Datenschutz: „Natürlich überlege ich, was ich öffentlich mache“

Datenschutz: „Natürlich überlege ich, was ich öffentlich mache“

Wie sicher sind unsere Daten an der Uni eigentlich und wie kann es sein, dass Produktpreise im Internet nach dem Einkommen festgelegt werden? Samantha hat mit Peter Schaar, dem ehemaligen Bundesbeauftragten für Datenschutz, über Datenmissbrauch, datengetriebene Geschäftsmodelle wie Facebook, WhatsApp oder Twitter und den Citizen Score der chinesischen Regierung gesprochen.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Freiburger Horizonte des Freiburger Institute for Advanced (FRIAS) sprach Peter Schaar im Juli 2016 in der Aula der Uni Freiburg zum Thema “Informationsgesellschaft ohne Datenschutz?”. uniCROSS hatte davor die Möglichkeit, ihm einige Fragen zu stellen.

Herr Schaar, Sie waren von 2003 bis 2013 Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit. Wie gefährlich sind Facebook, WhatsApp, Twitter und andere Dienste was Datenschutz betrifft wirklich?

Es ist sehr strittig, wie gefährlich sie sind. Tendenziell kann man schon sagen, dass die Gefahr des Datenmissbrauchs zunimmt, wodurch für die Betroffenen Nachteile entstehen können. Gefährlich ist nicht nur der direkte Missbrauch – also etwa der Datendiebstahl – , sondern auch, dass die Daten verwendet werden, um Menschen zu bewerten und einzusortieren. Dabei geht es darum, anhand abstrakter, für den Betroffenen weitgehend instransparenter Kriterien beispielsweise die Kreditwürdigkeit einer Person festzustellen. Einen Kulminationspunkt bildet der Plan der chinesischen Regierung, einen sogenannten Citizen Score für gesellschaftliches Wohlverhalten einzuführen. Wenn dieses Wohlverhalten nicht gegeben ist, kriegt man eben den Job oder Studienplatz nicht, den man sich wünscht.

Inwieweit glauben Sie, wird die Unwissenheit und Gedankenlosigkeit einiger User von Unternehmen und Politik bewusst ausgenutzt, um eigene Interessen durchzusetzen?

Kritisch sehe ich insbesondere die datengetriebenen Geschäftsmodelle, die ihrer Natur nach maßlos sind und kein Vorbild für eine Zukunftsgesellschaft sein dürfen. Wir bezahlen diese Dienste dadurch, dass sie unsere Profile speichern, weiterverkaufen oder sie – wie Google und Facebook – nutzen, um etwa personalisierte Werbung zuzustellen. Denken Sie aber auch an Preisdifferenzierungen. Diejenigen, die besonders stark auf eine Dienstleistung angewiesen sind und von denen man vermutet, dass sie das auch bezahlen können, müssen dann vielleicht das Doppelte oder Dreifache für ein Produkt oder eine Dienstleistung bezahlen.

Kann die Legislative da überhaupt noch nachkommen?

Der Gesetzgeber hängt in solchen Fragen immer der Technik hinterher. Aber es ist richtig, dass man hier Rahmenbedingungen so setzen muss, damit ein fairer Wettbewerb zwischen den Unternehmen stattfindet. Beim Datenschutz sollte der Einzelne über seine Informationen selbst bestimmen, damit die ungezügelte Datensammlung begrenzt oder zumindest kanalisiert wird. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Wie sicher sind Daten an Schulen und Universitäten in Deutschland?

Ich denke, dass Universitäten eigene Informationsstrukturen betreiben und insofern sind sie nicht sicherer oder unsicherer als sonstige Strukturen in Behörden. Da gibt es von Universität zu Universität sicherlich Unterschiede. Bestimmte Praktiken, wie die Matrikelnummer in Papierform und alle möglichen Informationen auszuhängen, sind inzwischen hoffentlich ausgestorben und sollten auch nicht eins zu eins auf elektronische Medien übertragen werden. Denn heute nimmt man sein Smartphone, fotografiert die Liste ab und wenn man den dazugehörigen Namen erfährt, dann sind alle diese Daten personenbezogen, da muss man sehr vorsichtig sein.

Sie waren nicht nur Bundesbeauftragter für Datenschutz sondern auch für Informationsfreiheit. Was ist das Informationsfreiheitsgesetz und was bedeutet es für uns?

Das Informationsfreiheitsgesetz garantiert, dass jedermann zu den Informationen, die der Staat in Akten und elektronischen Datensammlungen besitzt, Zugang bekommt. Nicht nur soweit sie die eigene Person betreffen, sondern auch Informationen über Planungsvorhaben von Verwaltungen in Kommunen, Städten, auf Landes- und auf Bundesebene. Leider enthalten viele der Informationsfreiheitsgesetze jede Menge Ausnahmen. Ich bezweifle, ob das angemessen ist.

