Auf einen Milchkaffee mit Michael Nast

Auf einen Milchkaffee mit Michael Nast

Das Buch „Generation Beziehungsunfähig“ steht nun schon seit drei Wochen auf Platz eins der Spiegel Bestsellerliste. Dabei erzählt Michael Nast eigentlich nur von seinem Alltag als Single in Berlin. Samantha und Sabina haben den Mann getroffen, der nicht nur freizügig Einblicke in sein Sexualleben gewährt, sondern auch ernstzunehmende Denkanstöße geben möchte.

Unser Treffen findet in der Lobby des Hotels statt, in dem Michael Nast abgestiegen ist. Als wir uns an der Rezeption anmelden wollen, fragt man uns, wer Michael Nast sei. Da ruft er uns an, sagt, dass er leider 20 Minuten später kommen wird und entschuldigt sich dafür. Wir warten. Als Michael Nast schließlich kommt, in schwarzem Pulli, Jackett und mit weißen Turnschuhen, bestellen wir erst einmal einen Milchkaffee – offenbar sein Lieblingsgetränk.

Sabina: Beim Kauf deines Buchs wurde ich in der Buchhandlung zuerst zur Psychologie- und dann zur Erotikabteilung geschickt. Wo würdest du dein Buch sehen?

Ich sehe es ja eigentlich woanders. Ich finde diese Ratgeberkultur in Deutschland total lächerlich und auch, dass die Bestellerlisten voller Ratgeber sind. Lest mehr Romane, da lernt ihr mehr fürs Leben als in jedem Ratgeber. Ich sehe mich selbst eher in der belletristischen Tradition. Indem ich Ereignisse beschreibe, die mir, meinen Freunden und meinen Bekannten in Berlin geschehen, möchte ich ein authentisches Abbild des Lebens schaffen.

Samantha: Du sagst, all die Kurzgeschichten in deinem Buch beruhen auf wahren Begebenheiten. Darin schreibst du über Ex-Freundinnen, Freunde und Bekannte. Wie finden die das?

Ich spreche alles mit den jeweiligen Personen ab und sage ihnen auch etwa den Kontext. Außerdem verfremde und überspitze ich Leute so sehr, dass sie nicht erkannt werden. In einer Geschichte habe ich auch aus zwei Personen eine gemacht, da ich sonst zu viele Charaktere im Buch gehabt hätte. Das Einzige, was eine meiner Ex Freundinnen einmal angemerkt hatte war, dass ich statt „meine Ex-Freundin“, „eine meiner Ex-Freundinnen“ schreiben sollte. Gerade wenn man getrennt ist, ist man natürlich sehr sensibel und ich achte darauf, dass niemand verletzt wird.

Samantha: Du beschreibst dich als sensiblen, empathischen Typen. Ist das der Grund dafür, dass deine Bekannten dir diese häufig pikanten Geschichten erzählen?

Ich habe einen Makel und das ist Hochsensibilität. Ich kann mir alles merken und ich unterhalte mich eben einfach gerne mit Menschen. Es ist nicht so, dass sie zu mir kommen, mir das Herz ausschütten und ich werde genau darüber schreiben. So etwas passiert über Jahre.

Samantha: In deinem Buch geht es um Liebe, Online-Dating und den Drang zur Selbstdarstellung unserer Generation. Wie kamst du auf das Thema?

Ich habe gedacht, ich beschreibe ein bisschen mein Umfeld, alles Menschen in Berlin, Mitte 20 bis Mitte 30, die in Medienberufen arbeiten, Großstädter halt. Dann habe ich den Text ironischerweise „Generation Beziehungsunfähig“ genannt und plötzlich kriege ich mit, dass es in Berlin sowas wie eine neue deutsche Empfindlichkeit gibt, denn wenn man sich für beziehungsunfähig hält, ist das das Ende eines Prozesses. Dann muss etwas auf diesem Weg passiert sein und das wird in dem Buch beleuchtet.

Samantha: Du tourst vor allem durch Hörsäle. Außerdem kennt man die Probleme, die du schilderst, wie das späte Kinderkriegen und den Karrieregedanken, vor allem von Akademikern und Akademikerinnen. Sind sie das Publikum, welches du beim Schreiben vor Augen hattest?

Natürlich beschreibe ich Mittelschichtsprobleme. Eine Frau die mit 21 Jahren Mutter wird, von ihrem Typen verlassen wird und jetzt an einer Kasse sitzt, hat natürlich andere Probleme.

Sabina: Schreiben ist für dich ein Mittel zur Reflexion. Was, in Bezug auf unsere Gesellschaft und vor allem in Bezug auf die „Generation Beziehungsunfähig“, wurde dir klar?

