Freiburg Forever

Freiburg Forever

Seit dem 13. Mai 2016 stellt Peter Gaymann seinen ‚No sale‘ Museumsshop in der UB aus. Zita und Farina haben mit ihm über bodenständige Kunst und abgehobene Olivenölproduktion gesprochen und darüber, warum der in Freiburg geborene Künstler immer wieder an seinen Geburtsort zurückkehrt.

Er malt mehr als nur Hühner: Peter Gaymann ist nun seit mehr als 30 Jahren erfolgreicher Cartoonist und Künstler. Er kam zum Gespräch in die Redaktionsräume von uniCROSS, während drei Stockwerke darunter sein Museumsshop im Foyer der UB den letzten Schliff bekam.

Herr Gaymann, Sie haben in Freiburg studiert. Warum sind Sie kein Sozialpädagoge geworden?

Weil ich lieber Künstler geworden bin. Nach dem Abschluss des Studiums bin ich nicht direkt ins Berufsleben eingestiegen, sondern habe versucht meinem Hobby Raum zu geben, indem ich mir selbst zwei Jahre genommen habe, um zu schauen, was es mit dem Zeichnen auf sich haben könnte. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, in welche Richtung ich genau arbeiten möchte, ich habe alles Mögliche ausprobiert.

Also haben Sie erstmal etwas Ordentliches gelernt.

Ja, das war tatsächlich so. Ich war von Haus aus nicht in einer Familie, die viel mit Kunst am Hut hatte. Ich habe zwar schon immer gerne gemalt und gezeichnet, aber wie das mit der Kunst als Job gehen soll, damit war ich mir eher unsicher. Aber als ich dann auch während meines Studiums immer wieder gezeichnet und gemalt habe, wollte ich irgendwann wissen, wie es ist, wenn man nichts anderes macht. Auch sehr zum Verdruss meiner Eltern.

Peter Gaymann UB

Peter Gaymann stellte der UB seine Installation “No sale” als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Sie haben schon letzten Sommer im Museum für Neue Kunst ausgestellt. Warum nochmal ein Standort in Freiburg?

Ich finde, das ist eine schöne Ergänzung. Die Hauptausstellung im Museum für neue Kunst war für mich schon eine sehr große und wichtige Ausstellung. Sie war auch besonders, weil sie die Jubiläumsausstellung zu meinem 65. Geburtstag war. Ich wollte schon immer mal etwas zum Thema Kunst machen, mir die Kunstszene auch als satirischer Zeichner ein bisschen vorknöpfen. In diesem Zusammenhang konnte ich dort im Museum Räume gestalten, die ganz anders waren, als in meinen sonstigen Ausstellungen. Ich habe in einen Raum komplett mein Atelier reingebaut, mit jedem Stuhl, jedem Buch. Das war schon mal ein ganz irres Teil, mit tausend Objekten.

Außerdem habe ich für die Ausstellung im Museum für Neue Kunst diesen gefakten Museumsshop bei einem Schreiner in Köln bauen lassen. Der war maßgenau abgemessen für diesen einen Raum. Es war der erste Raum in meiner Ausstellung, sodass die Leute reinkamen und sofort dachten, sie wären jetzt als Erstes im Shop gelandet und waren dann immer überrascht, dass sie nichts kaufen konnten. Nach dem Abbau der Ausstellung stellte sich die Frage: Was mache ich mit dem Shop? Dann kam der Kontakt über das Freiburger Netzwerk zur UB zustande.

Und hier ist jetzt die Installation wieder aufgebaut. Aber sie hat in der UB noch eine zweite Dimension: Die Rückwände gab es im Museum nicht, die haben wir jetzt weiß verkleidet und ich habe Cartoons darauf gemalt, sodass ein bisschen Kunst drinnen und draußen ist.

Ihr ausgestellter Shop trägt den Titel „No sale“. Was steckt dahinter?

