Es könnt’ alles so einfach sein – ist es auch!

Es könnt’ alles so einfach sein – ist es auch!

Was haben ein App-Entwickler und eine Mitarbeiterin des Freiburger Ökoinstituts gemeinsam? Sie beide wollen hartnäckige Argumente gegen einen bewussten und nachhaltigen Lebensmittelkonsum aus dem Weg räumen und sind der Ansicht: Eine Ernährungsumstellung ist weder teuer noch umständlich.

Nachhaltig leben ist in. Ob das nun bedeutet, jeden Samstag auf dem Markt einzukaufen, Falafeldöner der Fleischvariante vorzuziehen oder sich bei der Benutzung von Plastiktüten in Grund und Boden zu schämen – das Umsetzen ist so individuell wie die Begriffsauslegung selbst.

Möchte man nachhaltiger leben, lohnt es sich, ökologische, gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte ganzheitlich zu betrachten. Vor allem mit unserem Ernährungsstil beeinflussen wir Umweltveränderungen erheblich. So wirkt sich zum Beispiel unser Fleischkonsum nicht nur direkt auf die Bedingungen der Tierhaltung aus, sondern auch auf längerfristige Folgen durch das von Rindern produzierte Treibhausgas Methan.

Häufig stolpert man im Alltag jedoch über kritische Einwände mit den Fragen nach Kosten und Aufwand einer nachhaltigen Ernährung.

Zu teuer?

Dr. Jenny Teufel, Biologin und Mitarbeiterin am Ökoinstitut in Freiburg, ist sich sicher: „Der Verbraucher von heute ist sich der Folgen seines Handelns weitestgehend bewusst. Viele möchten daher wissen, wo ihr Essen herkommt und sind bereit für mehr Qualität auch einen höheren Preis zu zahlen.“

Dass man aber gar nicht unbedingt mehr dafür bezahlen muss, beweisen die Ergebnisse einer kürzlich erschienenen Studie des Ökoinstituts „Ist gutes Essen wirklich teuer?“. Hierbei wurde das Essverhalten des deutschen Durchschnittsbürgers mit dem von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Musterspeiseplan verglichen. Das Ergebnis: Die eigene Ernährung hin zu biologischen und fair gehandelten Lebensmitteln umzustellen, kostet im Monat etwa 7 Euro mehr.

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Jenny Teufel engagiert sich für eine bewußte und nachhaltige Ernährung.

Wie das möglich ist? In der Studie spielt nicht nur der direkte Preis eines Lebensmittels eine Rolle. Mit einberechnet werden vor allem auch die so genannten „versteckten Kosten“. Das sind solche, die die Gesellschaft längerfristig für Gesundheitsschäden einer nicht nachhaltigen Produktionsweise und Ernährung tragen müsse.

Zum Beispiel führt der erhöhte Einsatz von Antibiotika in der konventionellen Tierhaltung in unserer Gesellschaft vermehrt zu Antibiotikaresistenzen, was das Behandeln bakteriell verursachter Krankheiten problematischer macht. Dass in der Konsequenz neue Medikamenten erforscht und entwickelt werden, finanziert unter anderem der Steuerzahler.

In der Praxis mag es manchmal schwer umsetzbar sein, am Ende des Monats seine letzten Groschen für ein reines Gewissen und das Wohlergehen nächster Generationen zu zahlen.

Laut Dr. Teufel gibt es beim Umsetzen eines nachhaltigen Ernährungsstils zwei Dinge, die wirklich einen Unterschied machen. Einer davon ist die Reduktion des Fleischkonsums. Auf umweltbelastende Faktoren, wie die Tierfütterung mit Soja und anderen importierten Futtermitteln und das damit verbundene Roden von Land oder der direkte Methanausstoß von Rindern, nehme man mit seinem Essverhalten Einfluss.

Hierbei wird kein strenger Vegetarismus befohlen, jedoch beinhalte der Musterspeiseplan ausschließlich den Genuss von Biofleisch und das nicht öfter als zweimal pro Woche. Füllen könne man den Teller dann umso üppiger mit bestenfalls regional angebautem Obst und Gemüse sowie mit Hülsenfrüchten, Getreide- und Milchprodukten. Dies tue nicht nur der Landwirtschaft in der Umgebung gut, sondern verringere die Krankheitsrisiken, die mit einer zu fleischlastigen Ernährung einhergingen.

Nicht minder wichtig sei grundsätzlich aber auch, wie viel von den gekauften Lebensmitteln schlussendlich verbraucht werden, denn in Deutschland lande auch heute noch jedes achte eingekaufte Lebensmittel im Abfalleimer. Hier könne schon ein Blick in Restekochbücher und Foodblogs die eigene Kreativität ankurbeln.

Zu umständlich?

Eine ganz praktische Umsetzungshilfe des nachhaltigen Einkaufs bietet „mAppetizing“. Im Herbst 2014 gewannen zwei Freiburger Studierende des Masterstudiengangs Environmental Governance damit den Universitätspreis für besonderes studentisches Engagement. Die Smartphone-App funktioniert wie ein Lebensmittelkompass, der den Nutzer zu Freiburgs Bioläden, Fairtrade-Cafés oder der nächstgelegenen Streuobstwiese navigiert. Diese sind durch einfache Symbole auf einer Karte gekennzeichnet.

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mAppetizing: Die App als Lebensmittelkompass.

Für Philipp Gassner, Mitentwickler der App, wird nachhaltiger Lebensmittelkonsum durch drei Begriffe charakterisiert: Bio, regional und fair. Einen Einkauf vor dem Hintergrund dieser Grundgedanken möchte er mit der App einfacher machen.

mAppetizing ist kostenlos in jedem App-Store verfügbar und lädt dazu ein, einmal die Nachhaltigkeitssymbole im eigenen Wohnviertel aufzustöbern.

Video

Glossar: Was ist was?

Was verbirgt sich hinter den Begriffen bio, saisonal, und regional? Ein Erklärungsversuch von Dr. Jenny Teufel

Bio

Alles, was von der Europäischen Union mit dem Biosiegel versehen wird, unterliegt strengen Kontrollen und klaren Regelungen zu Tierhaltung, zum Beispiel dem Einsatz von Düngermitteln und Pestiziden.

Regional

Beim regionalen Einkauf bekommt die Herkunft der konsumierten Nahrungsmittel ein Gesicht. Man kann sich selbst ein Bild von den Anbaubedingungen machen, hat einen persönlichen Bezug und vertraut somit dem Landwirt vielleicht mehr als einem Aufkleber. Ein Vorteil des regionalen Einkaufs sind vor allem die geringen Transportwege.

Saisonal

Saisonal Essen geht Hand in Hand mit dem regionalen Einkauf. Auf Regionalität zu achten bedeutet, sich mit den Erntezeiten von Obst und Gemüse auseinanderzusetzen und im Winter bereit zu sein, eher mit Weißkohl, Feldsalat und Chicorée zu kochen, als mit der Aubergine aus Israel.

Mehr Infos

Alle Infos zu Appetizing: www.mappetizing.de/

Hier gibt es einen Kalender zur saisonalen Ernährung: www.regional-saisonal.de/saisonkalender-gemuese

Zum Spendenprojekt des Ökoinstituts: www.oeko.de/presse

Mehr zur App auf uniCross

Kompass für nachhaltigen Konsum

Gemeinschaftsproduktion von Mirjam Lober, Caroline Riesterer, Julia Weber, Jana Trietsch (Fotos) im Seminar „Einführung in den crossmedialen Journalismus“  für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Horst Hildbrand

Veröffentlicht am 26. Mai 2015

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