Das 50.000 Euro Buch

Das 50.000 Euro Buch

Die Uni Freiburg hat ein Buch aus ihrer Gründungszeit erworben – die Freiburg-Wiener Statuten. Nun sollen die Statuten aus den 1460er Jahren erforscht, restauriert und ausgestellt werden.

Es liest sich wie ein Krimi: Ein Basler Antiquariat kontaktiert die Uni Freiburg im vergangenen Herbst. Es geht um einen handgeschriebenen Band, eingebunden in Leder, verziert mit Bronzebeschlägen.

Das Antiquariat schickt noch Fotos von dem Buch, dann ist Dieter Speck sich sicher. Er identifiziert den Handschriftenband als die Freiburg-Wiener Statuten. Prof. Dieter Speck leitet das Universitätsarchiv, er kennt sich aus mit Archivalien, geschichtsträchtigen Dokumenten und alten Büchern.

Und die Statuten sind alt. Über 500 Jahre. Sie stammen aus der Gründungszeit der Universität Freiburg im 15. Jahrhundert. Dieter Speck wusste nichts von ihnen, bis das Basler Antiquariat sich bei der Uni Freiburg meldete.

Das Wissenschaftsministerium steuert 35.000 Euro bei

Die Uni war sich sicher, dass sie die Statuten erwerben wollte. Das Antiquariat gewährte ihr für eine bestimmte Zeit ein Vorverkaufsrecht. Nun musste es schnell gehen.

Das Rektorat kontaktierte das Wissenschaftsministerium in Stuttgart. Innerhalb einer Woche bewilligte das Ministerium einen Zuschuss von 35.000 Euro. „Das ging ganz unbürokratisch und schnell über die Bühne“, erklärt der Vizerektor Prof. Gunther Neuhaus.

Die anderen 15.000 Euro bezahlte die Uni aus eigener Tasche, macht unterm Strich ein 50.000 Euro-Buch. Wie der Preis zustande kam, verriet der Antiquar nicht. „Aber: Es war aber ein Schnäppchen“, sagt Speck.

Die Gründungsprofessoren der Uni kamen aus Wien und Heidelberg

Vor 500 Jahren gehörte Freiburg noch zu Vorderösterreich. Herzog Albrecht VI. von Österreich gründete die Universität Freiburg im Jahr 1457.

Die ersten Professoren der neugegründeten Uni kamen je zur Hälfte aus Wien und Heidelberg. Warum? In Heidelberg befand sich die nächstgelegene Hochschule, in Wien existierte bereits eine erste habsburgische Universität.

Womöglich brachten die Wiener Professoren den Statutenband nach Freiburg. Dieter Speck äußert sogar eine konkretere Vermutung: Vielleicht kamen die Statuten in den 1470er über Nikolaus Matz, der 1475 sein Amt als Rektor der Uni antrat, nach Freiburg.

Nikolaus Matz besaß eine große Privatbibliothek. Viele seiner Bücher sind bis heute erhalten. Der Wiener Buchbinder, der Matz Bücher mit einem Einband versah, schlug auch die Freiburg-Wiener Stauten ein. Die Statuten umfassen 132 Pergament-Seiten, sind in Leder gebunden und von außen mit Bronzebeschlägen verziert.

Mit Ochsenblut und Eisengallustinte geschrieben

„Die Bezeichnung „Freiburg-Wiener Statuten“ berücksichtigt daher die Herkunft des Bandes ebenso wie seine Funktion: Er enthält zwar die Statuten der Universität Wien, diente aber in Freiburg als Vorlage oder Nachschlagewerk“, schreibt die Uni Freiburg dazu.

Ein Etikett auf dem Buchrücken deutet darauf hin, dass die Statuten im 18. Jahrhundert einer Privat- oder Fakultätsbibliothek standen. Wie sie nach Basel gelangten, wolle der Antiquar aber nicht verraten, sagt Dieter Speck.

speck

Prof. Dieter Speck fasst den Statutenband nur mit Samthandschuhen an.

Der Verfasser der Stauten ist noch unbekannt. Welche Mühen er auf sich nahm, lässt sich aber trotzdem nachvollziehen: Er schrieb den Statutenband von Hand in kalligraphisch anmutender Schrift, verwendete Ochsenblut für rote Buchstaben und für die schwarzen Eisengallustinte – ein Gemisch aus Pflanzensäften und eisenhaltigen Salzen.

Ob die Statuten in Mittel- oder Neulatein verfasst sind, muss noch geklärt werden. Eine Aufgabe für einen Altphilologen. Speck möchte die Statuten von den uni-eigenen Latein-Instituten wissenschaftlich untersuchen lassen.

Die Statuten beschreiben den Aufbau der Universität

Wer brachte nun die Statuen nach Freiburg? Wer schrieb sie und in welcher Sprache? Wieso verließen die Statuten die Uni Freiburg wieder? Und wie gelangte der Basler Antiquar in ihren Besitz?

Die Freiburg-Wiener Statuten werfen zwar noch zahlreiche Fragen auf, erlauben aber auch Einblicke in das Freiburger Universitätsleben im 15. Jahrhundert.

Auf der ersten Seite des Bandes steht der Anfang des Johannesevangeliums. Wer sein Studium in Freiburg begann, legte seine Hand auf diese Seite und schwor den Immatrikulationseid der Uni Freiburg.

Mit diesem Schwur musste er keinen Militärdienst mehr verrichten und unterstand der Gerichtsbarkeit der Universität, die damals eine Art „Staat im Staate“ gewesen war, erklärt Speck. Dieses Ritual war übrigens in ähnlicher Weise bis 1969 üblich.

In den Statuten steht außerdem, aus welchen Fakultäten die Universität sich in ihrer Gründungszeit zusammensetzte. Die Artistenfakultät Philosophie stellte eine Art Basisstudium dar, das jeder absolvieren musste.

Danach durfte jeder Student sein Studium an einer der drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin aufnehmen. Die Theologie, sagt Speck, war am prestigeträchtigsten, da sie Gott am nächsten stand. Dann folgten die anderen beiden.

Ausstellung im Uniseum geplant

Die Freiburg-Wiener Statuten sind zwar schon 500 Jahre alt, dafür aber ziemlich gut erhalten. Dennoch wurden bereits kleinere Restaurierungsarbeiten in Auftrag gegeben. „Beispielsweise soll der Verschluss wieder angesetzt werden“, sagt Dieter Speck.

Wenn der Statutenband gerade nicht restauriert oder erforscht wird, soll er auch zeitweise im Uniseum zu sehen sein. Wann das genau sein wird, ist zwar noch nicht bekannt, aber Vizerektor Gunther Neuhaus ist sich bereits sicher „dass sich viele Menschen den Band ansehen werden.“

Info

Das Uniseum Freiburg zeigt in seinen Räumen Exponate aus über 500 Jahren Universitätsgeschichte.

Wo: Uniseum Freiburg, Bertoldstraße 17
Wann: Do, Sa 14 – 18 Uhr, Fr 14 – 20 Uhr
Infosuniseum.uni-freiburg.de

Nicht Michael, sondern Nikolaus Matz könnte die Statuten nach Freiburg gebracht haben. Er war nicht der 1. Rektor der Uni, sondern vermutlich erst der 31. Geändert am 28.4.15

Foto: Hanno Müller
Autoren:
Veröffentlicht am 18. März 2015

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