Mit anderen Mitteln, für einen anderen Zweck

Mit anderen Mitteln, für  einen anderen Zweck

Menschen halten permanent Geld in ihren Händen und geben es wieder aus. Wo dieses Geld später zirkulieren wird, weiß allerdings keiner. In Freiburg gibt es seit 2008 den „Freitaler“, eine der vielen deutschen Regionalwährungen, die einen Anreiz zum regionalen Konsum schaffen sollen.

Wir sind es inzwischen gewohnt, viele Artikel im Internet zu bestellen, Früchte aus Neuseeland und Ecuador in deutschen Supermärkten zu sehen und Kleidung einzukaufen, die durch eine komplexe Produktionskette an vier unterschiedlichen Orten Halt gemacht hat. Allerdings verlieren Konsumenten im Zuge der Globalisierung den Überblick über die großen Wirtschaftskreisläufe und sind sich somit nicht mehr bewusst, welche Arbeit von wem und mit welchen Mitteln für ein Produkt investiert wurde.

In Berichten über die globale Finanzkrise und die Dokumentationen und Filme, wie zum Beispiel „The Big Short“, der letztes Semester im aka-Filmclub vorgeführt wurde, wird außerdem die Instabilität des globalen Wirtschaftssystems zur Schau gestellt: Banker spekulieren und jonglieren mit großen transnationalen Geldsummen und Wirtschaftszahlen können nicht mehr die aktuelle Ökonomie angemessen beschreiben.

Der Freitaler als regionale Währung

In vielen Orten Deutschlands kursieren deshalb Regionalwährungen. Viele dieser Regionalgelder sind nach der Einführung des Euros entstanden und ihr Umlauf hat sich durch den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise erhöht. In Freiburg gibt es seit 2008 als Regionalgeld den „Freitaler“. Allerdings haben nur ein paar Dutzend Freiburger diese Komplementärwährung bisher wirklich in ihren Alltag integriert. Die Idee des Freitaler-Vereins ist aber, dass das entworfene Zahlungsmittel viel mehr zirkuliert, eine Eigendynamik entwickelt und die Nutzer nicht mehr komische Blicke in Geschäften ernten müssen, wenn sie in Freitalern zahlen möchten.

Der Freitaler-Verein wird von einem Kern von etwa sechs Freiburger Studierenden geführt und organisiert, die aus unterschiedlichen Fachrichtungen kommen: Politikwissenschaftler, BWLer, VWLer, Sozialarbeiter und Erziehungswissenschaftler bilden das überschaubare Herzstück des Vereins. Jakob, der BWL mit dem Schwerpunkt Public and Non-Profit Management im 6. Semester an der Uni Freiburg studiert, ist Mitglied des Vereins und gemeinsam mit seinem Mitbewohner im Vorstand. Wenn wichtige Entscheidungen besprochen werden, dann sitzen die Vorstandsmitglieder gemütlich bei einem Vereinsmitglied zu Hause und diskutieren, erzählt Jakob.

Die Unternehmen im Verein

Wie aber funktioniert der Freitaler als Regionalgeld? „Der Freitaler ist durch den Euro gedeckt und nicht als seine Konkurrenz zu betrachten, sondern als ergänzendes Zahlungsmittel“, sagt Jakob. Der Verein hat ein Deckungskonto, in welches beim Kauf von Freitalern die ausgegebenen Euro eingezahlt werden. Die etwa 70 Unternehmen aus Freiburg und Umgebung, die beim Freitaler-Projekt mitmachen, zahlen jährliche Mitgliedsbeiträge deren Höhe sich nach der Anzahl der Beschäftigten richtet. Zu den Mitgliedern gehören zum Beispiel der Edeka-Danner Lebensmittelmarkt beim Bischofskreuz, das Sedan-Café und das Pow-Café. Ihre Beiträge helfen, den Verein zu finanzieren. Außerdem gibt es einen Abschlag, den die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie Freitaler wieder in Euro eintauschen wollen. Diese Regelung soll Unternehmen zur Reinvestition der Freitaler motivieren und die regionale Wirtschaft ankurbeln. Die Rücktauschgebühren gehen als Spende an soziale und gemeinnützige Projekte der Freiburger Region.

Viele Freiburger und Freiburgerinnen haben die Motivation und die Möglichkeit regionale Produkte einzukaufen. So gibt es viele Menschen die wöchentlich auf dem Münster- oder auf dem Stühlingermarkt für regionale Produkte bezahlen. Ist dann eine Regionalwährung sinnvoll, wenn sie nur die Menschen anspricht, die ohnehin schon regionale Produkte bevorzugen? „Ein großer Vorteil des Freitalers ist für viele die Sicherheit, dass das ausgegebene Geld im nächsten und übernächsten Schritt in der Region bleiben wird“, sagt Jakob.

Vernetzung vor Ort

Durch eine gemeinsame alternative Währung intensivieren sich die Beziehungen zwischen regionalen Unternehmen. Zum Beispiel wird ein Lebensmittelladen seine Werbeplakate bevorzugt beim Druckgeschäft in der Nachbarschaft erstellen lassen, weil dieses Geschäft auch den Freitaler akzeptiert, anstatt diese Plakate von weit entfernten Orten transportieren zu lassen, argumentiert Jakob. Es ergibt sich also ein Zyklus an regionalen Dienstleistungen und Produktverkäufen. Dementsprechend entstehen ein umweltfreundlicherer, nachhaltigerer Konsum und ein dichteres Netzwerk an regionalen Wirtschafts-Akteuren. „Ich finde es außerdem wichtig, dass man die Leute dazu anregt, Sachen anders zu machen, wirtschaftliche Kreisläufe anders zu denken. Man sollte aber nicht alles theoretisch angehen, sondern tatsächlich anpacken“, fasst Jakob zusammen.

Ob die Vision des Ökonomen Niko Paech von einer stabilen Postwachstumsgesellschaft, in welcher Unternehmen nicht mehr Wachstumszwängen ausgesetzt sind und der Konsum auf einem gemäßigten, nachhaltigen Niveau gehalten wird, Zukunftsmusik oder Illusion ist, bleibt ungewiss. Regionalwährungen können aber als ein Schritt in diese Richtung verstanden werden. Einen gemäßigten Konsum und die Berücksichtigung der Saisonalität können Regionalwährungen allerdings nicht garantieren, das bleibt den Bewohnern selbst überlassen. Dennoch ermöglicht dieses System einer Stadt wie Freiburg, bei erhöhtem Umlauf des Freitalers, den globalen Finanzströmen weniger ausgeliefert zu sein.

Infos

Was? Der Freitaler ist ein Regionalgeld, dass in Freiburg und Umgebung kursiert und dient dazu, die lokale Wirtschaft zu stärken.

Wann? Der Freitaler-Verein existiert seit 2008 und ist als Reaktion auf die Finanzkrise entstanden.

Wo? Es gibt vier Ausgabestellen in Freiburg, bei denen Freitaler gekauft werden können. Am zentralsten gelegen ist das Café POW im Sedanviertel. Ein Freitaler ist ein Euro wert.

Wer? Mehr als 70 Unternehmen machen mit. Zum Beispiel kann man im Sedan-Café, im Edeka am Bischofskreuz oder im Restaurant “Omas Küche” mit Freitalern bezahlen und somit den Verein und die regionale Wirtschaft unterstützen.

Mehr Infos zum Freitaler und seine Ausgabestellen gibt es auf der Webseite des Vereins: freitaler.com

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Veröffentlicht am 20. September 2016

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