Stopp!

Stopp!

Sexuelle Übergriffe werden nicht erst seit Köln diskutiert. Wie sieht es aber an der Uni Freiburg aus? Machen sich die Ereignisse hier bemerkbar? Korbinian und Katrin haben mit der Gleichstellungbeauftragen Dr. Ina Sieckmann-Bock darüber gesprochen, wie sich Studierende gegen Übergriffe schützen können, welche Verhaltensweisen in einer Notsituation zu beachten sind und welche Ansprechpartner es an der Uni gibt.

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Unterstützt Studierende und Beschäftigte: Die Gleichstellungs-beauftragte Dr. Sieckmann-Bock.

Die “Badische Zeitung” berichtete im Januar 2016, dass einige Freiburger Diskotheken Flüchtlinge nicht mehr einlassen wollten, weil es unter anderem zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Wie sehen Sie als Gleichstellungsbeauftragte die aktuellen Vorfälle und Debatten über sexuelle
Belästigung?

Ich verfolge die Debatten ganz genau. Wichtig ist, klarzustellen, dass es Grundrechte gibt. Dazu gehört auch, dass niemand ohne Grund verdächtigt werden darf. Deshalb ist ein generelles Einlassverbot nicht in Ordnung.

Sexuelle Belästigung wird jetzt im Zusammenhang mit Flüchtlingen thematisiert, war aber auch schon früher ein breites Thema. Ich möchte davor warnen, es mit der Flüchtlingsthematik zu sehr zu vermischen und dadurch zu verkürzen.

Eine grundsätzliche Debatte über sexuelle Belästigung begrüße ich natürlich.

Ist in letzter Zeit ein Anstieg an sexuellen Übergriffen an der Uni auszumachen?

Einen Anstieg kann ich nicht feststellen. Ich habe aber den Eindruck, dass das Thema zurzeit mehr Beachtung findet. Es wird jetzt nicht nur bei direkten Vorfällen, sondern im alltäglichen Gespräch diskutiert.

Die Uni Freiburg wird leider, wie beinahe jede Institution in der Gesellschaft, mit dem Thema sexuelle Belästigung konfrontiert. Ein signifikanter Anstieg ist jedoch nicht zu beobachten.

Hat sich die Sensibilität der Studierenden an der Uni Freiburg hinsichtlich dieses Themas verändert? Sind die Studierenden vorsichtiger oder ängstlicher geworden?

Wenn ich dazu etwas sagen würde, dann wären das Mutmaßungen, da mir die Beobachtung fehlt. Ich hoffe nur, dass die Präventionsarbeit, die wir leisten, wirkt, und dass diejenigen, die wegen des Themas besorgt sind, ihre Sorgen so auch zum Beispiel bei mir loswerden können.

Was kann ich tun, um mich gegen sexuelle Übergriffe und Stalking zu schützen?

Ganz generell gehört ein selbstbewusstes Auftreten dazu. Wer das nicht schon von vorneherein besitzt, sollte sich schulen lassen.

Es ist auf jeden Fall ein Thema das von beiden Geschlechtern – ich spreche jetzt nur von zwei Geschlechtern – angegangen werden muss: Ein selbstbewusstes Auftreten der Frauen und eine Aufmerksamkeit der Männer. Sexuelle Belästigung ist nicht nur ein Problem von Frauen, sondern ein Problem der Gesellschaft. Also müssen sich beide Geschlechter damit auseinandersetzen.

Was können Studierende tun, wenn sie sich belästigt fühlen?

Die Uni Freiburg hat dazu einen Handlungsleitfaden erstellt, der entsprechende Anweisungen enthält. Eine ganz konkrete Handlungsweise ist natürlich die Zurückweisung, wenn es sich um eine einseitige sexuell geleitete Handlung handelt – denn genau dann sprechen wir von sexueller Belästigung. Zum Beispiel: „Nein, das will ich nicht“ oder „Stopp!“ oder „Lassen Sie das!“.

Was können Betroffene sonst noch tun?

Wir wissen, dass sich Betroffene häufig in einer Art Schockzustand befinden. Man erfährt die Belästigung – eine Berührung, ein zu nahes unflätiges Herantreten – vollkommen unerwartet. Passives Verhalten ist somit der häufigste Fehler. Im Gegenteil sollte die Frau sofort deutlich sichtbar machen, dass die Handlung des Gegenübers als Belästigung empfunden wird.

Auf Partys befinden wir uns häufig in einer Gruppe, sind also nicht alleine. Dieser sollte angezeigt werden, dass das Verhalten kein Flirt mehr ist.

Sie haben bereits Berührungen und nahes Herantreten erwähnt. Gibt es weitere Formen der sexuellen Belästigung?

Sexuelle Belästigung kann schon mit Postern und Plakaten oder E-Mails losgehen, die pornographischer Natur sind. Bei der Berührung geht es immer um die Einseitigkeit – wenn eine Partei nicht einverstanden ist, handelt es sich um ein Vergehen, dass unterbunden werden sollte.

Aber auch im Internet kann es zu solchen Situationen kommen. Dazu reicht es schon, wenn bestimmte Inhalte oder Aufforderungen in Chats oder Blogs ein unangenehmes sexuell berührendes Gefühl hervorrufen.

