als ich sie in ihrem Wohnheim besuche, bietet sie mir Kaffee oder Milch an. Milch klingt gut! Wir gehen in die Küche und sie stellt Wasser auf. Während wir darauf warten, dass das Wasser kocht, erzählt sie mir, dass sie sich ihr eigenes Geschirr gekauft hat, weil ihre Mitbewohnerinnen nicht immer sauber machen – das klingt irgendwie vertraut. Von ihrem nächsten Geld will sie sich eine eigene Pfanne kaufen. Dann bekomme ich meine Milch: Milchsirup in heißem Wasser aufgelöst, typisch indonesisch!

Cici teilt sich ein Zimmer mit einem anderen Mädchen. Weil sie beide Neulinge sind, mussten sie auf die Seite des Flurs, auf der die Zimmer keine Fenster haben. „Die bekommen die älteren Studentinnen“, sagt Cici. An der Wand ihres Zimmers hängt ein Plakat ihres Lieblings-Gitarrenspielers, neben der Matratze stehen ihre Koffer, an der anderen Wand ihr Schreibtisch, dazwischen ist für die Muslimin genug Platz zum Beten.

Cici vermisst die Freunde und die Schwestern

War es schwer für sie, Borneo zu verlassen? „Es war aufregend, aber auch traurig weg zu gehen“, sagt Cici. Sie vermisst ihre besten Freunde und ihre beiden Schwestern. „Gestern habe ich angerufen, aber meine kleine Schwester war nicht da. Sie kann jetzt Fahrradfahren und ich würde sie so gerne fahren sehen!“ Wegen ihren Schwestern müsse sie sich an der Universität besonders anstrengen. „Mein Vater hat gesagt, dass ich das nächste Familienoberhaupt bin und vielleicht für die Ausbildung meiner Schwestern zahlen muss.“ Setzt sie das unter Druck? Nein, sagt sie. Ihre Schwestern seien ihre stärkste Motivation und machen sie glücklich. „Am Telefon streiten sie sich immer, wer mit mir sprechen darf“, sagt sie lachend.

Was der größte Unterschied zu ihrer Heimatstadt sei? „Das Essen ist in Yogyakarta so viel günstiger. Nasi goreng mit Getränk kostet in Yogyakarta 10.000, zuhause 15.000 Rupiah.”

Neben dem Studium arbeitet sie jeden Tag drei Stunden in einem Angkringa – einem Restaurant-Wagen, bei dem in der Mitte gekocht wird und drumherum die Gäste essen. An der Universität hat sie ein Stipendium und ihre Eltern schicken ihr jeden Monat Geld. „Das Geld gebe ich aber nur für Bücher für die Uni aus, alles andere möchte ich selbst bezahlen“, sagt Cici. Am liebsten wäre es ihr, wenn sie Ihren Eltern Geld schicken und ihre kleinen Schwestern unterstützen könnte. Im Studium möchte sie Spaß haben und ihr Bestes geben, damit sie einen guten Job ergattern kann – was das sein könnte, weiß sie aber noch nicht.

Bildergalerie

Zum Vergrößern ein Foto anklicken.

Infos

Im Inselstaat Indonesien leben ungefähr 245 Millionen Menschen. Die Währung ist die indonesische Rupiah. Ein Euro entspricht etwa 15.000 Rupiah. Die Amtssprache ist Bahasa Indonesia, daneben werden zusätzlich zahlreiche lokale Sprachen gesprochen.

2014 waren nach Angaben des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD) circa 3,2 Millionen Studierende in einer Hochschule eingeschrieben. Der Anteil der weiblichen Studierenden lag 2013 bei 46,09 Prozent. Im gleichen Jahr machten knapp über 485.000 Studierende ihren Bachelorabschluss.

Sabina traf Cici über Freunde am Campus der UGM. Dort verbrachte sie im Sommer 2014 sechs Wochen im Rahmen der deutsch-indonesischen Lehrforschungskooperation der UGM und dem Institut für Ethnologie der Uni Freiburg. Die Kooperation bietet die Möglichkeit in interdisziplinären und interkulturellen Teams ein Forschungsprojekt zu bearbeiten. Dies findet abwechselnd in einem Jahr in Freiburg, im folgenden Jahr in Indonesien statt. Im Juni 2015 kommen zehn Indonesische Studierende nach Freiburg.

Nähere Infos zum Projekt: ethno.uni-freiburg.de

Fotos: Sabina Kist
Autoren:
Veröffentlicht am 26. Februar 2015

Empfohlene Artikel