Das war der springende Punkt: Dass dieser Shop ein imaginärer Shop sein soll. Auch die Teile die darin stehen, sind oft nicht echt. Da liegt dann Schmuck, der mit Ringen vom Flohmarkt ergänzt ist oder die Bücher, die darin stehen, sind alle gefälscht. Da habe ich nur die Umschläge gestaltet und um leere Skizzenbücher herumgelegt. Ich habe mittlerweile insgesamt um die 80 Bücher veröffentlicht und wenn dann Menschen in meinen ‚Shop’ kommen, denken sie: „Das sind ja zehn Bücher, die ich noch nicht kenne.“

Man kreiert so einen Kaufreiz, wobei es gar nichts zu kaufen gibt. Ich habe gleich gesagt, das ist ein Shop bei dem man nicht kaufen darf, deswegen: ‚No sale‘. Das ist gerade das Spannende, eigentlich freut man sich immer wenn dem Künstler etwas abgekauft wird, aber andererseits ist diese Kommerzialisierung der Kunst im Sinne von Kunstshops, wo man jeden Picasso und jeden Monet und jeden van Gogh auf Radiergummis, Bierdeckeln, Blumenvasen oder Serviertten kriegt, auch so eine reine Kommerznummer, die mit dem Künstler selbst gar nichts mehr zu tun hat.

Wenn die toten Künstler manchmal wüssten, was da alles passiert, würden sie vermutlich lauthals schreien. Kunst ist etwas Besonderes, deswegen kauft man ja auch Originale. Wenn man alles als Massenware macht, ist es herabgewürdigt.

Wenn man Ihren Namen bei Google eingibt, erscheint als zweiter oder dritter Treffer ihr eigener Shop. Ist das nicht ein bisschen ambivalent zu diesem ‚No sale’-Konzept?

 Ja, das ist klar. Das war schon immer ein Teil des Cartoonzeichnens, dass man Kalender, Postkarten und solche Printmedien macht. Ich habe nichts dagegen, dass es solche Sachen gibt. Ich bin auch Teil dieses Prinzips des Künstlers, dass er davon lebt, dass er etwas verkauft. Trotzdem wollte ich es in dieser Ausstellung einmal so machen, dass es die Leute irritiert. Deswegen gab es im Museum für Neue Kunst in einem anderen Raum der Ausstellung Kunst am Meter.

Da habe ich meterlange Bahnen bemalt von denen sich Leute etwas abschneiden und mitnehmen konnten. Was auch irritiert, weil man sich fragt: Was ist ein Meter Kunst eigentlich wert? Im Prinzip ist das auch eine absurde Frage. Ich habe einfach einen fiktiven Preis genommen und gesagt 500 Euro kostet bei mir ein Meter Kunst und wer will, kann sich da einen oder zwei Meter abschneiden und mitnehmen. Auch das ist ein satirisches Spiel mit dem Kunstbegriff.

Wir haben gesehen, dass Sie Ihre Installation selbst aufgebaut haben. Sind Sie Perfektionist?

Ich würde mich nicht unbedingt als Perfektionisten bezeichnen. Klar versuche ich, die Sachen gut zu machen, auch wenn ich zeichne. Aber Perfektionisten können nie loslassen. Da würde ich jetzt unten noch rumfummeln und die Scheiben noch eine Stunde polieren bis jeder Fingerabdruck und jedes Stäubchen weg ist. Aber ich will die Dinge schön machen. Ich baue auch nicht jede Ausstellung selbst auf, das muss ich zugeben. Oft schicke ich meine Bilder hin oder lasse sie abholen und dann werden sie an die Wand gehängt und ausgeleuchtet. Aber bei dieser Installation hätte ich das niemandem so einfach zutrauen können.

Wie würden Sie Ihre Cartoons jemandem beschreiben, der sie noch nicht kennt?

