Auf ein Interview mit: Von Wegen Lisbeth

Auf ein Interview mit: Von Wegen Lisbeth

Von Wegen Lisbeth zählen momentan zu den spannendsten deutschsprachigen Bands des Landes. Vor ihrem umjubelten Auftritt beim Ahoii Festival im Jazzhaus haben wir Matthias Rohde (Sänger und Gitarre) und Julian Hölting (Bass) in ihrem eigenartig geruchlosen Tour-Van zum Interview getroffen. Als Themen standen unter anderem Tim Bendzko, HipHop und Element Of Crime auf der Agenda.

uniFM: Ihr habt ja ein einigermaßen turbulentes Jahr hinter euch. Euer Album “Grande” ist rausgekommen, ihr habt eine ausgedehnte Festivaltour gespielt, gefolgt jetzt von einer fast gänzlich ausverkauften Clubtour. Ein ziemliches Pensum also. Gibt es schon irgendwelche körperlichen oder mentalen Verschleißerscheinungen?

Matthias: Nein, wir sind vollkommen kratzresistente Pop-Roboter. An unseren stählernen Körpern geht so etwas spurlos vorüber – Nein, wir sind schon relativ wasted, um ehrlich zu sein. Es ist halt kein normaler Zustand, so lange auf Tour zu sein.
Julian: Ich schlafe sehr schlecht. Deshalb bin ich eigentlich die ganze Zeit über müde. Aber das passt im Grunde ganz gut zu diesem antriebslosen Slacker-Style, den wir fahren.

uniFM: Euer Album “Grande” ist von euren Fans erwartbar euphorisch aufgenommen worden, wobei man auch sagen muss, dass ihr die einmalige Chance hattet, das Material bereits im Vorfeld großzügig live zu testen. Beim zweiten Album werdet ihr diese Testphase jetzt ja nicht mehr haben. Glaubt ihr, dass sich das auf den Sound des Albums auswirken wird?

Matthias: Das glaube ich eigentlich nicht, da wir auch beim aktuellen Album nur das getan haben, worauf wir grade Bock hatten.
Julian: Wobei wir manche Songs im Nachhinein schon etwas verändert haben, als wir gemerkt haben, dass bestimmte Sachen live nicht funktionierten. Allerdings ist es für uns kein Kriterium, wo am meisten mitgesungen oder getanzt wird.
Matthias: Wenn es uns rein darum ginge, würden wir einfach Ska spielen.
Julian: Oder Trap…

uniFM: Eure Texte sind jetzt ja nicht dezidiert mit politischen Statements aufgeladen. Trotzdem grenzt ihr euch in euren Lyrics gerne von bestimmten sozialen Gruppen oder anderen Bands ab. Wie wichtig ist euch das Thema Haltung für eure Musik?

Matthias: Ich finde einfach, dass andere Bands tendenziell zu wenig Haltung zeigen. Zumindest scheint es im deutschsprachigen Pop sehr selten vorzukommen.
Julian: Dabei sollte es doch vollkommen normal sein, dass man als Band zu bestimmten Dingen Stellung bezieht, manche Künstler gut und andere schlechter findet. Ich habe beinahe das Gefühl, dass andere Bands sich das nicht trauen, da sie befürchten, bestimmte Gruppen als Fans zu verlieren. Dabei ist doch das gerade geil! Wer will schon Timmy Bendzko Fans im Publikum haben?

uniFM: Du sprichst es an: Ihr habt euch mit Revolverheld, Robin Schulz, Tim Benzko und Leuten, die mit 17 schon ihr Studium beginnen, auch relativ leichte Opfer ausgesucht. Zumindest im studentischen Mileu, in dem ihr viele Fans habt, dürfte das kaum zur Provokation taugen. Wird es auf dem neuen Album denn auch etwas kontroversere Zielscheiben geben?

Matthias: Du meinst einen AnnenMayKantereit-Diss? Schlussendlich sind das ja subjektive Meinungen, die wir da transportieren. Mir ist auch vollkommen unklar, wie andere Bands es schaffen, ihre persönlichen Einstellungen beim Texten außen vor zu lassen.
Julian: Ich verstehe auch überhaupt nicht, warum es im Pop so außergewöhnlich ist, andere Bands oder Künstler schlecht zu finden. Wenn du als Rapper sagst, der junge Eko Fresh war unfassbar wack oder dass das, was Prinz Pi heute macht, einfach nicht mehr real ist, dann sind das einfach gemeingültige Wahrheiten im Rap-Geschäft. Im Pop hingegen ist es etwas ganz und gar besonderes, wenn man sich gegenseitig anfeindet.
Matthias: Dabei ist das doch gerade das Besondere der ganzen HipHop-Kultur. Im Pop tut man hingegen so, als wäre man mit allen befreundet, wobei hinter der Fassade dann doch alle unfassbare Zicken sind.

uniFM: Ihr seid also die HipHopper im deutschen Indie-Pop?

