Vom Sportmuffel zum Athleten?

Vom Sportmuffel zum Athleten?

Fitnessblogs erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Sie sind überall abrufbar, kostenlos und voller motivierender Tipps und schaffen es so, selbst die trägsten Couchpotatos vom Sofa zu locken. Doch können wir Fitnessblogs bedenkenlos nutzen?

Das Angebot an Fitnessblogs ist riesig. „EatTrainLove“, „Beingfitisbeingfun“ oder „MarathonFitness“ sind nur einige Beispiele für Websites, auf denen wir uns über Sport, Ernährung und Lifestylethemen informieren können. Unzählige Blogger versorgen uns mit Beiträgen wie „Die besten Übungen für einen flachen Bauch“ oder „10 eiweißhaltige Lebensmittel, die dir beim Muskelaufbau helfen“.

Neben Informationen liefern die Blogs vor allem eines: Motivation. Diese wird in vielen Fällen durch die persönliche Erfahrung des Bloggers erzeugt, der von seiner Wandlung vom Sportmuffel zum durchtrainierten Athleten berichtet.

Halbwissen und Fehlinformationen

Denise Zdzieblik ist Expertin für Sporternährung am Institut für Sport und Sportwissenschaft in Freiburg. Sie weist darauf hin, dass Fitnessblogs mit Vorsicht zu genießen sind.

Viele Blogs verbreiteten sport- und ernährungswissenschaftliches Halbwissen und zum Teil sogar Fehlinformationen. Prinzipiell kann jede Person bloggen, ob sie sich auskennt oder nicht. Beliebt werden Blogs nicht unbedingt durch professionelles Wissen, sondern vor allem dann, wenn die Blogger ihre Fans besonders gut motivieren können und sympathisch erscheinen.

Umso wichtiger ist es, die Qualität von Fitnessblogs zu überprüfen. Doch wie erkenne ich einen guten Fitnessblog? Zdzieblik rät, sich die Person hinter dem Blog genauer anzusehen. Gibt es Informationen zur Ausbildung des Bloggers? Handelt es sich beispielsweise um einen geprüften Fitnesstrainer oder einen Sport- oder Ernährungswissenschaftler?

Außerdem sei es sinnvoll, Fitnessblogs zu vergleichen. Die Tipps, die sich überschneiden, entsprächen am ehesten dem aktuellen Wissensstand.

Workouts zum Nachmachen

Viele Fitnessblogger stellen nicht nur Informationen und Tipps zur Verfügung, sondern auch Anleitungen für Workouts. Auf Youtubekanälen laden sie Bauch-Beine-Po-Übungen, HIIT-Einheiten, also hochintensives Intervalltraining und Yogasessions zum Nachmachen hoch.

Diese Trainingsvideos scheinen zunächst sehr praktisch, vor allem, weil die Übungen jederzeit und ohne großen Aufwand zu Hause durchgeführt werden können.

Doch besonders für Sportanfänger bestehe bei diesen Workouts ein erhöhtes Risiko, warnt Zdzieblik: „Ein generelles Problem ist, dass diese Videos zwar die Anleitungen zeigen, aber kein Trainer die Ausführung überprüfen und gegebenenfalls verbessern kann.“

Wer sich schon ein bisschen auskennt könne zwar besser einschätzen, ob die Übungen richtig ausgeführt werden und welche Übungen für einen selbst optimal sind. Doch bei Kraftübungen, die beispielsweise mit Gewichten ausgeführt werden, könne es selbst für fortgeschrittene Sportler schnell gefährlich werden.

Zdzieblik empfiehlt im Zweifel das direkte Gespräch mit einem Fitnesstrainer und würde in jedem Fall das betreute Training im Fitnessstudio vorziehen. Vor allem wenn es um gesundheitsbezogenen Gewichtsverlust gehe, sollte auch immer der Arzt zu Rate gezogen werden.

Fitness als Ersatzreligion

Sich über einen gesunden Lebensstil zu informieren, ausgewogen zu essen und Sport zu treiben ist zunächst einmal löblich. Gerade in Verbindung mit Instagram und Facebook kann ein vermeintlich gesunder Lebensstil aber schnell zu einer regelrechten Fixierung auf gesundes Essen und Sport werden.

„In der heutigen Gesellschaft ist das Schönheitsideal extremer als es noch vor einigen Jahren war“, sagt Denise Zdzieblik. Das zwanghafte Verhalten, sich gesund zu ernähren und sich entsprechend zu bewegen, hat sogar einen Namen: Orthorexia nervosa. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein anerkanntes Krankheitsbild.

Wenn aus dem eigenen Verhalten eine regelrechte Ideologie wird, kann es problematisch werden. In extremen Fällen könne sich daraus eine Essstörung entwickeln: „Wenn es schlimm kommt, nimmt man am gesellschaftlichen Leben gar nicht mehr Teil, weil man so sehr auf die Fitness und Ernährung fixiert ist.“

Zdzieblik rät dazu, bei einer Umstellung der Lebensgewohnheiten immer Freunde und Familie miteinzubeziehen, egal ob es um das allgemeine Wohlbefinden oder eine Gewichtsreduktion geht. Denn Freunde und Familie merken oft schnell, wenn sich eine Person zurückzieht oder das Sport- und Ernährungsverhalten immer extremer wird und können Unterstützung bieten.

„Lieber dick und fit als schlank und krank“

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Bewegung sind wichtig, da sind sich die Experten einig. Wenn die Qualität stimmt, können Blogs dabei eine gute Orientierung bieten. Jede Art von Bewegung ist zunächst einmal besser als gar keine, sagt auch die Expertin.

Gerade wenn es um die Motivation zum Laufen oder Fahrradfahren gehe, seien solche Blogs eine „super Sache“. Wenn jemand seine allgemeine Fitness verbessern oder das letzte Kilo zur Bikinifigur loswerden will, spricht also nichts dagegen, Fitnessblogs zur Inspiration und Motivation zu nutzen.

Bei allem Ehrgeiz dürfe die Freude am Leben nicht zu kurz kommen, gibt Zdzieblik zu bedenken. Sie ist der Meinung: „Lieber dick und fit als schlank und krank.“

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Veröffentlicht am 26. Juli 2016

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