Dossier: Geflüchtete in den Medien

Dossier: Geflüchtete in den Medien

Seit letztem Sommer beherrscht die intensive Berichterstattung über Flüchtende die Medien. Aber wie werden Geflüchtete in Print, Radio und TV dargestellt? Dazu sprach uniCROSS mit Dr. Julia Elsky, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Aus diesem Anlass hat uniCROSS ein Dossier aus allen Beiträgen zur Thematik Geflüchtete erstellt.

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Dr. Julia Elsky ist Assistenz-Professorin für Französische Literatur und arbeitet derzeit als Junior Fellowship in einem freien Forschungsjahr am FRIAS in Freiburg. Sie beschäftigt sich mit der Darstellung von Geflüchteten in den Medien und organisierte zuletzt eine Tagung zur Geschichte der Repräsentation von Geflüchteten in Europa.

„Es ist das Paradox der Masse, das in der medialen Berichterstattung im Vordergrund steht“, sagt Julia Elsky. Oder anders gesagt: Die Berichterstattung über die Ankunft von Geflüchteten ähnelt der Erzählung einer Massenwanderung. Dabei gehe es weniger um einzelne fliehende Menschen, mit individuellen Schicksalen. Vielmehr werden Individuen zu einer großen und unüberschaubaren Menschenmenge geformt, die an Grenzzäunen rüttelt oder auf Autobahnen wandert.

Einzelschicksale werden ausgeblendet

„Diese Bilder sind irreführend“, sagt Julia Elsky. Denn, im Exil zu sein, bedeute vor allem die Begegnung mit der Einsamkeit. Auch wenn die Massenunterkünfte und Bilder von überfüllten Booten einen anderen Eindruck vermitteln, sind die meisten Menschen in einem fremden Land erstmal auf sich allein gestellt.

Neben dem Bild einer ankommenden Masse habe sich das Foto des toten Flüchtlingskindes am türkischen Strand in den Köpfen der Menschen eingeprägt. Obwohl es hier um eine einzelne Person gehe, sei das Kind auf dem Bild universell und anonym geworden. „Bei diesem Foto steht das Motiv der absoluten Verletzlichkeit im Vordergrund“ – und bilde damit einen Widerspruch zum Bild der unkontrollierbar wirkenden Masse.

Ein Geflüchteter werde als Opfer porträtiert, der seine Zukunft nicht aktiv beeinflussen kann, sondern vom Schicksal einfach weggespült wird. Beide Bilder verbinde dennoch ein Aspekt: Unterschiedlichste individuelle Lebensgeschichten werden zu einer stereotypischen Erzählung von Flucht verpackt.

Eine ähnliche Vorgehensweise sieht Julia Elsky in den bürokratischen Strukturen. Staaten haben versucht, mit der Hilfe von Anträgen und Formularen, die Fluchtgeschichten zu standardisieren und damit die Situation zu handhaben. Individuelle und persönliche Geschichten werden dadurch in offiziellen Papieren nicht widergespiegelt.

Die Wissenschaft muss helfen

Auf der von ihr organisierten Tagung in Freiburg beschäftigten sich Wissenschaftler aus aller Welt mit der Frage der Repräsentation von Geflüchteten. Aber wieso setzt sich die Wissenschaft überhaupt mit dieser Thematik auseinander? Julia Elsky sieht durch wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Repräsentation von Geflüchteten beschäftigen, eine Chance, die tendenzielle Darstellung von Geflüchteten als homogene Gruppe zu durchbrechen.

Ihren persönlichen Anspruch an die Wissenschaft hat sie klar definiert: „Ich hoffe, dass in Zukunft Menschen mit Fluchterfahrung eine lautere Stimme bekommen“. Mit der Verbreitung persönlicher Erfahrungsberichte könne eine größere Empathie zu den Geflüchteten in den Ankunftsländern entwickelt werden. Die zunächst noch unscharfen Gesichter der Geflüchteten würden dann geschärft und besser wahrgenommen.

Dr. Julia Elsky

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Dr. Elsky forscht am FRIAS in Freiburg.

… ist Assistenz-Professorin für Französische Literatur und ist derzeit als Junior Fellow in einem freien Forschungsjahr am FRIAS in Freiburg. Im Herbst 2016 wird sie eine Stelle als Assistenzprofessorin für Französistik an der Loyola University Chicago antreten.

