Sind Messer heute den Schurken vorbehalten?

Sind Messer heute den Schurken vorbehalten?

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Massenweise Studierende und Angestellte, die sich zur Mittagszeit zwischen Vorlesungen, Bibsessions und Bürokratie die Bäuche vollschlagen. Ein automatisiertes Verhalten mit routinierter Abfolge: Anstehen, Tablett beladen, Platznehmen, essen, Tablett entsorgen. Durchbrochen wird die stupide Alltagsroutine nur durch wechselnde Menüfolgen und die Platzwahl im Saal – die sich zu Stoßzeiten ebenfalls erübrigt.

Siesta geht anders

Mit der Siesta in südlichen Ländern, benannt nach der sechsten Stunde nach Sonnenaufgang, die in den Sommermonaten auch gerne mal bis 17 Uhr dauern kann, hat die Mittagspause in der Mensa leider nicht viel gemein.

Fester Bestandteil unserer Mahlzeit-Szenerie und heute nicht mehr wegzudenken, ist unter anderem auch das Smartphone. Ob als Ablenkung, für einsame Mensapausen, um den weitere Tagesverlauf zu planen, den Facebook Status und das Instagram Profil durch ein Essenspost zu erweitern oder die Speisepläne der nächsten Tage zu checken.

Herbe Zeiten für die Speisemesserwirtschaft

Dadurch entstehen nicht nur Einschränkungen, was die direkte face-to-face Kommunikation während des Essens betrifft, indem mitten im Satz … Die Evolution hat uns bis zum heutigen Tage leider auch keinen dritten Arm geschenkt, der uns eine Multitasking-Messer-Gabel-Handy-Kombi am Tisch erlauben würde. Und so scheint das Messer immer mehr aus seinem Lebensraum auf den Tischen und Tafeln der westlichen Welt zurückgedrängt und den Oberschurken vorbehalten zu sein.

An der Besteckausgabe blicken mir aus den bis unter den Rand gefüllten Edelstahlbehältern die Messer mit herunterhängenden Mundwinkeln traurig entgegen, während ihnen die letzten übrig gebliebenen Gabeln offenbar die Stinkezinke zeigen. Ist das die Rache für die Jahrtausende überdauernde Bevorzugung des Messers in der Menschheitsgeschichte? Dabei schien die Symbolik von Messern und Gabeln dieses Defizit längst ausgeglichen zu haben: Ranken sich noch heute Legenden über Verrat, Tod und Mord um das Messer während man mit der dreizinkige Gabel immerhin als Herrscher der Weltmeere gilt.

Zurück in die Steinzeit

Die Auswirkungen des messerlosen Tafelns zeigt sich gerne in Form schnellen Einverleibens, durch aggressives Zerdrücken mit der Gabel, während große Fleischstücke schwungvoll aufgespießt und unter Einsatz der Reißzähne gierig abgebissen und heruntergeschlungen werden – ganz wie in alten Zeiten. Gelegentlich folgt darauf auch eine ereignisreiche Jagd letzter Soßenpartikel, die in feinster Akribie mit Hilfe der Gabel vom noblen Mensaporzellan gekratzt werden. KRCHHHH, KRCHHH, KRCHHHH, KRCHHH.

Knigge – völlig missverstanden

Schneckenzange, Austernbrecher und Hummergabeln scheinen in Zeiten veganer Alternativprodukte überflüssig und Teil archaischer Hofgesellschaften antiquierter Zeiten zu sein, die ähnlich wie Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge heute zunehmend belächelt werden. Was viele nicht wissen: Sein Bestreben war es keinesfalls, die Menschen und deren Tischmanieren zu maßregeln, sondern ihnen die Kunst des Umgangs mit Menschen basierend auf den eigenen Erfahrungen näherzubringen und dadurch den Zugang und die Eingliederung in die verschiedensten Gesellschaftsschichten zu erleichtern.

Mensaessen gehasselhofft

Ob ein geräuschintensiver Lebensmittelkonsum angelehnt an Hasselhoffs Burgerdinner, mit Handy in der Hand und Ellenbogen auf dem Tisch, sich wirklich dazu eignet in Gesellschaft anderer Sympathie und Akzeptanz hervorzurufen, ist zu bezweifeln, auch wenn diese Entscheidung immer im Ermessen des Einzelnen liegen wird. Dennoch schadet es sicherlich nicht, häufiger das Handy einfach mal in der Tasche zu lassen, kurz abzuschalten und aktiv zum Artenschutz des Messers auf Esstischen beizutragen.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und schreibt in ihrer Kolumne “Mein Senf” darüber.

 

 

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Foto: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 11. August 2016

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