Weihnachten aus einer anderen Perspektive

Weihnachten aus einer anderen Perspektive

In Freiburg wiederholt sich jedes Jahr die bekannte Prozedur in der Weihnachtszeit. Aber wie feiern Menschen Weihnachten ganz woanders? Der Freiburger Student Rakan, der in Syrien als Christ aufgewachsen ist, erzählt von der Weihnachtszeit in seinem Herkunftsort.

Rakan Fares ist 28 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Syrien. Er wohnt seit 8 Jahren in Deutschland und studiert Islamwissenschaften und Judaistik an der Uni Freiburg.

Rakan, du bist als Christ in Syrien aufgewachsen. Wie feiert man dort Weihnachten in der Öffentlichkeit?

Ich bin im Westen Syriens und an der Grenze zum Libanon aufgewachsen. Dort wo ich herkomme, da gibt es ungefähr 30 kleine Dörfer in denen überwiegend Christen wohnen. Deshalb machen sich dort Feste wie Weihnachten und Ostern sehr bemerkbar. Fast jedes Haus bastelt mit einem Lichterschlauch irgendwelche Weihnachtssprüche und im Stadtzentrum wird ein Weihnachtsbaum aufgestellt.

Mit dem 6. Dezember beginnt bei euch die Weihnachtszeit.

Da feiern wir die heilige St. Barbara. Alle Dorfbewohner sammeln bambusartige Pflanzen und bringen sie ins Zentrum. Dann werden sie angezündet und es gibt viele Funken. Die Menschen verkleiden sich für diese Aktion. Kinder haben bemalte Gesichter und es gibt alle möglichen Charaktere: Von Robin Hood bis zu Charlie Chaplin. Aber leider kommt es in den letzten Jahren immer häufiger vor, dass die Bewohner und vor allem die Kinder Militär-Verkleidung tragen.

Wie bereiten sich die Menschen auf Weihnachten vor?

Die meisten Leute gehen mit ihren Kindern zum Markt und kaufen sich in der Weihnachtszeit neue Kleidung. Fast alle Häuser haben einen Weihnachtsbaum und meistens hört man innerhalb der Häuser, die Stimme der berühmten libanesischen Sängerin Fairuz aus dem Radio. Weihnachten erkennt man auch an den Müttern, sie fangen an viel aufzuräumen und zu putzen, denn man hat ständig Besuch. Die schöne Sache und der große Unterschied zu Deutschland ist vielleicht das große Familientreffen. Im Durchschnitt sind wir dann zwischen 30 und 40 Personen am Heiligen Abend.

Auch in Syrien gibt es den Weihnachtsmann … und du hast dazu eine lustige Anekdote.

Am Heiligen Abend da gibt es den Baba Noel, vergleichbar mit dem Weihnachtsmann oder Santa Claus. Als ich in der dritten Klasse war, habe ich mit meinem besten Freund spontan entschieden, einen Baba-Noel Auftritt zu machen. Wir haben seinen ältesten Bruder überzeugt, sich als Baba Noel zu verkleiden. Also haben wir einen weißen Bart und rote Kleidung besorgt. Ich habe mir ein Kleid von meiner Oma angezogen. Wir brauchten noch Geschenke und haben kleine Süßigkeiten in Zeitungspapier verpackt und sie in einen riesigen, leeren Zuckersack reingestopft.

Wir sind in jedes Haus auf unserem Weg mit Trommel und Tamburin hinein gegangen und haben eine kleine Show veranstaltet. Baba Noel stand da, während mein bester Freund und ich zur Musik die ganze Nacht tanzten und dann Geschenke austeilten. Überall bekamen wir Getränke, Essen und 10 bis 15 Lira Trinkgeld. Am nächsten Tag haben wir uns mit dem Geld Knallpistolen gekauft und mit unserem neuen Spielzeug auf der Straße angegeben.

Gibt es in Syrien zu Weihnachten Geschenke?

Man bekommt ein wenig Taschengeld, aber Geschenke, das ist nicht üblich. Auch bei Geburtstagen gibt es nicht so viel „Action“ wie hier. Wenn jeder meiner Cousins und Cousinen den Geburtstag groß feiern würde, da bräuchte ich 70 oder 80 Geschenke im Jahr, das wäre ja eine Katastrophe!

Was denkst du heute über Weihnachten?

