Schluss mit lustig? Von wegen!

Schluss mit lustig? Von wegen!

Studierende, die ihre Freizeit auf Inline Skates, Cityrollern und Longboards an der Dreisam verbringen: Der Spaßfaktor scheint für viele junge Erwachsene an oberster Stelle zu stehen. Eine Entwicklung, die sich nicht erst seit Neustem und vor allem nicht nur an der Dreisam beobachten lässt. Mit Audio, Video & Bildergalerie.

Den Alltag hinter sich lassen und endlich mal wieder Kind sein? Was für viele Studierende verlockend klingt, wird durch die voranschreitende Kommerzialisierung des Spaßsektors möglich. „Die Orientierung an Erlebnisqualität und Erlebnisintensität ist für ganz viele Menschen sehr wichtig geworden“, sagt Prof. Dr. Ulrich Bröckling, Experte für Kultursoziologie an der Universität Freiburg.

Während sich mit der Gründung erster Freizeitparks, wie dem Europa Park in Rust im Jahr 1975, die Anfänge der Fun-Kultur verzeichnen lassen, habe diese Entwicklung bis heute noch deutlich an Schubkraft gewonnen. „Als Reaktion auf die Zunahme dieser Erlebnisorientierung gibt es immer mehr Angebote, die darauf zielen, Spaßerlebnisse zu haben“, erklärt der Soziologe. Zu solchen Angeboten zählen Freizeitparks ebenso wie Erlebnisbäder.

Immer mehr Erwachsene verspüren „ein Bedürfnis nach Bewegung und Albernheit“, weiß auch Ines Bender, Besitzerin der Kinder Galaxie. Deshalb werden in ihrem Hallenspielplatz in Freiburg nicht nur Wünsche von Kindern erfüllt, sondern auch die Wünsche derer, die gerne noch einmal Kind wären. Einmal im Monat veranstaltet die Besitzerin sogenannte After-Work-Partys, bei denen Erwachsene toben dürfen wie die Kleinen.

„Auf dem Trampolin zu springen fühlt sich an, als ob man fliegt“, erzählt Felicitas, Studentin der Geowissenschaften und Teilnehmerin der Veranstaltung. Ein weiterer Teilnehmer verkündet: „Ich bin letztes Mal fast im Bällebad ertrunken, deshalb habe ich heute meinen Rettungsschwimmer mitgebracht.“

Kind sein, um Stress abzubauen

Zu den Gästen solcher Veranstaltungen zählen vor allem Frauen und Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, erzählt Ines Bender. Prof. Bröckling wundert das nicht: „Experimentelle Formen, den Alltag zu gestalten sowie die zeitliche Flexibilität vieler junger Menschen sprechen für diese Art von Freizeitgestaltung.“

Besonders junge Erwachsene fänden Gefallen an sinn- und zweckfreiem Verhalten, sagt der Soziologe. „Spiel ist eine menschliche Eigenschaft, die häufig in besonderer Weise mit der Phase der Kindheit in Verbindung gebracht wird. Niemand kommt ohne Momente des Regredierens aus.“ Kindlich zu sein und auf Früheres zurückgreifen zu wollen, scheint also etwas ganz Natürliches zu sein. Für problematisch hält Prof. Bröckling dieses Bedürfnis keineswegs. Um Stress abzubauen und den Kopf frei zu bekommen sei ein solches Verhalten in manchen Fällen sogar förderlich. „Ich schreibe nächste Woche Klausuren. Da tut es gut, sich heute Abend zur Abwechslung mal auszupowern und den Unistress für ein paar Stunden zu vergessen“, sagt auch Pia, Mathematikstudenten und Teilnehmerin der After-Work-Party.

Auch eine Schneeballschlacht macht Spaß

Ein Problem könne sich allerdings ergeben, wenn Spaß zukünftig nur noch in kommerzialisierter Form suggeriert werde, sagt der Professor. Die Betreiber von Hallenspielplätzen, Erlebnisbädern und Freizeitparks versuchen ständig ihre Angebotspalette zu optimieren. Veranstaltungen wie die After-Work-Party in einem Hallenspielplatz bieten die Möglichkeit, Menschen zusammenzuführen und gemeinsame Spaßerlebnisse hervorzurufen.

Während dies grundsätzlich eine positiv zu verzeichnende Entwicklung sei, solle dabei aber die ursprüngliche Form des Spaßes nicht vollkommen in den Hintergrund gedrängt werden: „Manchmal ergibt sich so eine Situation, in der man riesigen Spaß hat. Man macht im Winter eine Schneeballschlacht, die aus einer Laune heraus entsteht und hat so viel Spaß, dass man sich auch noch nach 30 Jahren daran erinnert. Es wäre schade, wenn solche Erlebnisse aufgrund der voranschreitenden Kommerzialisierung an Bedeutung verlieren.“

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Was ist Fun-Kultur?

Prof. Dr. Ulrich Bröckling sagt dazu: Der Begriff „Fun-Kultur“ ist häufig im Feuilletonteil von Zeitungen oder in zeitdiagnostischen soziologischen Studien vorzufinden. Die These ist, ganz vereinfacht gesagt, dass es aufgrund der zunehmenden Erlebnisorientierung auch immer mehr Spaßangebote gibt.

Video

Spielen und Toben nach Feierabend (3:34 Min.)

Radiobeitrag

Mal wieder Kind sein

Info

Alle Infos zu den After-Work-Partys in der Kinder Galaxie: www.kinder-galaxie.de/veranstaltungen/after-work-party/
. Der Eintritt kostet 5 Euro.

Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann ganz einfach über Facebook bei der nächsten Party zusagen: www.facebook.com

Auch das Jumpinn in Heidelberg bietet Erwachsenen-Events an: jumpinn-heidelberg.de/indoor/erwachsenen-event.html

Eine Gemeinschaftsproduktion von Tasja Fischer (Fotos), Luisa Igney und Jessica Kiefer im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Horst Hildebrand

Veröffentlicht am 1. September 2015

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