Auf ein Interview mit: Dexter

Auf ein Interview mit: Dexter

Der Künstler Dexter zählt zu den renommiertesten HipHop-Produzenten des Landes. Wenn er nicht gerade Casper & Cro mit Beats beliefert, trifft man ihn in einem Stuttgarter Krankenhaus, wo er neben seiner Musikkarriere hauptberuflich als Kinderarzt arbeitet. Für unser HipHop-Magazin Basement Tape$ haben wir ihn nach einem langen Arbeitstag in der Klinik um 21.30 Uhr ans Telefon bekommen, um mit ihm über sein neues Album, seine Vinyl-Sammelleidenschaft und das Thema Zeitmanagement zu sprechen.

uniFM: Mitte Oktober ist dein aktuelles Album “Raw Random Files” erschienen, nach “The Jazz Files” und dem psychedelischen “The Trip” dein erstes Instrumental-Album, bei dem kein bestimmtes Genre als übergeordnetes Konzept im Zentrum steht. Wie kam es zu der Entscheidung?

Dexter: Es ist immer auch mit einer gewissen Einschränkung verbunden, wenn man sich ausschießlich einem bestimmten Genre widmet. Es haben sich über die letzten Jahre einfach viele Sachen angesammelt und es wäre schade gewesen, diese Tracks auf der Festplatte versauern zu lassen. Die mussten einfach noch in schwarzes Plastik gemeißelt werden, bevor die Festplatte abraucht.

uniFM: Wie gewohnt findet sich auf “Raw Random Files” auch wieder eine sehr nieschige Auswahl an Samples. Unser Favorit ist die DDR Psychedelic-Jazzrock-Band Bayon. Wie stößt man denn auf solch obskures Material? Durchstöberst du ganz klassisch Plattenläden oder gibt es ein bestimmtes System, wenn du auf Sample-Suche gehst?

Dexter: Ich durchstöbere eigentlich alles – Internet-Blogs, YouTube, Plattformen wie Discogs oder Querverweise zu anderen Artikeln. Daneben gehe ich aber auch nach wie vor ganz klassisch in Plattenläden. Wenn ich wegen eines Auftritts in einer Stadt bin, die ich noch nicht kenne, lasse ich mir vor Ort immer Tipps geben, wo man die interessantesten Platten findet. Am liebsten suche ich nach obskuren Releases aus Deutschland – Platten des Labels Amiga, christlichen Soul und Funk oder Krautrock. Ich gehe eigentlich nie aus einem Plattenladen raus, ohne etwas gekauft zu haben. Ich schrecke zwar auch nicht davor zurück, ab und an MP3s oder Youtube-Links zu sampeln, doch am liebstem arbeite ich immer noch mit Platten.

uniFM: In einer vergangenen Basement Tape$ Ausgabe hatten wir deinen Kollegen FloFilz zu Gast. Der hat uns erzählt, dass seine Vinyl-Leidenschaft vorwiegend ein Resultat seines Elternhauses war, wo er schon früh mit den Jazz-Platten seines Vaters in Kontakt kam. Wie war das bei dir?

Dexter: Schallplatten waren schon seit ich ein Kind war immer präsent. Mein Vater ist sehr großer Jazz-, Blues- und Rock-Fan und besitzt eine dementsprechend große Plattensammlung. Meine ersten Samples stammen von dort. Da ich als Kind und jugendlicher Rebell andere Sachen gehört habe, wusste ich zunächst jedoch noch nichts mit diesem Sound anzufangen. Über den Umweg HipHop habe ich dann aber doch den Zugang zu den Platten meines Vaters gefunden. Rückblickend betrachtet war das also ein sehr großer Einfluss und ich bin sehr froh darum, dass ich mit meiner Familie eine Musikbegeisterung teile. Meine Eltern verfolgen auch immer interessiert, was ich gerade mache.

uniFM: Du hast neben deinen Soloplatten auch schon mit recht namhaften Künstlern aus dem Deutschrap-Umfeld zusammengearbeitet – Fatoni, Cro, Casper, Döll, um nur einige zu nennen. Wie kann man sich eine solche Zusammenarbeit vorstellen? Wie viel davon ist Auftragsarbeit, wie viel kreativer Spielraum wird dir zugestanden?

Dexter: Das ist von Künstler zu Künstler sehr unterschiedlich. Ich bin nicht der typische Auftragsproduzent, der Anrufe bekommt oder mit seinen Beats hausieren geht. Die meisten Kollaborationen sind durch persönliche Kontakte entstanden. Wenn man gemeinsam auftritt, kommt man ins Gespräch und lernt sich kennen. Im nächsten Schritt trifft man sich zuhause, hört zusammen Beats an und die Künstler schreiben dann ihre Parts auf die Tracks. Anschließend schicken sie mir die Spuren und ich mache mich ans Arrangement. Dabei lasse ich mir eigentlich alle kreativen Freiheiten. Die meisten Künstler lassen mir auch diesen Spielraum. Einige Kollegen haben aber natürlich auch konkretere Vorstellungen.