Meine Cartoons sind oft Widerspiegelungen von sehr alltäglichen Szenen und im weitesten Sinne auch immer Kommunikation zwischen Menschen: Zwischen Paaren oder Eltern und Kindern oder Geschäftsleuten. Es geht um das Kommunizieren, das miteinander Leben. Es geht um die Widersprüche, die ich zeigen kann und das sind sehr oft alltägliche Beobachtungen. Letztlich ist das auch Teil des Erfolges: Du zeigst immer, was die Menschen kennen.

Wenn ich eine Idee habe, dann überlege ich mir: Lasse ich eher junge Leute sprechen oder ältere, wohnen die in einer Ikeawohnung oder haben die ein Schöner Wohnen-Sofa? Ich denke mir die Geschichte dazu aus und das erkennen die Menschen offenbar auch wieder. Wenn du jetzt alle zehn Jahre mal gucken würdest, wie sich die Cartoons verändern, siehst du natürlich auch Unterschiede in den Wohnungen. Fernseher und Computer sehen anders aus. Unabhängig vom Gag findet sich in den Bilder auch ein Stück Zeitgeschichte. Das finde ich toll.

Und was inspiriert Sie dazu?

Es gibt immer Eigenes, aber auch Beobachtetes oder Gelesenes. Es ist ein Sammelsurium, das sich im Kopf anhäuft und es sind manchmal selbstbezogene Dinge. Manchmal verwende ich Vornamen von Freunden in den Cartoons und dann erkennen die sich vielleicht wieder. „Jetzt hat er unser Problem gezeichnet!“- oder so. Ich nehme mich selbst als humoristischen Zeichner wahr. Dabei liegt mir nicht so viel daran, Böhmermann-mäßig jemanden absolut in die Pfanne zu hauen, sondern demjenigen auch eine Chance zu geben.

Humor ist für mich etwas anderes als die reine, harte Satire. Humor ist eine Möglichkeit, das Leben und manche Widersprüche die es gibt, etwas leichter zu nehmen, und die hat jeder: Jeder ist ein bisschen Arschloch und jeder ist ein bisschen gut. Ich will über die Menschen, aber auch über mich lachen.

Was, glauben Sie, macht Ihre Kunst so erfolgreich?

Das ist natürlich immer die Frage. Was kann man verkaufen, was kann man nicht verkaufen? Was ist erfolgreich?  Man selbst kann ja einen Bestseller oder einen Hit nicht planen. Man macht halt seine Sachen. Aber ich glaube, ich habe eine ganz gute Phase erwischt als ich anfing. Anfang der achtziger Jahre war die Cartoonszene noch nicht so ausufernd und trotzdem gab es gute Möglichkeiten, die Dinge zu verkaufen. Als ich meine ersten Postkarten gemacht habe, hatte ich Glück, weil nur ich und Janosch überall in den Kartenständern waren. Heute siehst du Tausend von diesen Karten. Der Markt war damals noch nicht so voll.

Und es hat tatsächlich etwas mit diesen Hühnern zu tun, ohne dass ich das forciert hätte, nach dem Motto „Das wird mein Markenzeichen“.  Das Publikum ist sehr stark auf diese Tier-Cartoons abgefahren. Es hat die Bilder gekauft, Zeitungen haben angerufen, dass sie das abdrucken wollen. Es ging nicht von heute auf morgen, aber im Laufe von ein paar Jahren kam ich auch über diese Hühnerschiene zum Erfolg.

Ich mache ja auch andere Sachen. Seit 25 Jahren sind meine Cartoons in jeder Brigitte. Es geht um Beziehungsgeschichten. Dabei zeichne ich immer Menschen, von Anfang an. Und trotzdem gibt es Frauen, die mir dann sagen „Ich gucke jedes Mal ihre Hühner-Cartoons in der Brigitte an“, „Der hat ja gar keine Hühner“, „Doch doch!“. Die glauben das manchmal gar nicht. Insofern ist das manchmal so eine Sache mit Markenzeichen, man hat Scheuklappen links und rechts, sieht nur eine Sache und ist darauf festgenagelt. Das ist auch immer ein bisschen schwierig.