Naja, dass so einiges falsch läuft. Wir sind so in die Konsumgesellschaft reingewachsen, dass wir die Prinzipien des Wirtschaftssystems sogar aufs Zwischenmenschliche anwenden. Dating-Apps funktionieren wie Online-Shops. Es ist ein Konsumieren von Menschen. Sich zu Öffnen macht einen verletzlich, deswegen haben wir lieber immer noch andere Möglichkeiten im Hinterkopf. Durch Dating-Portale wissen wir, wie voll diese Welt ist, voll von Personen, die noch besser zu uns passen könnten.

Samantha: Und was hast du über dich selbst herausgefunden?

Wenn ich mich verliebe, bin ich nicht so ein Kompromisstyp, da muss es von Anfang an stimmen. Es gibt für uns heute nur einen Grund, warum zwei Menschen zusammenkommen – das Ideal der romantischen Liebe. Das Problem ist, dass wir diesem Ideal so nachhängen, dass dem gar keiner gerecht werden kann. Ich habe so eine unglückliche Liebe hinter mir. Die Frau hatte mir schon am Anfang gesagt, sie habe ein gestörtes Verhältnis zu Männern. Ich hätte ihr mal glauben sollen. Aber ich dachte, ich könnte beweisen, dass es auch anders geht. Außerdem glaube ich, dass wir ab 30 alle eine Therapie brauchen, um ganz naiv gesagt, herauszufinden, ob man glücklich ist.

Hebt die Tasse und prostet uns mit seinem Milchkaffee zu: „Darauf trinken wir erstmal einen Schluck.“

Samantha: In einem Interview hast du gesagt, dass unsere Generation nicht mehr weiß, was harte Arbeit ist. Kann man das in Zeiten von befristeten Arbeitsverträgen und ständiger Erreichbarkeit durch Smartphones so einfach pauschalisieren oder arbeiten wir heute nicht sogar härter?

Also Pauschalurteile sind immer Lügen, weil es immer Leute gibt, die nicht so sind. Freunde von mir, die Firmen haben, sagen: „Diese jungen Leute sind heute einfach nicht mehr belastbar.“ Die haben alle ihre Ideen, was sie alles werden wollen aber kriegen einfach nicht mit, dass harte Arbeit der Preis ist.

Sabina: Allein durch Vorbestellungen stand dein Buch noch bevor es veröffentlicht wurde unter den Top 10 der Spiegel Bestsellerliste. Wie gehst du damit um, dass du jetzt gerade so durch die Decke gehst?

Naja, das ist schon mein drittes Buch, insofern ist es jetzt nichts Neues. Aber ich bin total dankbar für meinen Erfolg. „Generation Beziehungsunfähig“ scheint gesellschaftlich auf Resonanz zu treffen und den Leuten etwas zu geben.

Sabina: Du sagst: „Follower und Likes, das sind die neuen Statussymbole.“ Beobachtest du diesen Drang zur Selbstdarstellung auch bei dir selbst?

Also bei mir ist das beruflich bedingt, denn als Autor bin ich ja auch eine Marke. Auf sozialen Netzwerken modellieren aber viele ein Bild von sich und glauben dann, dass sie diesem Bild entsprechen. Meine neue Kolumne handelt auch davon, was passiert, wenn wir Bilder posten oder unser Essen von oben fotografieren. Wir stellen uns ja praktisch auf eine Bühne und unsere Freunde werden zu unserem Publikum.

Michael Nast …

wurde 1975 in Ost-Berlin geboren und gilt als generationsübergreifendes Sprachrohr. Nach einer abgebrochenen Ausbildung zum Buchhändler gründete er zwei Plattenlabels und arbeitete unter anderem für verschiedene Werbeagenturen. Heute lebt er in Berlin und ist Kolumnist, Autor und Drehbuchautor.

Neben seinem aktuellen Buch „Generation Beziehungsunfähig“ schrieb er auch die Bücher „Ist das Liebe oder kann das weg?“ und „Der bessere Berliner“.

Er trinkt gerne Milchkaffee, außer in Situationen, die etwas Stärkeres erfordern.

Seine Kolumne „Generation Beziehungsunfähig“ auf dem Blog „imgegenteil.de“ war mit mehr als einer Million Klicks nach bereits einer Woche, unter den erfolgreichsten Online-Texten 2015. Er schreibt außerdem regelmäßig Kolumnen auf „freundin.de“.

Aktuell ist Michael Nast mit seinem Buch „Generation Beziehungsunfähig“, das beim Verlag edel erschienen ist, auf Lesereise in Deutschland und der Schweiz.

Weitere Informationen und Termine seiner Lesereise findet ihr unter www.michaelnast.com

Foto: uniCROSS
Autoren:
Veröffentlicht am 15. März 2016

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