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uniFM: Die meisten Künstler, mit denen du bisher zusammengearbeitet hast, stammen aus der hiesigen Rap-Szene. Haben auch schon größere, internationale Künstler angeklopft?

Dexter: Die einzige Produktion, die international auf breiteres Interesse gestoßen ist, war mein Simpsons-Remix “Homer-Flip”. Der wurde beispielsweise auch von DJ Shadow auf seiner Welt-Tournee gespielt. Die Macher der Simpsons wollten mich zwar erst verklagen, haben den Track dann aber letztendlich selbst verwendet und mich in Ruhe gelassen. Ansonsten wurden aber noch keine konkreten Anfragen an mich herangetragen. Ich glaube, die Amis sind da eh etwas träge. Wenn der fame nicht bereits ein gewisses Maß erreicht hat, gibt es von deren Seite erst mal kein Interesse.

uniFM: Ob realistisch oder nicht: Gibt es momentan MCs, mit denen du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?

Dexter: Ich mag nach wie vor Danny Brown sehr gerne. Aber auch aus dem TDE-Umfeld gibt es momentan viele interessante Künstler. Ich tue mich immer schwer damit, mich an Hypes heranzuhängen, aber Kendrick Lamar ist momentan definitiv einer der Besten. Viele Beats auf denen der zu hören ist, haben auch große Ähnlichkeit, mit den Tracks, die ich so produziere. Das wäre also schon ein Traum. Aber ich forciere so etwas auch nicht. Wenn es nicht passieren sollte, heule ich mich auch nicht ins Kissen deswegen.

uniFM: Du praktiziert ja neben deiner Produzentenkarriere auch als Kinderarzt in einer Klinik, musst also ein bewundernswertes Zeitmanagement haben. Wir haben als Uniradio ja vorwiegend studierende HörerInnen, die – besonders in Prüfungsphasen – regelmäßig am Burnout vorbeischrammen. Hast du Tipps, wie man bei vielen Baustellen nicht den Kopf verliert?

Dexter: Ich finde es schwierig, konkrete Tipps zu geben, weil ich in den Momenten, in denen ich mich mit etwas beschäftige, nicht darüber nachdenke, was ich da gerade tue. Deshalb kann ich im Nachhinein gar nicht mehr genau rekonstruieren, wie ich das alles geschafft habe. Wenn der innere Antrieb da ist, dann bekommt man erstaunlich viel zustande. Musik machen war für mich dabei immer schon ein Ausgleich, das exakte Gegenteil von Arbeit also. Auch damals im Studium war das primär immer eine Form von Entspannung für mich. Andere gehen dafür ins Fitness-Studio oder schauen Fernsehen. Dadurch, dass ich mittlerweile auch viele Auftritte habe, habe ich meine Stelle als Kinderarzt auch etwas reduziert. Als Arzt sollte man meiner Meinung nach eh nur Teilzeit arbeiten. Man wir im Krankenhaus schon ziemlich verheizt und verdient grundsätzlich auch genug, dass man als einigermaßen bescheidener Mensch mit einem 60-Prozent-Gehalt gut auskommt. In meinem Fall ist es ja sogar so, dass ich selbst in meiner Freizeit Geld verdiene. Das ist natürlich der Idealfall.

uniFM: Wenn du jetzt deine Stelle reduziert hast, hast du bestimmte auch mehr Zeit an neuem Material zu arbeiten. Was sind denn die nächsten Projekte, über die wir uns in naher Zukunft von dir freuen dürfen?

Dexter: Ich arbeite immer an neuem Material. Irgendwann werden die Projekte dann auch konkreter. Zum Beispiel steht ein neues Album mit den Betty Ford Boys in den Startlöchern. Ich bin auch an einem neuen Rap-Projekt dran. Ebenso wird es irgendwann ein neues Solo-Album geben, das – anders als „Raw Random Files“ – mehr den Sound repräsentiert, mit dem ich mich momentan beschäftige. Da wird es dann wieder etwas experimenteller zugehen. Allerdings wird die Platte erst veröffentlicht, wenn genug gute Tracks zusammengekommen sind. Es ist also immer was geplant. Ich denke, so schnell höre ich nicht auf.

Das gesamte Interview mit Dexter hört ihr am Dienstag (01.11.16) um 21.00 Uhr in der November-Ausgabe unseres HipHop Magazins Basement Tape$.

Das Interview führte Julian Tröndle
Fotos: Robert Winter
Autoren:
Veröffentlicht am 28. Oktober 2016

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