Eigentlich wollten wir Sie nach Ihrem „Huhniversum“ fragen, aber das lassen wir jetzt besser, oder?

Wenn ich mal wieder ein Thema habe, das man ganz gut mit Hühnern machen kann, dann mache ich das auch, aber wenn es ein Thema ist, zu dem ich lieber Menschenfiguren zeichne, mache ich es eben so. Und der Unterschied ist doch der, dass Tiere in Cartoons stellvertretend für uns Menschen stehen. Wenn ich Menschen male, versuche ich, ganz verschiedene Charaktere zu zeichnen.

Die Menschen schauen es dann manchmal an und sagen: „Das könnten ja wir zu Hause sein, aber ich habe ganz andere Haare.“ Aber wenn ich dieselbe Szene mit einem Huhn oder Hahn mache, dann sehen sie sich das an und sagen: „Das sind genau wir!“ Sie sehen dann nicht die Personen, sondern die Interaktion.

Haben Sie denn als Künstler einen Vogel? Braucht man den?

Keine Ahnung. Ich halte mich komischerweise für bodenständig und bin jetzt nicht so wahnsinnig verrückt. Man braucht eher etwas Träumerisches. Du musst dich auch mal zurückziehen können, dorthin wo es ruhiger ist, wo man rumspinnen kann, weil du nicht immer mitten im Trubel stehen und dabei auch noch ständig kreative und geniale Sachen entwickeln kannst. Aber ob das ein Vogel ist? Ich glaube nicht. Ich bin Familienvater gewesen, habe Kinder, habe Enkel, bin jetzt Opa. Es ist nicht so als würde ich völlig abgehoben irgendwo in der Toskana wohnen und jeden Tag nur Olivenöl machen.

Sie engagieren sich für verschiedene Hilfsprojekte. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Es hat sich so ergeben, dass ich gemerkt habe, dass man mit dieser Art von Arbeit auch helfen kann. Ich werde hin und wieder gefragt: Stellen Sie uns etwas zur Verfügung, damit wir das versteigern können, damit wir spenden können oder haben Sie eine Idee? Das kann ich natürlich nicht immer machen. Aber ich habe vor ein paar Jahren ein Engagement angenommen, dass ich nun Botschafter für die deutschen Kinderhospize bin, weil ich das wirklich unterstützen kann. Und ich mache etwas für demenzkranke Menschen.

Das sind ja schwierige Themen, aber auf der anderen Seite ist Humor nicht nur gut, wenn du ohnehin schon gut drauf bist. Sondern gerade wenn du nicht gut drauf bist, ist es eben wichtig, dass du eine Lebenshaltung einnimmst oder mal wieder lachen kannst oder einfach einen Schritt zurücktreten kannst und sagen kannst: „Achja, es hat auch seine schrägen Seiten.“

Mal einen Schritt zurück zu machen und etwas von Außen zu betrachten, das ist Humor. Und ich glaube, wenn du Humor hast, dann kommst du auch einfach ein bisschen leichter durch die Höhen und Tiefen und deswegen ist das auch für Menschen mit Krankheiten oft wichtig.

Vielen Dank. Schön, dass Sie da waren, Herr Gaymann.

Ich bin am 5. Juni schon wieder in Freiburg, weil ich da eine Ausstellung in der VHS mit meinen Bildern zum Thema ‚typisch badisch’ mache. Da gibt es ein Buch und natürlich dazu auch viele Originale, die ich mal ausstellen wollte. Also: FREIBURG FOREVER!

Info

Was: Installation “No sale” im Foyer der UB. Sie war Teil der Ausstellung “Kunst kommt von Kaufen” im Sommer 2015 im Museum für Neue Kunst.

Wann: Mo – Fr 8 – 20 Uhr, Sa 10 – 18 Uhr
Sonntags und an allen Feiertagen geschlossen

Der Eintritt ist frei.
Die Installation ist eine Dauerleihgabe des Künstlers.

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Fotos: Farina Kremer
Veröffentlicht am 25. Mai 2016

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