Wenn durch das Informationsfreiheitsgesetz der Zugang zu Akten garantiert wird, wie kann es sein, dass der Entwurf des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) so unter Verschluss gehalten wird, dass er für die Öffentlich kaum zugänglich ist?

In diesem Fall gelten die Regelungen der Europäischen Union. Dort gibt es zwar auch ein Zugangsrecht zu Dokumenten, aber davon sind Dokumente über laufende Verhandlungen ausgenommen. Ich denke, dass diese sehr zugeknüpfte Haltung der EU-Verantwortlichen, das Vorenthalten der Informationen sogar gegenüber den kontrollierenden Parlamentariern und das zu erwartende Präsentieren fertiger Ergebnisse ohne jede Änderungsmöglichkeit, das Vertrauen nicht stärken wird.

Inwiefern hat sich das Verhalten und Interesse für Datenschutz seit Edward Snowdens Enthüllungen über die Spionagearbeit der Geheimdienste verändert?

Klar ist, dass viele Menschen heute nicht mehr ganz so naiv sind. Andere haben die Sache abgetan, mit der Begründung: „Für mich interessieren sich die Geheimdienste nicht.“ Das stimmt für die meisten wahrscheinlich sogar, aber niemand weiß wirklich, wer in dem Raster hängen bleibt. Zudem haben viele nicht-amerikanische Firmen die Befürchtung, dass Informationen zur Konkurrenz gelangen könnten, wenn sie ihre Daten auf Servern speichern, die von amerikanischen Firmen betrieben werden, auf die Geheimdienste zugreifen können. Es geht hier also sowohl um den Schutz persönlicher Daten als auch um die Gewährleistung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Was fordern Sie in Sachen Datenschutz von der Politik?

Die Politik – das sind natürlich sehr unterschiedliche Adressaten. Die Parlamente haben in allererster Linie den rechtlichen Rahmen zu setzen. Ein wichtiger Schritt ist hier die europäische Datenschutzgrundverordnung, eine europaweite einheitliche Vereinbarung zum Schutz von Daten, die in zwei Jahren in den dann wohl nur noch 27 EU-Ländern in Kraft treten wird.

Aber ganz wichtig ist natürlich auch die Durchsetzung der Bestimmungen. Bisher haben Datenschutzbehörden nur geringe Sanktionsbefugnisse. In Deutschland liegt das höchste Bußgeld bisher bei 300.000 Euro. In Zukunft können es bis zu 5 Prozent des Weltjahresumsatzes einer Firma sein, da kann selbst ein großes Unternehmen  den Datenschutz nicht mehr so einfach ignorieren. Politik und Unternehmen sind also gleichermaßen gefordert.

Was machen Ihre Kinder im Internet anders, als Kinder, deren Vater kein ehemaliger Datenschutzbeauftragter ist?

Meine Kinder gehören zu den sogenannten Digital Natives, die mit Computertechnik aufgewachsen sind. Auch wenn die Dienste und sozialen Netzwerke heute um einiges leistungsfähiger sind als früher, denke ich, dass sie wissen was sie tun. Ich habe mit ihnen über Überwachung, Registrierung und die Preisgabe persönlicher Daten gesprochen und denke, bei ihnen ist angekommen, dass sie vorsichtig mit ihren Daten umgehen sollen.

 Wie schützen Sie Ihre Daten?

Ich glaube nicht, dass ich das ganz anders mache als die meisten Menschen. Natürlich weiß ich mehr über Risiken und ich überlege schon, welche Informationen ich öffentlich mache. So bin ich, was das Private anbelangt, eher zurückhaltend. Aber in Hinblick auf das, was ich politisch in Sachen Datenschutz oder im Rahmen meiner sonstigen fachlichen Aktivitäten tue, nutze ich die entsprechenden elektronischen Kanäle als Multiplikatoren, etwa Twitter. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass dadurch letztlich auch Profile entstehen könnten.

Info

Seit 2013 ist Peter Schaar Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) und schreibt dazu einen Blog. Mehr zum EAID gibt es auf www.eaid-berlin.de

Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe des Freiburger Institute for Advanced Studies (FRIAS):

www.frias.uni-freiburg.de/de/veranstaltungen/freiburger-horizonte

Mehr zum Thema bei uniCROSS

Zum Wintersemesterstart 2016/2017 werden die Redaktionen von uniFM, uniONLINE und uniTV in einem crossmedialen Projekt näher auf das Thema “Datenschutz” und “Datenschutz im studentischen Alltag” eingehen. Mehr über das Projekt gibt es schon bald auf  www.facebook.com/uniCross.Onlineredaktion/ und auf unserer Webseite.

Foto: Farina Kremer
Autoren:
Veröffentlicht am 23. August 2016

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