Sich häutende Oberflächen

Sich häutende Oberflächen

Diese Idee könnte medizinische Geräte revolutionieren: Die Chemikerin Karen Lienkamp forscht an der Uni Freiburg an Oberflächen, die sich häuten wie eine Schlange. So einfach die Idee ist: In der Praxis gibt es noch einige Probleme.

Ein zerkratztes Handy-Display ist ziemlich ärgerlich. Wäre es nicht praktisch, wenn sich das Display von selbst reparieren würde? Im Prinzip forscht die Chemikerin Karen Lienkamp an Oberflächen, die genau das können – nicht bei Handys, aber für die Medizin.

Dort sind versagende Oberflächen ein großes Problem. Zum Beispiel wenn sich Bakterien an einem Katheter festsetzen, führt das zu Infektionen. Die Folge: Katheter müssen häufig ersetzt werden. Das ist umständlich und unangenehm.

Oberflächen, die sich selbst erneuern

„Wir wollen eine Oberfläche herstellen, die sich selbst erneuert“, sagt Karen Lienkamp. Die Chemikerin forscht am Institut für Mikrosystemtechnik und hat für die Umsetzung dieser Idee1,49 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC) erhalten.

Es gibt schon Oberflächen, die sich selbst abbauen, allerdings passiert dies nicht einheitlich. Es entstehen Löcher und Krater – in diese können sich Bakterien noch besser festsetzen. „Wir versuchen dieses Problem eine Schicht tiefer zu lagern. So wollen wir ein System erschaffen, das immer wieder neue und glatte Oberflächen hervorbringt“, erklärt Karen Lienkamp.

Abbau mit dem Drei-Lagen-Prinzip

Konkret: Die oberste Schicht eines Katheters könnte aus einer antimikrobiellen Oberfläche bestehen. Die Schicht darunter aus einer Substanz, die sich langsam, aber kontrolliert, abbaut. Wieder darunter eine neue antimikrobielle Schicht.

Bei diesem Drei-Lagen-Prinzip löst sich nach gewisser Zeit die mittlere Schicht soweit auf, dass sie mitsamt der oberen Schicht abgelöst wird. Die darunter liegende Schicht kommt zum Vorschein und kann wieder antimikrobiell wirken.

„Wir sprechen hier von Schichten mit einer Dicke von etwa 100 Nanometern“, sagt Karen Lienkamp. Damit sind die Schichten etwa 600mal dünner als ein menschliches Haar. Um solche dünnen Schichten herzustellen sind bestimmte chemische Verfahren notwendig: Zum Beispiel das Tauchbeschichten mit Hilfe von Lösungen.

Erste Erfolge

„Die Schichten sind eine Herausforderung – sie müssen ebenmäßig sein und fest genug aneinander haften“, sagt die Chemikerin. Einen ersten Erfolg hatten sie und ihr Forscherteam aber schon. Sie konnten beweisen, dass ihre Grundidee funktioniert: Eine Schicht hat sich im Versuch abgebaut und die darunter liegende Schicht hatte noch die gleichen antimikrobiellen Eigenschaften wie die zuvor abgebaute Schicht.

„Jetzt müssen wir prüfen, ob das auch mehrmals hintereinander klappt“, sagt Karen Lienkamp. Vor allem die physikalischen Kräfte zwischen den Schichten sind dabei ein Problem.

„Zumindest theoretisch wollen wir aber erforschen, wie sich ein Schichtsystem in Nano-Größe abbaut.“ Durch den Starting-Grant des ERC, eine Art Anschubfinanzierung, ist das Team relativ unabhängig und kann risikohafte Forschung betreiben – die durchaus scheitern kann.

„Unser Projekt wird zeigen: Ist das alles Science-Fiction oder auch in der Realität praktikabel“, sagt Lienkamp. Dass ihre Forschung bei verkratzen Handy-Displays helfen kann, hält sie aber jetzt schon für unwahrscheinlich: „Das wäre viel zu teuer. Ich denke wir bleiben beim medizinischen Einsatz“.

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Autoren:
Veröffentlicht am 28. April 2015

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