Karriere mit Bart und Kreativität

Karriere mit Bart und Kreativität

Fair produzierte Babyalpaka-Mützen, handgemachter Schmuck oder ein auf Crowdfunding basierender Buchverlag – junge Menschen mit kreativen Ideen gibt es nicht nur in Berlin oder Leipzig. Auch Freiburg beheimatet so einige schlaue Köpfe, die sich mit Kreativität und Leidenschaft ihre Karriere basteln. Für sie gibt es seit kurzem einen neuen Begriff: Die Yuccies. Mit Video & Bildergalerie.

2015 tauchte im Internet erstmals der Begriff „Yuccie“ auf. Er steht für den „Young Urban Creative“ – eine Mischung aus dem mittlerweile eher verpönten Hipster und dem „Young Urban Professional“, dem Yuppie. Der Yuccie vereint den Style und das Aussehen des Hipsters mit der Professionalität und dem Karrierebewusstsein des Yuppies. Zwar tragen sie den gleichen Dreitagebart und ähnliche Vintage-Jeansjacken, aber anders als der eher desinteressierte und hauptsächlich konsumorientierte Hipster, ist der Yuccie karriere- und erfolgsorientiert.

Die Ansprüche dieser Kultur passen gut zur jungen Generation – sich schon im Studium nicht nur auf eine Profession zu beschränken, sondern sich interdisziplinär auszurichten und vielfältiges Engagement in unterschiedlichen Bereichen zeigen. Dabei sieht natürlich nicht jeder, der kreativ arbeiten und Karriere machen möchte, aus wie ein perfekt durchgestylter Hipster. Und natürlich gibt es auch Yuccie-Frauen.

Die kreative Gründerszene in Freiburg

Aber wo findet man die jungen Kreativen in Freiburg? Martina Knittel und Hagen Krohn kommen beide aus dem Gründungs- und Nachhaltigkeitsbereich und bieten seit 2013 in Freiburg mit dem Co-Workingspace Grünhof einen Ort für kreative Köpfe und Karrieren.

„Wir haben uns einen offenen Raum für die junge Gründerszene hier gewünscht. Während die meisten Leute, die in unserem Bereich arbeiten möchten, eher nach Hamburg oder Berlin abwandern, wollten wir lieber in Freiburg bleiben. Also mussten wir uns eben selbst einen solchen Raum schaffen.“ Der Grünhof beherbergt aktuell rund 80 Personen, darunter Freelancer im Kreativbereich, Graphikdesigner und Filmemacher, Ghostwriter und Start-ups in unterschiedlichen Phasen. Die Idee des Co-Workingspace ist Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung. Martina und Hagen helfen als „Hosts“ beim Netzwerken und stellen bei Bedarf den Kontakt zu anderen Firmen her.

Die Gründer des Grünhofs planen für die Zukunft, das Projekt noch weiter auszubauen. Martina spricht von „einem Raum mit ganz viel Platz für Kunst, Kreativität, Kultur und Gastronomie an einem Fleck. So soll die kreative Szene in Freiburg auch für die Masse erlebbar werden.“ Denn obwohl es in Freiburg mehr Start-Ups und spannende Projekte gibt, als man meinen könnte, bleiben die meisten davon oft unentdeckt.

Mit dem „Econauten“-Programm wollen sie dieses Jahr zum ersten Mal ein junges Projekt aus dem Nachhaltigkeitsbereich coachen und fördern. Als nächstes sollen auch Förderprogramme für Projekte aus dem Kunst und Kultur- sowie IT-Bereich angeboten werden.

Martina sieht in der jungen Gründerkultur der Yuccies viel Potenzial – immer mehr akademische Absolvierende wünschen sich keine klassische Karriere mehr. Flache Hierarchien, viel Mitbestimmungs- und Veränderungspotenzial und selbst entschiedene Arbeitsbedingungen – viele junge Menschen wollen die eigenen Ideen gewinnbringend zur Karriere machen.