Stalking wird häufig im Zusammenhang mit sexueller Belästigung genannt. Wo fängt Stalking an?

Zunächst einmal bedeutet Stalking „dauerndes Nachstellen“. Dieses Nachstellen kann sich in Form einer Kontaktherstellung durch soziale Medien oder E-Mails äußern, aber auch durch das Aufsuchen von räumlicher Nähe, wenn Studierende beispielsweise Seminare nicht mehr ungestört besuchen können. Von Stalking sprechen wir, wenn eine Person einer anderen Person beispielsweise häufig an der Haustüre auflauert oder wenn man sich ständig beobachtet fühlt.

Stalking muss nicht immer zwingend mit sexueller Belästigung einhergehen, vielmehr sind diese Aktivitäten voneinander zu trennen. Der häufigste Fall, den wir verzeichnen, ist die Entwicklung von Stalking aus einer beendeten Beziehung heraus.

Welche Form von sexueller Belästigung kommt an der Uni Freiburg am häufigsten vor?

Das ist generell schwer zu sagen. Ich würde sagen wir haben es mit der kompletten Bandbreite zu tun. Diese geht von sexueller Belästigung über sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen. Es ist schwierig diesbezüglich eine wirkliche Einschätzung zu geben.

Die „einfachen Formen“ von sexueller Belästigung, wie das scheinbar ungewollte Berühren, das Verschicken von belästigenden E-Mails oder Fotos sowie einseitige Annäherungen auf Partys sind sicher häufig, werden aber in den seltensten Fällen als solche angezeigt. Sie werden von den Betroffenen fälschlicherweise einfach so hingenommen.

Wir wissen von Übergriffen von Dozenten gegenüber Studentinnen, aber wir kennen auch Fälle die unter Student und Studentin passieren. Weitere Beispiele sind sexualisierte Äußerungen in Seminaren oder Übungen. Sexistische Zeichnungen in Laborräumen kommen vor oder es gibt sexistische Werbeplakate für Partys.

Wie können Sie den Betroffenen helfen?

Prof. Dr. Klaus Baumann und ich wurden als Ansprechpartner und Ansprechpartnerin vom Rektorat für Fragen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung bestellt. Wir sind dafür zuständig darauf hinzuwirken, dass alle Mitglieder der Universität, egal ob Studierende, Professoren und Professorinnen oder Mitarbeitende aus Verwaltung und Technik vor sexueller Belästigung, Stalking, sexualisierter Gewalt und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts geschützt werden.

Dies kann zum Beispiel in Form eines Briefes von der Gleichstellungsbeauftragten an die belästigende Person passieren, in der diese aufgefordert wird, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und das Verhalten zu beenden. In diesem Brief wird eine Frist gesetzt, in der sich der Angeschuldigte äußern kann. Wird das Verhalten nicht eingestellt, folgt mit Einverständnis der Betroffenen ein weiterer Schritt. Es wird die Vermittlungskommission eingesetzt. Diese ist hochrangig mit dem Vizerektor, dem Kanzler, der Justitiarin und mir als Gleichstellungsbeauftragte zusammengesetzt. Von dieser Maßnahme mussten wir jedoch bisher erst einmal Gebrauch machen.

Weitere Kontaktstellen sind das Personaldezernat und die externen Beratungsstellen wie zum Beispiel die Beratungsstelle für Frauen und Mädchen in der Basler Straße.

Was geben Sie den Studierenden für die Zukunft mit auf den Weg?

Bleiben Sie weiterhin offen! Gehen Sie mit offenen Augen und Ohren durchs Leben um sich selbst, aber auch andere zu schützen. Scheuen Sie sich nicht von der Zivilcourage Gebrauch zu machen.

Am meisten möchte ich jedoch betonen, dass es wichtig ist, sich durch die aktuellen Ereignisse nicht zu sehr beeinflussen zu lassen, doch sie zum Anlass zu nehmen, darüber zu debattieren. Besonders möchte ich dazu aufrufen, die gewonnenen Freiheiten weiterhin hochzuhalten.

Info

Dr. Ina Sieckmann-Bock ist die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Freiburg. Zu ihren Aufgaben gehört die Mitwirkung bei der Durchsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Chancengleichheit von Frauen und Männern und bei der Beseitigung bestehender Nachteile für wissenschaftlich tätige Frauen sowie Studentinnen.

Auf der Website des Gleichstellungsbüros findet ihr den Handlungsleitfaden gegen sexuelle Belästigung und Stalking.

Kontakte

Dr. Sieckmann-Bock erreicht ihr über die E-Mail-Adresse gleichstellungsbeauftragte@uni-freiburg.de oder über ihr Sekretariat unter der Nummer 0761 / 203 4299.

Den Ansprechpartner für Männer an der Uni Freiburg, Professor Dr. Klaus Baumann, erreicht ihr unter klaus.baumann@theol.uni-freiburg.de oder unter Tel. 0761 / 2032110.

Die Beratungsstelle für Mädchen und Frauen befindet sich in der Basler Straße 8, 79100 Freiburg. Weitere Informationen findet ihr unter: www.basler8.de

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Teaserfoto: Katrin Thalweiser
Foto Dr. Sieckmann-Bock: © Gleichstellungsbüro
Veröffentlicht am 10. Mai 2016

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