#Grenzgänger

#Grenzgänger

Drei Wochen lang haben die Studierenden Hannah Pool und Felix Volkmar Flüchtlinge von der griechischen Insel Kos nach Köln begleitet und dabei ihre Erlebnisse mit über 1.000 Menschen geteilt. Unter dem Namen #Grenzgänger posteten sie täglich Bilder und Geschichten auf WhatsApp.

Hannah und Felix, ihr wart nun drei Wochen mit den Flüchtlingen unterwegs. Wie kamt ihr auf die Idee den Weg der Flüchtlinge zu gehen und darüber zu berichten?

Wir sind beide politisch interessiert, sodass uns das Thema Flucht sehr beschäftigt hat. Wir haben gemeinsam entschieden nach Kos zu fahren und da Hannah Farsi spricht, dort zu dolmetschen und zu fotografieren. Die Idee, die Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, entstand vor Ort. Die Geflüchteten, die wir kennengelernt haben, sind weiter gefahren und wir haben uns gefragt, wie es ihnen wohl auf dem Weg ergeht.

Wir wollten mit den Geflüchteten nach Deutschland kommen, ihren Weg durch Fotografien dokumentieren und durch aktives Übersetzen bei Ärzten, in Lagern oder an Bahnhöfen Hilfe anbieten.

Wie entstand die Idee per WhatsApp-Gruppe von euren Erlebnissen zu berichten?

Das war vor allem schlechten Informationslage und der schlechten Internetverbindung geschuldet. Zumeist hat der Empfang in den verschiedenen Ländern nur für das verschicken der Messages gereicht. Dass uns über 1.000 Menschen gefolgt sind, haben wir nicht erwartet, aber es zeigt wohl sehr deutlich, wie sehr das Thema momentan alle beschäftigt. Werbung haben wir keine gemacht, lediglich das Bündnis Entwicklung Hilft, auf dessen Facebook-Seite wir unsere Geschichten teilten, haben dort darauf hingewiesen. Der Rest hat sich dann vor allem durch den Freundeskreis und durch Mund-zu-Mund-Berichte verbreitet.

Wie haben die Menschen auf der Reise auf euch reagiert?

Die Geflüchteten haben insgesamt sehr positiv reagiert. Viele haben sich gefreut, dass jemand mit ihnen redet und zuhört. Dadurch, dass Hannah Farsi spricht, konnten wir besonders gut mit den Menschen aus Afghanistan und Iran reden. So haben sich die wunderbarsten Gespräche entwickelt. In einem Flüchtlingslager in Mazedonien hat sich Hannah beispielsweise ausgiebig mit einer Familie über persische Literatur unterhalten.

In Griechenland wurde Felix von der Zivilpolizei festgenommen, da er ohne Presseausweis eine Demonstration fotografiert hat und ihm vorgeworfen wurde, die Demonstration angestachelt zu haben. Die Vorwürfe waren gegenstandlos.

Habt ihr exakt den gleichen Weg auf die gleiche Weise wie die Flüchtlinge zurück gelegt?

Wir sind gemeinsam mit den Geflüchteten bis kurz vor die illegalen Grenzwege gegangen, mussten dann jedoch immer umkehren und über die offiziellen Grenzübergang das nächste Land betreten, da wir sonst aus den Ländern nicht mehr herausgekommen wären. Die illegalen Grenzwege werden mittlerweile kontrolliert und sind nur mit Flüchtlingspapieren zu passieren.

Seid ihr auch in den Camps gewesen?

Das war teilweise nicht möglich. In den Grenzorten gab es meistens von Polizei oder Militär kontrollierte Camps. In Ungarn durften wir diese Camps nicht betreten und übernachten durften wir in keinem der Camps. In Mazedonien haben wir eine Eintrittserlaubnis gebraucht. Das ging recht unkompliziert mit einer E-Mail an das Innenministerium. Nach einer halben Stunde hatten wir die Eintrittserlaubnis und konnten dann das Camp betreten. Es ist sinnvoll, dass die Geflüchteten so auch geschützt werden.

Seid ihr Menschen auf der Reise wiederbegegnet?

Sehr oft. Dadurch, dass wir am Anfang der Reise so lange auf Kos waren, haben wir viele der Geflüchteten kennengelernt. Es gibt eine Route, die von fast allen Geflüchteten genommen wird und die wichtigen Orte mit Informationen hatten sich auch bis zu uns schnell herumgesprochen. Manchmal sind wir auch direkt erkannt worden, weil man uns schon woanders auf dem Weg gesehen hatte.

Habt ihr noch Kontakt mit den Menschen, die ihr bei der Reise kennengelernt habt?

Über Facebook und WhatsApp sind wir noch mit einigen in Kontakt. Mich haben einige der Familien angerufen, nachdem sie in Deutschland angekommen sind. Ich konnte am Telefon helfen die Briefe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu übersetzen oder Informationen über die Aufenthaltsort geben.

Was war für euch einer der bewegendsten Augenblicke?

Hannah hatte einer Familie die Route von Griechenland nach Deutschland auf einem Zettel aufgeschrieben. Zwei Wochen später hat uns einen deutscher Freund ein Foto eben jenes Zettels zugeschickt. Die Familie hatte ihn am Wiener Bahnhof kennengelernt und erzählt, dass ihnen eine deutsche Dolmetscherin geholfen hatte und sie keinen Schlepper für Informationen brauchten.

Eure Idee, den Weg der Flüchtlinge nachzugehen, ergab sich ja sehr spontan. Gab es Situationen, in denen ihr an eurer Reise gezweifelt habt?

Vor dem Abflug waren wir uns nicht sicher, ob wir tatsächlich eine Hilfe sein könnten. Bei unserer Ankunft auf Kos um 22 Uhr sind wir direkt in eine Gruppe afghanischer Jungs gelaufen, schnell war das Eis gebrochen, wir haben gemeinsam gelacht und ab da wussten wir, dass dies exakt die richtige Idee gewesen ist. Und wir würden sofort wieder auf die Reise gehen.

Felix Volkmar und Hannah Pool, die Fragen wurden von beiden gemeinsam in einem E-Mailinterview beantwortet.

Info

Hannah Pool studiert Internationale Beziehungen in Dresden und hat an der Universität Teheran im Iran Islamwissenschaften und Iranistik studiert. Sie spricht Farsi und Dari und war als Dolmetscherin unterwegs.
Felix Volkmar studiert Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Marburg. Er hat auf der Reise die Geschichten der Flüchtlinge in Fotografien festgehalten.

Zusammen waren sie im September drei Wochen auf der Reise der Geflüchteten und haben in der WhatsApp-Gruppe #Grenzgänger über ihre Erlebnisse und die Geschichten der Geflüchteten berichtet.
Eine Bildersammlung, alle Posts, sowie ein Überblick des Reiseverlaufs gibt es hier: www.entwicklung-hilft.de

Weitere Bilder zur Reise: felixvolkmar.com

Foto: Felix Volkmar
Autoren:
Veröffentlicht am 18. November 2015

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