Mitmachen statt Zuhören

Mitmachen statt Zuhören

Das Debat-O-Meter hat seine ersten Feuerproben bestanden und ist nun auf dem Weg in unsere Wohnzimmer. Was hinter dem Online-Tool für die Bewertung von politischen Debatten steckt, hat Farina herausgefunden.

Die politische Verdrossenheit hat sich wie das Wetter klammheimlich ins Small-Talk-Repertoire der meisten Leute eingeschlichen. Steht eine Wahl an, so wird nicht nur über mögliche Kandidaten und Kandidatinnen sowie Parteiprogramme diskutiert, sondern auch wie man die Wählerinnen und Wähler sonntags von der Couch an die Wahlurnen bekommt.

Professor Dr. Uwe Wagschal, Inhaber der Professur für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Freiburg, hat ein Online-Werkzeug entwickelt, um wissenschaftliche Datenerhebung in die Wohnzimmer des Landes zu bringen, aber auch um Politikverdrossenheit zu mindern. Denn das „Debat-O-Meter“ bietet die Möglichkeit, politische Debatten im TV bequem von zu Hause aus über Netbook und Smartphone zu bewerten. Und das während der Diskussion.

Mit Smartphones zu mehr Representativität…

Mit Schieberegler oder Plus und Minus Button können die Debattierenden jederzeit während der Diskussion bewertet werden. “Die Idee hatte ich schon relativ lange”, sagt Wagschal. Für die technischen Umsetzungen sorgte ein Team vom Lehrstuhl für Rechnerarchitektur von Professor Bernd Becker. “Vor anderthalb Jahren hatten wir die ersten Gespräche und seit einem dreiviertel Jahr arbeiten wir intensiver daran“, sagt Wagschal.

Der Vorteil bei dieser Methode der Datenerhebung ist für Wagschal eindeutig: “Jeder hat ein Smartphone, man ist unabhängig damit.“ Somit können sehr viel mehr Menschen erreicht werden, was eine hohe Repräsentativität der Analysen ermöglicht. Auch beim TV-Duell Kretschmann gegen Wolf im Januar 2016 wurde das Debat-O-Meter getestet: “480.000 Menschen haben da zugeschaut, was für das Land Baden-Württemberg nicht schlecht ist. Wir haben dann durch verschiedene methodische Möglichkeiten die Chance ein repräsentatives Bild von Baden-Württemberg  abzubilden. Selbst wenn dann nur 3.000 bis 4.000 Leute mitmachen.”

…und weniger Politikverdrossenheit

Die eigentliche Bewertung einer politischen Debatte ist in eine Vor- und Nachbefragung eingebettet. So wird unter anderem ermittelt ob die Teilnehmer eine Parteibrille tragen oder anderweitig voreingenommen sind. Daraufhin können extreme Bewertungen relativiert  werden und die Statistik werde nicht verfälscht. Die Ergebnisse der Debatten werden dann auf der Website des Debat-O-Meters hochgeladen: “Die Analysen machen wir völlig transparent”, sagt Wagschal. So können auch andere Wissenschaftler die Statistiken in ihrer Forschung nutzen, es bietet aber auch Politikern und Politikerinnen die Möglichkeit ihre Wirkung auf die Wähler bewusst zu steuern.

Gabi Rolland, SPD Politikerin, wird ihr Auftreten in der Öffentlichkeit jedoch nicht von der Analyse abhängig machen. Sie war eine der Wahlkreiskandidatinnen bei der Podiumsdiskussion im Januar 2016, bei der auch das Debat-O-Meter zum Einsatz kam. “Ich bin mit Herzblut Politikerin und stehe für die Sache ein, daher glaube ich nicht, dass ich mein Verhalten an der Auswertung des Debat-O-Meter ausrichten werde. Mir ist es wichtiger, authentisch zu sein und zu bleiben”. Eine Verhaltensänderung  würde aber auch nicht angestrebt, sagt Wagschal. Eine Beratung von Politikern sei denkbar, aber nicht das primäre Ziel. “Unser Interesse war es auch die Politikverdrossenheit zum Inhalt zu nehmen und die Leute spielerisch wieder mehr für Politik zu interessieren.”

Das Debat-O-Meter ist noch in der Entwicklungsphase und wird ständig weiter verbessert. Mittelfristiges Ziel sei es eine App zu entwickeln, sodass der Zugriff auf das Online-Tool nicht mehr auf die Homepage limitiert ist. Auch an der Website selbst würde noch gearbeitet. Wagschal hat sich kein einfaches Ziel mit diesem Projekt gesetzt: “Dass wir eine riesige Durchdringung erreichen. Ähnlich wie der Wahl-O-Mat, das wäre natürlich toll.”

Info

Die Statistiken der ausgewerteten Debatten findet ihr unter: debatometer.de

Die nächste Testrunde des Debat-O-Meters wird voraussichtlich bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im September stattfinden.

Titelbild: Debatte der Landtagskandidatinnen und -kandidaten am 28. Januar 2016 im KG I der Universität.

Foto: Farina Kremer
Autoren:
Veröffentlicht am 11. Mai 2016

Empfohlene Artikel