Matthias: Das Kompliment würde ich gerne so annehmen.

uniFM: In eurem Song “Wenn du tanzt” gibt es den wunderschönen Schachtelsatz “Schließt die Schulen dieser Stadt, weil es keinen Sinn mehr hat, noch ein Weltbild zu vermitteln, das schon durch das kleinste Schütteln deines linken Schulterblatts einfach so zusammenkracht und nur Schutt und Asche ist, wenn du dann am Tanzen bist.” – Gesungen kenne ich solche Sätze eigentlich nur von Sven Regener. Ist Element Of Crime, mit denen ihr ja auch schon gemeinsam auf Tour wart, ein Einfluss für euch?

Matthias: Ich finde Element Of Crime schon sehr inspirierend, allerdings kann ich nicht behaupten, ich habe eine bestimmte Strophe so formuliert, weil ich zuvor eines ihrer Alben gehört habe. Das passiert wenn überhaupt unterbewusst. Doch unabhängig von den Lyrics war unsere Tour mit Element Of Crime ungemein prägend – weniger was das Musikalische angeht, sondern vielmehr wie man den allgemeinen Tour-Alltag meistert. Da haben wir schon sehr von ihrer Erfahrung profitiert.

uniFM: Ich habe das Gefühl, dass die deutschsprachige Popmusik beinahe kastenartig angelegt ist – Oben die graue Eminenz wie Element Of Crime oder Niels Frevert, von unten streben die jungen Wilden nach oben. Dazwischen scheint mir in den vergangenen Jahren doch relativ wenig passiert zu sein. Ist das nur meine subjektive Wahrnehmung?

Matthias: Ich glaube, ich sehe das ähnlich.
Julian: Die deutschsprachige Popmusik, die in letzter Zeit aufgekommen ist, scheint sich außerdem selbst überhaupt nicht ernst zu nehmen. In einem Bilderbuch Song stecken beispielsweise relativ wenig Identifikationsmomente. Die Texte sind so zerstückelt und abstrus, dass man da nur schwer etwas Persönliches herausziehen kann. Der Text scheint eher als musikalisches Element eingesetzt zu werden, als Teil der Gesamtinszenierung.

uniFM: Mal die sprachlichen Referenzen bei Seite. Ihr seid neben Bilderbuch momentan ja eine der wenigen Bands, die einen sehr international klingenden Sound mit deutschsprachigen Texten kombiniert. Als ich das erste Mal die neue Platte gehört habe, dachte ich Phoenix singen jetzt auf deutsch. Was läuft denn bei euch, wenn ihr im Tourbus unterwegs seid? Woher stammen denn die musikalischen Einflüsse für Von Wegen Lisbeth?

Julian: Während der Autofahrt hören wir eigentlich fast gar keine Musik, da man die Zeit auf Tour, in der man nicht durchgehend beschallt wird, dann doch auch sehr genießt.
Matthias: Und es gibt, glaube ich, auch keine Band, die wir alle als Einfluss anerkennen würden, da wir alle ganz unterschiedlichen Kram hören. Der eine hört Techno, der andere HipHop, Reggae oder sonst was. Deshalb ist auch unser Album musikalisch sehr vielseitig geworden.
Julian: Wir lassen uns jedoch gerne von bestimmten Sounds inspirieren. Oft hören wir einen Song, der zwar überhaupt nichts mit unserer Musik zu tun hat, bei dem wir aber den HiHat- oder Snare-Sound wahnsinnig gut finden.

uniFM: Ihr sampelt also Sounds aus bestimmten Stücken und baut aus denen dann eure Songs auf?

Julian: Naja, wir sampeln sie nicht, wir lassen uns im Grunde nur von der Klangwelt inspirieren. Wir sampeln gedanklich. Es existierte auch ein Ordner mit Songskizzen, zu dem wir immer auch bestimmte Referenzen abgespeichert hatten. Da stand dann beispielsweise, bei dem Song soll das Schlagzeug wie bei “Coco Jambo” klingen. Mit diesen Ideen sind wir dann zu unserem Produzenten ins Studio gegangen und haben an unseren Songs gebastelt.

uniFM: Heute Abend spielt ihr imn Rahmen des Ahoii Festivals hier im Jazzhaus. Ziemlich genau vor einem Jahr habt ihr schon mal ein Konzert hier gespielt. Habt ihr noch irgendwelche besonderen Erinnerungen an den Abend?

Matthias: Ja, wir waren mega überrascht, weil es das geilste Konzert der Tour war.
Julian: Und das, obwohl wir im Vorfeld nur 22 Tickets verkauft hatten. Wir kamen beim Jazzhaus an und dachten: Wie soll dieser riesige Laden denn voll werden? Am Ende waren dann doch circa 250 Leute da und es wurde ein wahnsinnig gutes Konzert.

Info

Mehr Informationen zur Band Von Wegen Lisbeth

Das Interview führte Julian Tröndle
Foto: Marian Lenhard
Autoren:
Veröffentlicht am 17. Oktober 2016

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