Ich war früher sehr gläubig. Aber schon mit 13 oder 14 habe ich mich aus verschiedenen Gründen von der Kirche entfernt. Mir fiel beispielsweise auf, dass es einigen an Weihnachten hauptsächlich um die neue Kleidung oder um das Essen und die Festtage ging. Ich denke hier in Deutschland ist der Konsumgedanke noch viel extremer mit dem ganzen Geschenkerausch. Alle religiösen Veranstaltungen werden mit kaufen, kaufen, kaufen und Geschenken verbunden. In meinem Kopf bleibt Weihnachten etwas Schönes: Die Familie trifft sich und verbringt Zeit zusammen. Aber dass Jesus geboren wurde und diese ganzen Wunder … davon halte ich nicht mehr viel. Sie dienen höchstens als Symbole oder als Philosophie.

Deine Eltern sind vor kurzem aus Syrien nach Deutschland geflüchtet.

Ich hatte eigentlich nur mit meinen Eltern gerechnet aber dann wurden es sechs Leute, weil sich noch Familienangehörige und Freunde angeschlossen haben. Sie wollten Syrien eigentlich schon seit drei Jahren verlassen, aber haben sich nicht getraut. Als sie hörten, dass ich meine Eltern abholen und begleiten würde, sind sie mitgekommen. Die Flucht hat zum Glück nicht lange gedauert, etwa elf Tage.

Jetzt wo meine Eltern neu in Deutschland sind habe ich noch mehr Verantwortung, sie sind wie Kinder, ich muss ihnen vieles beibringen. Früher haben sie uns zu den Märkten in der Weihnachtszeit gebracht und wollten uns Kindern Kleidung kaufen. Jetzt sagen mein Bruder und ich zu meinen Eltern, dass wir mal neue Kleidung für sie kaufen sollten.

Hast du was für Weihnachten mit deinen Eltern geplant?

Meine Eltern wohnen gerade bei meinem Bruder in Freiburg, der in einer WG wohnt. Dort warten sie bis die offiziellen Unterlagen aus Mannheim kommen. Wir wollen entweder bei mir oder bei meinem Bruder feiern und gute Freunde einladen. Zum Grillen, Trinken und Tanzen.

Nach Weihnachten ist das neue Jahr nicht mehr weit. Wie hast du Silvester in Syrien verbracht?

Wir gingen auf die Dächer und beobachteten die Feuerwerke die um Mitternacht losgingen. Vor Mitternacht haben wir immer eine besondere Radiosendung aus dem Libanon gehört, in der eine angesehene Sterndeuterin das Jahreshoroskop für alle Sternzeichen ansagte. Alle warteten darauf zu hören, was nächstes Jahr passieren würde. Ich mochte das gar nicht.

Es gibt dazu eine lustige Geschichte: Mein Onkel hat mich an einem Morgen aus Syrien angerufen. Er sagte: Rakan, ich höre das Tageshoroskop jeden Tag um 8 Uhr morgens und die Sterndeuterin sagt immer genau wie mein Tag verlaufen wird. Heute sagte sie, dass etwas Schlimmes passieren soll, sobald ich aus dem Haus gehe.

Ich habe meinen Onkel nach seinem Geburtstag gefragt und herausgefunden, dass er ein komplett anderes Sternzeichen hat als das, das er Jahre lang im Radio verfolgt hatte. Als ich ihm das lachend mitteilte, war er kurz überrascht, aber dann sagte er stolz, er wäre trotzdem mit seinem Sternzeichen ganz zufrieden.

Was hast du dir für das Jahr 2016 vorgenommen?

Ich will endlich mal Pause machen. Irgendwo alleine sein. Nicht arbeiten, nicht denken, kein Handy, kein Facebook und für eine Weile keinen Kontakt haben. Generell würde ich aber gerne noch einmal Weihnachten in Syrien feiern, um meine ganze Familie zu sehen. Jetzt geht das natürlich nicht. Das ist sehr schade. Jesus steht als philosophisches Symbol für Frieden und Toleranz aber daran fehlt es am meisten in Syrien, auch in der Weihnachtszeit. Momentan gibt es kaum Feuerwerkspiele im Neujahr, es scheint als seien all diese Spiele durch wirkliche Knallgeräusche ersetzt worden.

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Veröffentlicht am 22. Dezember 2015

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