Randale und andere Skandale der EM

Randale und andere Skandale der EM

Die EM hat polarisiert, dabei ging es jedoch nicht immer um die Ereignisse auf dem Platz. Nadine Bickmann arbeitet im Freiburger Fanprojekt mit der aktiven Fanszene des Freiburger SC und hat sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit auch mit Geschlechterkonstruktionen im Fußball auseinandergesetzt. Samantha hat mit ihr über den Unterschied von Hooligans und Ultras und über die erste EM-Moderatorin gesprochen.

Nadine, du bist als Sozialarbeiterin im Freiburger Fanprojekt für die Betreuung jugendlicher Fußballfans zuständig. Du begleitest die aktive Fanszene bei Heim- und Auswärtsspielen und stehst den Jugendlichen bei Problemen mit der Polizei, Justiz oder auch bei alltäglichen Dingen, wie dem Schreiben von Bewerbungen zur Seite. Wie kamst du zu der Arbeit im Fanprojekt?

Auf das Fanprojekt aufmerksam wurde ich durch mein Praxissemester beim Jugendhilfswerk Freiburg e.V, das ich im Rahmen meines Bachelorstudiums „Erziehung und Bildung“ an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg gemacht habe. Nach meinem Praxissemester wurde ich als studentische Hilfskraft übernommen und seit meinem Studienabschluss bin ich feste Mitarbeiterin im Fanprojekt.

Ein rauer Umgangston und vor allem gewalttätige Übergriffe von Hooligans, Krawalle und Bengalos haben im Rahmen der EM für zahlreiche Schlagzeilen gesorgt. Probleme die auch in niedrigen Ligen vorkommen können. Inwiefern wirst du im Rahmen des Fanprojekts damit konfrontiert?

Das sind natürlich auch Themen, denen wir bei unserer Projektarbeit mit Jugendlichen aus der aktiven Fanszene unter anderem begegnen, abgesehen von den Hooligans, die es in Freiburg nicht gibt. Gewalttätige Ausschreitungen sind aber zum Glück nicht die Regel. Wir lehnen Gewalt strikt ab und arbeiten Vorfälle dieser Art im Rahmen des Projekts auf. Dabei muss aber auch berücksichtigt werden, dass es sich bei den Ultras um eine eigene Subkultur mit eigenen Regeln und Vorstellungen handelt. Im Vergleich zu anderen Städten herrscht in Freiburg aber eigentlich eine ziemlich entspannte und familiäre Atmosphäre im Stadion.

Was ist der Unterschied zwischen Hooligans und Ultras?

Ich denke ein entscheidender Unterschied ist, dass für deutsche Hooligans vor allem die Gewalt und der damit verbundene Adrenalinkick wichtig ist und der Fußball dafür die entsprechende Bühne bietet. Manchmal handelt es sich dabei ja sogar um sogenannte Drittortschlägereien, die außerhalb des Stadions verabredet werden.

Das Ziel von Ultras ist vor allem, den eigenen Verein zu unterstützen und anzufeuern. Dabei setzten sie sich aber auch kritisch mit Themen rund um den Fußball und den Verein auseinander, wie beispielsweise im Rahmen der Faninitiative zum neuen Stadion in Freiburg.

Wie verschaffst du dir Respekt gegenüber den Jugendlichen?

Als Sozialarbeiterin trete ich in deren Lebenswelt ein und erkenne sie auch als diese an. Ich bin zunächst einmal Gast und biete daher zwar meine Hilfe an, halte mich aber so lange zurück, bis jemand sich an mich wendet. Einige akzeptieren mich bereits jetzt, obwohl ich noch nicht so lange im Fanprojekt dabei bin und andere werden es vielleicht noch.

Gab es schon Situationen in denen du dich bedroht gefühlt hast?

Natürlich gibt es manchmal Vorfälle, die zu brenzligen Situationen führen. So zum Beispiel eine Begegnung mit einer anderen Ultragruppe an meinem ersten Praktikumstag im Fanprojekt. Aber das sind Ausnahmen und sonst fühle ich mich auch nicht bedroht.

Weibliche Fußballfans sind auch heute noch ein seltener Anblick. Wie viele Frauen gibt es in der Freiburger Fanszene und welche Rolle kommt ihnen zu?

Frauen sind immer eine Minderheit im Fußballstadien vor allem in den aktiven Fanszenen. Denn dort herrscht nicht nur ein rauer Umgangston, viele Männer sind der Meinung, dass Frauen im Stadion nichts verloren haben. Es ist sehr schwer Anschluss in der Szene zu finden und häufig werden Frauen, lediglich aufgrund ihres Partners akzeptiert. Tatsächlich gibt es aber auch ein paar wenige Frauen-Ultragruppen, die diesen radikalen Ansichten der Männer gerne auch mal mit Humor begegnen. Der Frauenanteil in der Freiburger Fanszene beträgt momentan circa 15 Prozent.

Mit Claudia Neumann gab es in diesem Jahr erstmals bei einer EM oder WM eine Kommentatorin. Dafür wurde sie im Internet stark kritisiert und sogar bedroht. Du hast in deiner Bachelorarbeit untersucht, welche Rolle Frauen im Fußball zukommt und inwieweit sie sich in der aktiven Fanszene akzeptiert fühlen. Warum hast du ausgerechnet dieses Thema gewählt?

Schon seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Fußball und bis vor kurzem habe ich auch noch selbst in einem Verein gespielt. Dadurch ist der Geschlechterkonflikt im Fußball natürlich auch an mir nicht vorbei gegangen. Als Frauenmannschaft wurden wir von den Männern im Verein nie richtig akzeptiert und als ich beim Fanprojekt angefangen habe, zu diesem Zeitpunkt als einzige Frau im Team, wurde mein Geschlecht ständig thematisiert. Inzwischen besteht das Team aus zwei Frauen und zwei Männern.

Und was Claudia Neumann betrifft: Ich kann den ganzen Ärger nicht nachvollziehen. Mir ist es völlig egal wer ein Spiel kommentiert, solange der Kommentar fachlich richtig ist. Ich habe mich erst heute morgen in einer Petition dafür eingesetzt, dass Frau Neumann das EM Finale moderieren soll.

Infos

Das Fanprojekt wurde auf Bundesebene in fast allen Städten, in denen Profifußball gespielt wird, eingerichtet. Es zielt darauf ab Jugendliche und junge Erwachsene Fußballfans im Stadion und darüber hinaus zu erreichen und ihnen eine Anlaufstelle zu bieten.

2013 kam es zur Gründung des Fanprojekts in Freiburg.

Mehr zum Freiburger Fanprojekt www.fanprojekt-freiburg.de

Foto: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 2. Juli 2016

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