Dr. Thomas Maier, Gründungsberater im Gründungsbüro der Universität Freiburg, sieht die Ansprüche und Vorhaben der jungen Kreativen ebenfalls positiv. „Sich als Gründer selbst etwas aufzubauen ist für mich eine der spannendsten Karrieren überhaupt, aber man sollte trotz großer Ideen immer auch auf das Profitpotenzial achten.“ Maier gründete selbst nach dem Abschluss seines Studiums an der Uni Freiburg seine eigene Firma. Heute begleitet er junge Teams bei der Verwirklichung ihrer Ideen im Rahmen der Coaching- und Förderprogramme des Gründerbüros.

Auch er beobachte immer mehr den Wunsch junger Menschen, sich mit der eigenen Idee selbstständig zu machen, sagt Maier. Rund 80 Gründungsprojekte werden im Jahr begleitet, allerdings werden davon nur zwischen 10 und 20 tatsächlich realisiert – „Tendenz steigend“. Zwar kennt Thomas Maier den Begriff „Yuccie“ nicht, aber auch er freut sich über die Tendenz der jungen Generation zur selbstbestimmten Karriere.

Wenn Kreativität zum Job wird

Ob sich Luna und Kathi als Yuccies beschreiben würden? „Ja, zumindest teilweise. zwar tragen wir weder Dreitagebart noch Hornbrille, aber uns gefällt der Karriereanspruch und die Grundidee seine Kreativität im Job umzusetzen. Wir wollen genau das für uns verwirklichen und dabei ökologisch und nachhaltig handeln.“

Luna und Kathi haben vor vier Jahren ihr eigenes kleines Label „Shullai“ gegründet. „Shullai“ bedeutet „Morgentau“ in Quechua, einer indigenen Sprache Perus. Luna wurde in Peru geboren und kehrte nach ihrem Textilmanagement Studium in Göttingen dorthin zurück, um in ihrem Geburtstort Huamachuco eine kleine Manufaktur zu eröffnen. Zusammen mit den Donās – den Frauen – des Ortes wurden verschiedene Mützen- und Schalmodelle entworfen, die nach der jeweiligen Strickerin benannt sind. Jetzt verkaufen die beiden Freiburgerinnen die handgestrickten Babyalpaka-Produkte über ihren Online-Shop. Dort kann man außerdem mehr über jede der Strickerinnen und deren Leben in Peru erfahren.

„Die Idee war immer, etwas in der Mode zu entwerfen, das völlig zeitlos ist und deshalb einfach zum absoluten Lieblingsstück wird. Dabei sollen unsere Produkte qualitativ nicht nur 1a sein, sondern auch fair und ökologisch produziert werden“, sagt Kathi. Sie lernte Luna in der Grundschule kennen, als diese gerade mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen war. Heute sind sie nicht nur enge Freunde und Kolleginnen, sondern wohnen auch zusammen.

Beide tragen eine ihrer „Fernweh Ketten“ um den Hals – eine Münze aus dem persönlichen Lieblingsland als Anhänger mit einer bunten Quase an einer Silberkette. „Kathi hatte schon immer eine Affinität zu Schmuck und hat sich oft Stücke selbst gemacht. Die Münzen als Kettenanhänger haben viele unserer Freundinnen sehr bewundert und irgendwann haben wir die Ketten ins Sortiment von Shullai aufgenommen“, sagt Luna. Jetzt kann man sich auf der Webseite eine Münze und Quastenfarbe aussuchen und bekommt dann seine persönliche Fernweh-Kette zugeschickt. Gemacht werden auch die von Hand – „in der wohl kleinsten, sonnigsten Werkstatt in Freiburg“, nämlich auf dem Fensterbrett in Lunas Zimmer.

Video

Was kommt heraus, wenn man einen Hipster mit einem Yuppie kreuzt? [ 4:22 Min. ]

Bist du auch ein Yuccie?

Buzzfeed hat eine Liste von „99 Dingen, die Yuccies lieben“ erstellt:
buzzfeed.com

Bildergalerie

Zum Vergrößern bitte ein Foto anklicken.

Mehr Infos

Die Schals und Mützen aus Baby-Alpakawolle und Fernwehketten findet ihr hier: www.shullai.com/

Was das Gründerbüro der Uni Freiburg bietet: gruenden.uni-freiburg.de
Mehr Infos zum Grünhof gibt es hier: gruenhof.org

Eine Gemeinschaftsproduktion von Lena von Andrian (Fotos) und Lotta Schweikert im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Horst Hildebrand

Veröffentlicht am 7. September 2015

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