Julia Elsky beschäftigt sich mit den Werken von jüdischen Exilschriftstellern im besetzten Frankreich und forscht über die Repräsentation von Geflüchteten in Literatur und Medien. Im Mai 2015 veranstaltete sie im Rahmen dieser Tätigkeit eine Tagung zum Thema: „Refugees in Europe: A Long History of Representation“.

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Das Dossier

Das Dossier besteht aus Audio-, Video- und Textbeiträgen. Es ist in die sechs Themenbereiche “Auf dem Weg nach Europa”, “Geflüchtete vs. Menschen”, “Einzelschicksale”, “Ehrenamtliches Engagement in Freiburg”, “Was macht die Uni?” und “Was macht die Politik?” unterteilt.

Auf dem Weg nach Europa (3 Beiträge)

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Der Weg nach Europa ist beschwerlich. Trotzdem flohen bis Ende 2015 mehr als eine Million Geflüchtete allein nach Deutschland. Im vergangen Jahr kamen viele Menschen vor allem über die Balkanroute. uniCROSS hat mit Studierenden gesprochen, welche die Menschen dort begleitet und unterstützt haben. weiterlesen

Geflüchtete vs. Menschen (3 Beiträge)

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Geflüchtete sind Menschen. Nicht immer wird aber auch so mit ihnen und über sie gesprochen. Nicht immer werden sie als solche behandelt. Manche begegnen ihnen mit Hass und Anfeindungen. uniCROSS hat nach Ursachen und Lösungen gefragt. weiterlesen

Einzelschicksale (6 Beiträge)

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Flüchtlingswelle – ein Begriff, der ganz Europa beschäftigt. Aber wer kommt da eigentlich? Wir brechen die Massen auf und haben ein paar dieser Menschen kennengelernt. Sie lassen uns an Ihrem Leben teilhaben, erzählen uns ihre Geschichten und erklären, wie so ein Leben in Deutschland sein kann. weiterlesen

Ehrenamtliches Engagement in Freiburg (7 Beiträge)

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Helfen, aber wie? In Freiburg gibt es zahlreiche Möglichkeiten Geflüchtete zu unterstützen. Dabei muss Hilfe nicht immer aufwendig und zeitintensiv sein. Ob mit Kindern zusammen lesen, eine Patenschaft aufnehmen, sein Fahrrad spenden oder selbst im Netz ein Event organisieren: Hilfe kann ganz einfach sein. uniCROSS hat nachgehakt und mitgemacht. weiterlesen

Was macht die Uni? (3 Beiträge)

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Um studieren zu können, müssen Geflüchtete oftmals lange Wartezeiten und bürokratischen Aufwand auf sich nehmen. Innovative Projektideen helfen, die Barrieren zu senken und den Weg zur Uni zu erleichtern. weiterlesen

Was macht die Politik? (2 Beiträge)

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„Die Politiker lassen uns alleine“. Dieser Satz war in der Bevölkerung oft zu hören. Die deutsche und die europäische Flüchtlingspolitik waren und sind auch tatsächlich durch viele Kontroversen geprägt. Eine strukturierte Hilfe für Geflüchtete wird dadurch extrem erschwert. uniCROSS hat die Ereignisse verfolgt. weiterlesen


Beitrag Zur Masse gemacht: Text Vanessa Nicklaus und Patrick Seibert.

An diesem Dossier haben Studierende der crossmedialen Ausbildungsredaktion uniCROSS mitgearbeitet:
Nadja Berghahn, Ilyas Buss, Annika Enning, Fabienne Fischinger, Viola Franken, Anna Greule, Jakob Groth, 
Sabina Kist, Frederike Klimm, Hanno Müller, Sebastian Müller-Runte, Vanessa Nicklaus, Dominic Preißner, 
Simone Rehm, Elisa Schinke, Lilly Schlangnitweit, Patrick Seibert, Leonie von Wangenheim, Robert Wolf

Teasertexte Themenbereiche: Sarah Bruder, Leonie Gies, Emilie Häberle, Sabina Kist, Patrick Seibert 
Konzeption: Sabina Kist, Patrick Seibert
Teaserfoto, Foto Dr. Elsky: Patrick Seibert
Foto "Auf dem Weg": Sabina Kist
Foto "Gefluechtete vs. Menschen": Patrick Seibert
Collage "Einzelschicksale": Hanno Müller, uniTV, Privat 
Foto "Ehrenamtliches Engagement in Freiburg", "Was macht die Uni?", "Geflüchtete und Politik": Patrick Seibert
Veröffentlicht am 2. Juni 2016

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